Frankreich statt Spanien: was die Anpassung eines Börsen-Stimmungsindex bedeutet

Französische Staatsanleihen werden jetzt als gefährlicher angesehen als Spanische. Eine neue Staatsschuldenkrise droht, doch diesesmal sitzen die Risiken mitten in Europa, statt am Rand. Ein Gastbeitrag von Markus Sievers, Geschäftsführer von apano Investments.

IMAGO / ABACAPRESS
Bloquons Tout In Paris A burning barricade in the Les Halles district in central Paris on this day of national mobilization on the symbolic date of September 10, 2025 in Paris on September 10, 2025,Photo by Florian Poitout/ABACAPRESS.COM Paris France PUBLICATIONxNOTxINxFRAxUK Copyright: xPoitoutxFlorian/ABACAx

Der apano-Börsen-Stimmungsindex (APX) misst seit 2012 täglich, wie die Finanzmärkte Risiken einschätzen. Dafür vergleicht er 16 Indikatoren: offensivere Anlageklassen wie Aktien („Risk on“) mit sicheren Häfen wie US-Staatsanleihen („Risk off“). Während „Risk on“-Werte Zuversicht anzeigen, steigen „Risk off“-Indikatoren wie Volatilität oder Creditspreads in Phasen der Verunsicherung.

Nun wurde ein Instrument ausgetauscht. Spanische Staatsanleihen scheiden als sogenannter „Risk on“ -Indikator aus, französische treten an ihre Stelle. Was wie ein technisches Detail klingt, ist Ausdruck einer verschobenen Realität. Die tektonischen Spannungen der Eurozone haben sich vom Rand ins Zentrum verlagert.

Spanien war das Frühwarnsignal der Eurokrise

Vor gut zehn Jahren galt Spanien als Schlüsselland. Während der Eurokrise 2010 bis 2012 stand die iberische Halbinsel am Rande der Zahlungsunfähigkeit, das Bankensystem musste mit europäischen Hilfspaketen gestützt werden. Madrid war der Testfall für die Tragfähigkeit des Euro.

Inzwischen hat Spanien seine Lage stabilisiert. Reformen am Arbeitsmarkt, eine vorsichtigere Haushaltspolitik und die Rekapitalisierung der Banken haben gewirkt. Natürlich bleibt das Land hoch verschuldet, doch es gilt nicht mehr als unmittelbarer Auslöser für die nächste Krise. Für Investoren ist Spanien heute ein „normaler“ Risikofaktor, nicht länger der Brennpunkt, an dem sich die Zukunft der Eurozone entscheidet. Spanische Staatsanleihen werden mittlerweile nicht mehr nur dann gekauft, wenn die Anleger risikofreudig sind. Deshalb hat dieser Indikator an Aussageschärfe verloren.

Frankreich rückt ins Zentrum

Ganz anders Frankreich. Die Verschuldung liegt bei über 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Anders als Spanien hat Frankreich seine strukturellen Probleme kaum angepackt: ein aufgeblähter Staatssektor, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in Teilen der Industrie, hohe Sozialausgaben und eine Reformunwilligkeit, die fast schon traditionell wirkt.

Hinzu kommt die politische Fragilität. Präsident Macron hat nach den letzten Parlamentswahlen keine eigene Mehrheit mehr, er regiert häufig mit Notverordnungen. Protestwellen – von den Gelbwesten über Rentenstreiks bis zu aktuellen Unruhen – zeigen, wie gering die Bereitschaft zu Einschnitten ist. Die Gesellschaft ist gespalten, das politische System blockiert. Für Investoren bedeutet das: Selbst kleine Ausschläge bei den Renditen französischer Anleihen werden mit Argusaugen beobachtet.

Signalwirkung für Europa

Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, militärische Atommacht und politischer Anker. Gerät Paris in den Verdacht, seine Finanzen nicht mehr im Griff zu haben, steht nicht irgendein Land zur Disposition, sondern der Kern der Union.

Stabile oder sinkende Renditen französischer langlaufender Anleihen signalisieren Vertrauen, Risikobereitschaft und die Hoffnung, dass Europa seine Probleme beherrscht. Steigen sie hingegen deutlich, gilt das als Misstrauensvotum gegen die gesamte Währungsarchitektur. Das unterscheidet die heutige Situation fundamental von der Eurokrise. Damals blickten die Märkte auf Athen, Lissabon und Madrid. Heute richtet sich der Blick auf Paris.

Folgen für Anleger und Politik

Für Investoren ist die Anpassung des APX deshalb folgerichtig. Der Index nimmt einen Indikator auf, der innerhalb Europas derzeit und wohl noch auf längere Sicht große Spannungen verursachen kann. Damit wird die seit vielen Jahren zuverlässig hohe Aussagekraft des APX weiter erhöht, denn der Stimmungsindex zeigt nun früher an, ob die Märkte Vertrauen oder Misstrauen in die Eurozone entwickeln.

Für die Politik ist die Botschaft ungleich unbequemer. In der Eurokrise konnten Brüssel und Berlin die Verantwortung auf die „Sünderstaaten“ an der Peripherie abwälzen. Heute zeigt sich: Das Risiko liegt mitten in der EU. Und während Griechenland oder Portugal noch mit überschaubaren Summen stabilisiert werden konnten, ginge es bei Frankreich um ganz andere Dimensionen.

Deutschland stünde dann vor einer heiklen Entscheidung. Einerseits ist Berlin politisch wie ökonomisch auf ein stabiles Paris angewiesen. Andererseits stößt die Bereitschaft, immer neue Risiken zu vergemeinschaften, innenpolitisch längst an Grenzen. Eine französische Krise wäre deshalb nicht nur ein ökonomischer, sondern auch ein politischer Stresstest für die gesamte Europäische Union.

Die Anpassung des APX spiegelt die tektonische Verschiebung der Eurozone. Spanien hat seine Rolle als Frühwarnsignal abgegeben, Frankreich hat sie übernommen. Damit entscheidet sich die Zukunft des Euro nicht mehr an den Rändern, sondern im Zentrum.

Frankreich ist zum Lackmustest geworden. Ob Europa die Balance zwischen hoher Verschuldung, politischer Stabilität und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit hält, hängt zunehmend davon ab, ob Paris das Vertrauen der Märkte bewahren kann und ob Deutschland und Brüssel bereit sind, im Ernstfall die Hauptlast für den Kern der Union zu schultern

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Kommentare ( 13 )

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Laurenz
2 Monate her

Ist doch cool, mittlerweile sind alle mehr oder weniger pleite. Das Ende der exkrementalen EU ist absehbar.

Endlich Frei
2 Monate her

Der Zusammenbruch des Euros, dessen Risiken sich im Kugelfang Deutschland sammeln und die Deutschen mit Haut und Haar in die Haftung nehmen, träfe infolge politischer Verantwortungslosigkeit und infolge Übertretung einst klar gesetzter Stop-Marken (z. B. Bailout-Verbot) tief ins Mark linker Politik und könnte zur Rückbesinnung nationaler Verantwortung führen. Doch wie man das Odyssee-Kommando auf der politischen Brücke kennt, wird eher das Gegenteil forciert und das deutsche Finanzamt vergemeinschaftet werden. Die Sache wird bitterböse enden.

Wilhelm Roepke
2 Monate her

Deutschland kann Frankreich nicht retten, aber Frankreich kann Deutschland mit in den Abgrund reißen.

Legolas
2 Monate her

„ Deutschland stünde dann vor einer heiklen Entscheidung…“ Wie diese aussehen würde, falls der Linksblock dann noch die Macht hat, dürfte klar sein. Die Deutschen würden bis aufs letzte Hemd ausgeplündert werden, um den Euro, um Frankreich zu „retten“. Der Zweck der Einführung des Euro gegen alle Warnungen und gegen jede wirtschaftliche Vernunft war ja gerade, den Franzosen die deutschen Staatsfinanzen zugänglich zu machen. Es gibt nur eine Chance, das zu verhindern. Die AFD wurde dafür gegründet. Die Deutschen haben die Wahl.

Johny
2 Monate her

„ob Deutschland und Brüssel bereit sind, im Ernstfall die Hauptlast für den Kern der Union zu schultern“ — Die Steigerungsform von „Fest“ ist „Ab“, wenn man die Schraube überdreht. Das heißt, es sind die deutschen Malocher und der Mittelstand, die sich immer mehr zugunsten anderer Staaten ausplündern lassen sollen und ob diese das zukünftig weiter akzeptieren, wird immer unwahrscheinlicher: die hören einfach auf, gehen weg oder treten kürzer, weil sich der Einsatz wertvoller Lebenszeit für modernes Sklaventum im Hamsterrad nicht lohnt. Deshalb besteht auch zunehmend die Tendenz zu Teilzeit, denn wer mehr arbeitet, wird auch immer mehr & progressiver ausgeplündert.… Mehr

Albert Pflueger
2 Monate her

Wer oder was ist Brüssel, daß er oder es gemeinsam mit Deutschland die Hauptlast des Zusammenbruchs der französischen Staatsfinanzen tragen könnte? Alle gemeinsam für den Erhalt französischer Fettlebe? Weil die Froschfresser ( üble Schmähung, hier nur zu Unterhaltungszwecken eingestreut! Distanzierungserklärung kann zugeschickt werden, sprengt den hiesigen Rahmen) die sind, die paar Atombomben schmeißen könnten, und zwar die einzigen, seit die Briten raus sind? Wir werden sehen, ob das zieht. Dann ist für allerlei Lieblingsspielzeug der Unsere Demokratie kein Geld mehr da. NGOs, Peruradwege etc. …

H. Hoffmeister
2 Monate her

Jahrzehntelanges Gelddrucken hat den Finanzsektor vollgepumpt mit nicht werthaltigen Zahlungsmitteln, die verzweifelt weiter verzinst werden sollen. Diese Zahlungsmittel nimmt dann der Merz oder der Macron oder der Starmer und verteilen sie an Nichtwertschöpfer, um von denen Wahlstimmen zu kaufen. Dafür lassen die Wahlstimmenkäufer dann die Steuerzahler aufkommen mit Zins und Tilgung. Das ganze ist ein kollabierendes Ponzi-Scheme.

hansgunther
2 Monate her

Das Gute ist, wir sind schon pleite. Pech für die Franzosen und Ursula, falls es so kommt, wie es kommen muss. Diesmal sind sie dran, da hilft auch keine Napoleon-Kopie.

Guzzi_Cali_2
2 Monate her

Mir ist es zwischenzeitlich sehr egal, an was oder an wem die EU zerbricht – Hauptsache, sie tut es. Und vor allem: Bitte schnell. Damit noch irgendwas zu retten ist, bevor uns die Bürokraten endgültig den Stecker ziehen.

Teiresias
2 Monate her

Die deutsche Schuldenbremse hatte den Sinn, einen möglichen bailout der Olivenstaaten durch Deutschland plausibel erscheinen zu lassen.
Mit seinem Wahlbetrug hat Merz so nebenbei den Euro mitabgeräumt.
Das Narrativ von dem deutschen Beistand hat sich mit der Billionenverschuldung Deutschlands erledigt.
Deshalb steigen letztlich die Zinsen und Frankreich schlittert unaufhaltsam in die Pleite.

Die Tage des Euro sind gezählt.

Was uns die lateinische Münzunion 2.0 am Ende gekostet haben wird – man darf gar nicht darüber nachdenken!

Last edited 2 Monate her by Teiresias
Legolas
2 Monate her
Antworten an  Teiresias

Die Ausweitung der Schulden ist eines der wenigen Dinge, die ich bei dieser Regierung richtig finde, obwohl ich im Normalfall bei eigener Wärung für solide Staatsfinanzen eintrete. Es macht überhaupt keinen Sinn, in einem Währungsverbund unabhängiger Staaten als einziger zu sparen, während alle anderen Schulden machen, als gäbe es kein Morgen. Die Tage des Euro waren von Anfang an gezählt. Wir sollten versuchen, midestens soviel Schulden zu machen wie die Franzosen und die Italiener, da beim Zerfall des Euro der zahlen muss, der noch etwas hat.