Drehtür-Republik Deutschland: Wie Ex-Minister, Förderprogramme und „Start-ups“ ineinandergreifen

Lange Zeit war es still um Karl-Theodor zu Guttenberg. Doch nachdem im April dieses Jahres seine Liaison mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche bekannt wurde, rückt nun eine Förderung für ein Unternehmen, an dem zu Guttenberg beteiligt ist, in den Fokus.

MAGO / Rene Schulz

Die GovRadar GmbH entwickelt eine Software, die den Aufwand staatlicher Behörden bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen drastisch reduzieren soll. Nach eigener Darstellung ließe sich der entsprechende Aufwand durch den Einsatz des Tools um bis zu 90 Prozent senken. Ein Angebot also, das gerade für einen Staat attraktiv erscheint, der Wert auf schlanke, effiziente und klar definierte Prozesse legt.

Hohe Subventionssumme

In den Fokus des öffentlichen Interesses rückt das Unternehmen nun jedoch aus einem anderen Grund: Die Firma erhielt zahlreiche öffentliche Zuschüsse – unter anderem vom Freistaat Bayern, aber auch aus einem vom Bundeswirtschaftsministerium gesteuerten Förderprogramm. Insgesamt flossen bislang mehr als 400.000 Euro an ein Unternehmen, das 2023 etwa 900.000 Euro Umsatz erzielte und laut Branchendiensten in diesem Jahr voraussichtlich rund 5,4 Millionen Euro umsetzen dürfte.

Den Löwenanteil der Förderung erhielt GovRadar über das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM). Allein im September dieses Jahres wurden knapp 287.000 Euro aus diesem Programm bewilligt.

Brisant wird der Fall, seit bekannt wurde, dass der ehemalige Verteidigungsminister  Karl-Theodor zu Guttenberg bereits seit 2023 mit rund einem Prozent an der Firma beteiligt ist. Dass seine Lebensgefährtin Katherina Reiche seit Mai dieses Jahres als Ministerin im federführenden Wirtschaftsressort Verantwortung trägt, wirft zusätzliche Fragen auf.

Stand zu Guttenberg bei der Vergabe der Fördermittel möglicherweise in einem besonderen Licht – und spielte seine politische Prominenz eine Rolle? Der frühere Spitzenpolitiker weist jegliche Einflussnahme kategorisch zurück.

Wurde der Kontakt verschleiert?

Nach Informationen der Welt teilte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums mit, es bestehe grundsätzlich kein direkter Kontakt der Unternehmen mit dem Ministerium. Die Förderung sei im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand erfolgt, und das Ministerium selbst sei bei der Förderung von GovRadar nicht eingebunden gewesen.

Allerdings räumte das Haus ein, dass das zentrale Vergabereferat aufgrund eines Medienberichts über GovRadar eigenständig Kontakt zu der Firma aufgenommen habe, nachdem bekannt geworden war, dass das Unternehmen dem Land Nordrhein-Westfalen eine KI-Software angeboten hatte.

Man betonte ausdrücklich, dass dieses Treffen auf Arbeitsebene stattgefunden habe.

Versucht man hier, einen möglichen direkten Kontakt zu Guttenberg zu verschleiern? Gegenüber dem Spiegel erklärte Guttenberg, die dort insinuierten Annahmen entbehrten jeder Grundlage.

Er habe keinerlei Rolle bei der Einwerbung der jüngsten Förderrunde gespielt. Für keine der Firmen, in die er investiert sei, würde er Mitglieder der Bundesregierung befassen – „schon gar nicht meine Lebensgefährtin“, so Guttenberg. Generell arbeite er nicht als Lobbyist.

Das führt zurück zu seiner Tätigkeit für die Firma Wirecard.

Guttenberg, der Netzwerker

Nach seinem Rückzug aus der Politik gründete Guttenberg Spitzberg Partners und beriet zwischen 2016 und 2020 das Skandalunternehmen Wirecard beim Markteintritt in China. Sein Auftrag: industrielle Partnerschaften identifizieren und politische Kontakte nutzbar machen. Über Gespräche mit Bundeskanzlerin Merkel und Staatssekretär Wolfgang Schmidt flankierte er das Projekt politisch. Für diese Beratung erhielt er rund 760.000 Euro – und betont bis heute, von den Bilanzunregelmäßigkeiten des Unternehmens nichts gewusst zu haben.

Im Wirecard-Untersuchungsausschuss vor fünf Jahren sprach Guttenberg davon, Wirecard-Chef Markus Braun habe ihn geschickt um den Finger gewickelt. Braun sei Guttenberg „seltsam vergeistigt“ vorgekommen, die Treffen trugen eher philosophischen Charakter.

Zu Guttenberg versteht es, den immer wieder vorgebrachten Vorwurf des politischen Lobbying zu zerstreuen und sich der Kritik auf charmante Weise zu entziehen. Klar ist, Guttenberg ist ein professioneller Netzwerker, der seine gegenwärtige Karriere als Berater nicht zuletzt den Kontakten zu verdanken hat, die ihm sein politisches Mandat bescherten.

Drehtüren und Kontakte

Das Prinzip der Drehtür entwickelte sich über Jahrzehnte als Produkt des Lobbyismus zum etablierten Mechanismus: Politik, Wirtschaft und persönliche Netzwerke verschmelzen zu einem System legaler Vorteilnahme. Corona zeigte es exemplarisch: Maskendeals mit Van Laack, Provisionen über Tochterfirmen von Alfred Sauter oder Monika Hohlmeier – alles offiziell als Beratungsdienstleistungen deklariert und ganz legal mit Millionenumsätzen vergütet.

Kurze Wege zwischen Politik und Wirtschaft, die Möglichkeit, schnell Kasse zu machen ist für viele einfach zu verlockend.

Auf diese Weise entsteht für Politiker ein permanenter Anreiz, ihre Macht auszuweiten und im Zusammenspiel mit willfährigen Vertretern der Wirtschaft nebulöse Geschäfte zu betreiben. Die schmale Linie aus legalem Geschäftsinteresse politischer Mandatsträger und Korruption hat sich zu einer veritablen Grauzone gestreckt.

Folgen der Verflechtungen

Zu Guttenberg steht in gewisser Weise Pate für jene wachsenden Verflechtungen zwischen politischer Repräsentanz und Teilen der Wirtschaft. Man muss das nicht in jedem Einzelfall gleich Korporatismus nennen, doch fällt auf, wie ein Politiker seines Ranges nach dem Plagiatskandal vergleichsweise mühelos den einst erworbenen Ruf und die durch ein öffentliches Mandat konsolidierten Kontakte nutzen konnte, um daraus wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.

Ob nun im Falle des Wirecard-China-Geschäfts oder mit Blick auf die erhaltenen ZIM-Subventionen: Immer wieder gelang es zu Guttenberg, seine tatsächliche Rolle im Hintergrund zu halten. Und selbstverständlich gilt für ihn in jeder Hinsicht die Unschuldsvermutung — was jedoch nichts daran ändert, dass sich in Deutschland längst eine Subventionsmentalität festgesetzt hat, die sich anhand seiner Vita studieren lässt.

Eine Mentalität, die, nennen wir sie der Einfachheit halber „Unternehmer“ hervorbringt, die sich darauf spezialisieren, öffentliche Fördermittel abzugreifen. Es sind Subventionsunternehmer, die der Gesellschaft keine Werte hinzufügen, sondern im Extraktionsmodell eine artifizielle Existenz führen, irgendwo am Rande des realen Wirtschaftslebens, in dem Individuen tatsächliche Risiken eingehen und den Motor der Gesellschaft mit ihrem Einsatz betreiben.

Im Grunde genommen ist nicht zu Guttenberg das Problem. Es ist das „ZIM“, das hier als pars pro toto für eine immer weiter wuchernde Fördermittelmaschine steht. An deren Kanalausfluss können sich gewiefte Subventionsjäger, Bürokratiechefs und ehemalige Politiker völlig legal bereichern. Dieser Apparat müsste zerschlagen werden, um das echte Unternehmertum im Land von dieser Günstlingskonkurrenz zu befreien.

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Kommentare ( 42 )

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42 Comments
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Peter Pascht
10 Tage her

Jetzt wird alles besser 😉
Initiative 😉 von Bund und Ländern beschlossen „Modernisierungsagenda“
Hieß es von der Medienmanagerin 😉 Julia Jäkel
und füheren Innenminister Thomas de Maizierre
Die Drehtür-Korruption dreht sich weiter, denn
„Korruption ist die Seele des Systems“
Wieviel Kohle haben die beiden dafür „subventioniert“ bekommen?

Peter Pascht
11 Tage her

„Drehtür-Republik Deutschland“ – das ist aber nett und freundlich formuliert
Das folgende trifft wohl eher zu
Selbstbedienungsladen Deutschland“ – Prof. H.W. Sinn
Korruption ist die Seele des Systems“ – Prof. H.H. von Arnim
Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht“ – R.v. Weizsäcker
Wie Parteien für sich Gesetze machen – Parteienherrschaft statt Volkssouveranität“ – Prof. H.H. von Arnim

CasusKnaxus
11 Tage her

Der Filz in Bayern ist was ganz Besonderes. Davon weiß der ehemalige Steuerfahnder Wilhelm Schlötterer ein Lied zu singen. Er wäre wie später Mollath beinahe in der Psychiatrie gelandet, weil er gegen die Amigos sein ganzes Berufsleben lang ermitteln (wollte). Seine Bücher kann ich nur jedem empfehlen. Hohlmeier, falls hier nicht bekannt, ist FJ Strauß-Tochter. Der Freiherr ist auch ein ganz besonderes Exemplar. Daß der dann auch noch mit Wirecard dealte, paßt wie A..h auf Eimer. Sein Großvater war wenigstens noch eine Respektsperson und eine große Nummer in CSU & BND.

Angela Honecker
11 Tage her

Ach die Monika Hohlmeier ist auch im Netzwerk vom Karl Theodor. Na, das wundert einen eigentlich nicht. FJS hat schon vor Jahrzehnten für alle vorgesorgt, natürlich auch für die Familie. Ist mir aber tausendmal lieber, als diese ganzen sozialistischen Gauner in den Regierungen heute ertragen zu müssen, die uns das Geld direkt abziehen und dann noch behaupten, das Geld käme „vom Staat“.

weihnachtsmann_frau_lein
11 Tage her

„…Ein Angebot also, das gerade für einen Staat attraktiv erscheint, der Wert auf schlanke, effiziente und klar definierte Prozesse legt…“
Also für D und seine „elite“ völlig uninteressant…

Peter Gramm
11 Tage her

Früher haben sich Fürsten, Grafen, Durchlauchte und Durchlöcherte auf Kosten der Leibeigenen die Taschen vollgemacht. Heute muß der Steuerzahler herhalten Auch geistiges Eigentum ist vor diesen Raffkes nicht sicher. Es hat sich nicht viel geändert. Mit harter Arbeit hatten es diese Gestalten noch nie. Da ist viel Schaumschlägerei dabei.

Last edited 11 Tage her by Peter Gramm
OJ
11 Tage her

BEREICHERUNG, LÜGEN, KORRUPTION. So gestalten die Politiker unser aller LEBEN ❗

siebenlauter
11 Tage her

Soviel – einmal mehr – zu Freiem Unternehmertum und Marktwirtschaft in Deutschland …

Rob Roy
12 Tage her

Jede Woche ein großer Skandal, der in früheren Zeiten für Rücktritte oder Entlassungen, Misstrauensanträge oder sogar Neuwahlen geführt hätte.
Heute: Aussitzen, relativieren, ignorieren, ablenken. Betrug, Korruption, Bestechung, Steuerverschwendung, Justizmissbrauch – nichts hat mehr Konsequenzen für die Herrschenden.

Britsch
11 Tage her
Antworten an  Rob Roy

Eine Krähe haut der Anderen kein Auge aus.
Und wenn der oder die eine beschissen und betrogen hat zum eigenen Votreil meint der oder die Nächste es in noch größerem Umpfang machen zu können
Merke, die Kleinen verfolgt man uind hängt sie und die goßen läßt man laufen.
Die Großen entscheiden wer verfolgt und gehängt wiord um von eigenen Bertrügereien abzulenken. Die „Großen“ schützen sich gegenseitig um Ihre Machenschaften ungeniertt weiter führen zu können

Budgie
12 Tage her

Warum mit Wirecard in die Ferne schweifen? Die Verbindung von Frau Ministerin Reiche und Lügenbaron Weimer bzw. seiner Firma sind ja noch druckfrisch. Fragt mal den Herrn Wallasch.