„Wir dürfen uns von Links keine Tabus aufzwingen lassen“

Giuseppe Gracia ist Publizist und Kommunikationsberater. Mit prononcierten bürgerlich-liberalen und katholischen Standpunkten setzt er im schweizerischen Medienbetrieb Akzente. TE sprach mit dem zukünftigen Herausgeber des „Schweizer Monat“ über die Bedeutung liberal-konservativer Stimmen in den Medien.

Foto: Giuseppe Gracia

Der Publizist und Kommunikationsberater Giuseppe Gracia wird ab Januar 2026 neuer Herausgeber des Schweizer Monat. Gracia schreibt unter anderem für die NZZ und war Kommunikationsbauftragter für das Bistum Chur. Er bezeichnet das Magazin, dessen Leitung er übernehmen wird, als „Juwel des freiheitlichen Denkens, das wir heute mehr denn je brauchen“. 

Mit TE spricht Gracia über seine Verortung als praktizierender Katholik im bürgerlich-liberalen Lager und über die wichtige Aufgabe, der schweigenden Mehrheit eine Stimme zu geben – denjenigen, die nicht links oder grün wählen, nicht an 70 Geschlechter glauben, und staatliche Bevormundung ablehnen.

Tichys Einblick: Herr Gracia, der Schweizer Monat hat ein bürgerlich-liberales Profil, ähnlich wie die NZZ, für die Sie seit einigen Jahren schreiben. Nun wird mit Ihnen erstmals ein Katholik die Leitung übernehmen. Wie passt der Wechsel zum Schweizer Monat zu Ihrem katholischen Selbstverständnis?

Giuseppe Gracia: Ich verteidige den freiheitlichen Westen gerade auch als Katholik, der um die totalitären Sünden der Kirchengeschichte weiß. Der Säkularismus, die Trennung von Religion und Staat, ist kein Widerspruch zum Christentum, sondern eines seiner Kinder. Jesus trennt zwischen Kaiser und Gott. Erst durch diese Trennung wurde der Liberalismus denkbar und geschichtswirksam. Freiheit und Christentum gehören zusammen.

Viele Medienschaffende würden hier widersprechen. Man hat sogar das Gefühl, dass heute beides angegriffen wird: die Freiheit, etwa die Meinungsfreiheit, sowie die christliche Religion.

Das stimmt. Im Namen höherer Werte wie Klimaschutz oder Antidiskriminierung wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Zudem wollen Journalisten die Gesellschaft heute oft nicht nur beschreiben, sondern verändern. Manche nennen das Haltungsjournalismus oder sprechen davon, einen „Kulturwandel mitzugestalten“. Das klingt schön, aber eigentlich ist es politischer Aktivismus mit journalistischen Mitteln.

Wir erleben gerade auch im Hinblick auf die Ermordung Charlie Kirks einige Irritation gerade in der deutschen Presse. Die Selbstverständlichkeit, mit der er und auf der Trauerfeier etwa seine Witwe Erika oder auch Marco Rubio über ihren Glauben gesprochen und diesen bekannt haben, scheinen viele Medienvertreter gar nicht fassen zu können, während Kirk auch in Europa zur Identifikationsfigur avanciert. Erleben wir hier den Beginn eines Kulturwandels, könnten sich hier neue Räume auftun, in denen sich Konservatismus und Liberalismus neu aufstellen, auch in ihrem Verhältnis zur Religion?

In den USA ist es selbstverständlicher, öffentlich von Gott zu sprechen oder sich argumentativ auf christliche Essentials zu beziehen. In Westeuropa ist das Verhältnis zur Religion eher verstockt. Eine kleine Elite von religiös Unmusikalischen reklamiert Rationalität und Diskurshoheit für sich und betrachtet den Rekurs auf etwas Göttliches als irrational. Es ist aber nicht rationaler anzunehmen, dass das Universum mit seiner unfassbaren Perfektion aus den Nichts eines Knalls kommt, als dahinter eine schöpferische Intelligenz zu vermuten. Was wir in unseren Ländern also brauchen, ist mehr Selbstbewusstsein und argumentativen Fleiß, um in den Battle of Ideas einzusteigen!

Welche Herausforderungen haben Herausgeber und Verleger in dieser Situation?

Wir müssen den dominierenden Stimmen links der Mitte bedeutend mehr liberale und konservative Stimmen entgegenhalten. Dazu bräuchte es mehr Medienhäuser mit dem Mut, unbequeme Ansichten im Alltagsgeschäft zu fördern und finanziell zu tragen. Der Schweizer Monat leistet dazu in der Schweiz seit Jahren hervorragende Arbeit – ebenso wie Tichys Einblick und mittlerweile doch eine ganze Reihe anderer Medien in Deutschland.

Heute scheint man liberale Werte wie Selbstverantwortung, Freihandel oder Kapitalismus negativ zu bewerten, gerade auch im akademischen Milieu.

Die Missstände unserer Wirtschaftsordnung, etwa das Fehlverhalten eines Arbeitgebers oder eines umweltschädlichen Konzerns, werden dazu missbraucht, den Liberalismus an sich zu verdammen, um den Ruf nach einem Systemwechsel zu legitimieren. Die historisch einmaligen Errungenschaften des Liberalismus, die Wirkung der individuellen Freiheit auf kreative Forschung, auf Fortschritt und Massenwohlstand, das wird ausgeblendet. Obwohl wir sehen, dass es in kollektivistischen, autoritären oder islamischen Ländern keinen auch nur ansatzweise vergleichbaren Fortschritt gibt, keinen Massenwohlstand, keine Freiheit.

Das hat wohl Methode, um sozialistische Ideen neu aufzulegen.

So ist es. Deshalb müssen wir den Wettbewerb der Ideen und Anschauungen fördern und dürfen uns von Links keine Tabus aufzwingen lassen, dürfen auch vor Diffamierungskampagnen keine Angst haben. An die Stelle des klugen Gegenarguments ist heute ja das Feindbild getreten: der Verfassungsfeind, der Demokratiefeind, der Migrationsfeind. Diese bösartigen Labels dürfen uns nicht bremsen. Wir müssen uns für unsere Überzeugungen einsetzen und daran glauben, dass wir die besseren Argumente haben oder, wenn wir zu bequem werden, in jedem Fall, die besseren Ideen suchen.

Werden Sie das auch als neuer Chef des Schweizer Monat vorleben?

Gewiss. Ohne unbequeme Stimmen entstehen keine Denkräume, ohne diese keine Ideen, keine Innovation. Der Ideenwettbewerb ist eine Quelle des Fortschritts. Es ist Aufgabe eines liberalen Mediums, diese Quelle am Leben zu erhalten. Im Dienst einer Zivilisation, die äußere Freiräume schafft, indem sie innere, geistige Räume fördert.

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Kommentare ( 8 )

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hoho
2 Monate her

Das ist vlt nicht das Thema des Artikels aber die ganze links/rechts ist einfach doof – wenn 60% der Gesellschaft die Massenmigration gut findet, dann ist das nicht links. Das kriegt man wenn man die relative Begriffe zur Beschreibung der Fakten benutzt. Links oder Rechts interessiert mir nicht. Was ich will: die nicht politisierte Justiz die die Taten wie Vergewaltigung und Mord tatsächlich bestraft. Ich will, dass man alles sagen kann, ich will keine Propaganda, ich will keine Zensur, ich will keine Unterstützung für fremde Regime. Ich will eine rationale Energiepolitik. Das alles ist weder links noch rechts.

HansKarl70
2 Monate her
Antworten an  hoho

Das ist ein Systemproblem. Wenn 60% auch die Massenmigration finanziell tragen würden hätte ich kein Problem damit. Aber genau da fangen die Probleme an und es gibt noch eine Menge mehr.

hoho
2 Monate her

Links oder rechts es sollte in einem Gespräch nur Regeln der zivilen Dispute herrschen. Verballe Angriffe auf den Gegner sind dabei Tabu. Die Themen wie die Katastrophe von Massenmigration, der Genozid in Gaza usw sollte man besprechen können. Ich bezweifle aber, dass wir dazu bereit sind.

Peter Pascht
2 Monate her

Es sind in diesem Lande alles nur noch Narative der „kulturellen Hegemonie“, die nur allein als Wahrheit gelten dürfen und müssen, weit entfernt von den Fakten der Realität, in Poliik, Geschichte, öffentlichem Diskurs, in der Schulbildung, ja sogar in Teilen der Wissenschaft. Hier nur zwei Beispiele von vielen die ich geben kann. Jder hat in der Schule gelernt, dass Kopernikus im 16. Jhd. sei der Schöpfer der Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht, nicht umgekehrt. Derweil belegen schon die alten orientalischen Schriften, dass schon die Chaldäer im 7. Jhd vCh dies wussten, ja sogar die Umlaufzeiten der… Mehr

Last edited 2 Monate her by Peter Pascht
rainer erich
2 Monate her

Ich gehe davon aus, dass auch auf TE die durchaus deutlichen Unterschiede zwischen der Weltwoche von Köppel und der neoliberalen NZZ bekannt sind. Eigentlich sollten die Artikel in der NZZ ausreichen, um sich ein realistisches Bild von der globalistischen Anywhere-Ausrichtung zu verschaffen. Wenn Herr Garcia der NZZ , an die Eloge auf Soros sei erinnert, nacheifert, müsste er an der ein oder anderen Stelle Probleme bekommen. Mein Problem beginnt bereits mit dem Begriff “ liberalkonservativ“ bzw dem Anteil des sogen Neoliberalismus an dem laufenden Transformationsprozess. Um es deutlicher zu schreiben , es gibt massive Kompatibilitätsprobleme zwischen diesem und dem Konservativismus.… Mehr

Britsch
2 Monate her

„Wir dürfen uns von Links keine Tabus aufzwingen lassen“
Ganz genau, von Niemandem darf man sich Tabus aufzwingen lassen
aber besonders nicht von Linken, wenn man selbst eine Andere Meinung hat und Anderes will

Ronce
2 Monate her
Antworten an  Britsch

Aber mit Linken muss man auch nicht reden und diskutieren. Die haben nur Umverteilung und Sozialismus im Kopf.

Britsch
2 Monate her
Antworten an  Ronce

Schon klar,
Die meinen ja, wenn Andere mehr haben als Sie selbst, warum auch immer, müßten sie das mehr ohne dafür eine Leistung zu erbringen bekommen. Oder könnten über das Mehr dasWelche haben als Andere frei verfügen. Mit Arbeiten, hartem richtigen arbeiten das nötig ist, daß die Menscheit überhaupt leben kann ist nicht viel