Acht EU-Länder: Neue Abgasnormen zu teuer – E-Mobilität in Gefahr

Acht Mitgliedsstaaten der EU fordern einen Aufschub der Euro-7-Schadstoffnormen für den Straßenverkehr, die ab 2025 kommen sollten. Deren Nutzen scheint ohnehin fraglich. Die Industrie beklagt, dass die Kosten für die E-Mobilität schon so hoch genug sind.

IMAGO / Steinach

Im Gefolge der Klima-Revolte von Emmanuel Macron tauchen gerade sehr viel breitere Frontverläufe und Bündnisse auf, die bisher sorgsam hinter den Kulissen des „europäischen Grünen Deals“ verborgen geblieben waren. Eine größere Gruppe von EU-Ländern rebelliert gegen die näher rückende Einführung der neuen Euro-7-Normen für Personenwagen, Busse und LKWs, die laut Kommission „zur Verringerung der Schadstoffemissionen von Fahrzeugen und zur Verbesserung der Luftqualität“ führen sollen.

Acht Länder – darunter neben Frankreich und Italien auch Polen, Rumänien, die Tschechische Republik, Ungarn, Bulgarien und die Slowakei – haben ein Diskussionspapier unterzeichnet, in dem sie „jegliche neuen Abgasvorgaben (eingeschlossen neue Testverfahren und Grenzwerte) für Autos und Vans“ ablehnen. Durch die Verschärfung der Vorgaben würden Investitionen gebunden, die man nötiger an anderer Stelle brauche – etwa zur Erreichung der kürzlich erst beschlossenen CO2-Ziele.

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Im Kern und als Minimum fordern die acht EU-Partner die Verschiebung des Ratsbeschlusses: Für PKWs sollen die neuen Standards nicht schon 2025 in Kraft treten, wie geplant, sondern erst 2028 oder sogar noch später. Für größere Fahrzeuge soll die Reform von 2027 auf 2032 aufgeschoben werden. Wer weiß schon, in welcher Form (und ob) die Neuregelung dann überhaupt beschlossen würde, wenn es schließlich so weit wäre? Die Blockade erfüllt sozusagen Macrons „Regulierungspause“ mit Sinn: Zunächst sollen die EU-Länder die Umstellung auf das E-Auto hinkriegen, danach geht es (eventuell) an die neuen Vorschriften.

Das klingt alles ein bisschen nach der Katze, die sich in den Schwanz beißt. Schon paradox: Die Gegner schärferer Abgasstandards argumentieren damit, dass man die gewünschte CO2-Reduktion nur ohne die neuen Vorgaben erreichen kann. Klimapolitisch sind auch sie also immer noch auf Green-Deal-Linie, nur zusätzliche Auflagen zum Umwelt- und Gesundheitsschutz sollen eben nicht dazukommen. Wird hier also der Umweltschutz, auch der Schutz der Gesundheit der Bürger einem obskuren „Klimaschutz“ samt den Träumen von „Null CO2“ und „Alles aus Strom“ geopfert?

Wo der Green Deal in die Phantasterei übergeht

Auch der belgische Premierminister Alexander De Croo hatte von der zentral bedeutsamen „energetischen Transition“ oder EU-Energiewende gesprochen, die durch neue Vorschriften zu Chemikalien (REACH) und ein Gesetzesprojekt für den Schutz von Naturräumen gefährdet sei. Natürlich ist es richtig, dass die meisten EU-Staaten sehr weitreichende Umweltvorgaben besitzen, die teilweise bereits übertrieben sein dürften und ein Wirtschaften in manchen Industriebereichen deutlich erschweren. Man denke nur an die Landwirtschaft.

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Die Autoindustrie argumentiert ohnehin, dass die Verschärfung der Abgasnormen hohe Zusatzkosten erzeugt, während man bereits einen zweistelligen Milliardenbetrag ausgebe, um die Elektromobilität voranzubringen. Ab 2035 sollen nur noch klimaneutrale Straßenfahrzeuge, also vor allem E-Fahrzeuge, in der EU zugelassen werden. Vielleicht auch ein paar mit E-Fuels betriebene, wenn es nach der FDP geht, weil E-Fuels „der schnellste Weg zu weniger CO2 im Verkehr“ sein sollen. Auch die Kommission geht übrigens davon aus, dass noch fünfzehn Jahre nach dem Verbrennerverbot 20 Prozent der PKWs und sogar mehr als die Hälfte der LKWs und Busse zur Kategorie Benziner oder Diesel gehören werden.

Und genau deshalb sind es vor allem die Pläne der EU-Kommission, die Kritik verdienen. Zum Teil wirken sie wie Phantasterei. So soll durch die Schadstoffvorlage vom vergangenen November angeblich das „Null-Schadstoff-Ziel des europäischen Grünen Deals“ erreichbar werden. Auf Englisch spricht man etwas ehrlicher von einer „zero-pollution ambition“, also einer Ambition, einem ehrgeizigen Projekt, das nicht einfach so – vielleicht gar nicht – erreicht werden kann. Gar keine Schadstoffe, das geht in der Tat kaum in einer Welt mit industriellen Produkten, auch nicht durch die neuen Euro-7-Normen. Laut Modellrechnungen würden auch diese Standards, wenn sie denn eingeführt werden, nur zu einer minimalen Vermeidung von Stickstoffoxiden führen: etwa vier Prozent bei PKWs, zwei Prozent bei Kleinbussen und LKWs. Und ganz inexistent soll die Schadstoffreduktion bei Bussen sein.

Auch E-Autos belasten Luft und Straßennetz

Übrigens geht es der Kommission mit ihrem Vorschlag ebenso um den Ausstoß aus Auspuffen wie um den Abrieb von Mikroplastik an Bremsen und Reifen. So sollen am Ende auch strengere Luftqualitätsnormen erfüllt werden, die die Kommission praktischerweise kurz zuvor im Oktober 2022 beschloss.

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Aber natürlich verursachen auch E-Autos eine Verschmutzung durch Mikroplastik und sonstigen Abrieb an Bremsen und Reifen. So ergibt es vielleicht wieder Sinn… Das E-Mobil soll seine Lizenz zum Schmutzeln behalten. Das Straßennetz belasten E-Autos sogar stärker als traditionelle Benziner, weil sie durch die mitgeschleppten Batterien schwerer sind. In Großbritannien rechnet man deshalb schon bald mit einer Fahrtdauer- oder Straßennutzungssteuer („pay-as-you-drive“). Man darf hier wohl auch an die entgangene Mineralölsteuer denken, die so langfristig zu ersetzen ist. Aber wie will man die neue Steuer eigentlich bemessen und einziehen?

Langsam bekommt man ein Gefühl dafür, was Macron mit seiner Rede gegen die Regulierungswut gemeint hat. Es geht darum, dass sich die natur-, umwelt- und klimaschutzpolitischen Maßnahmen an erheblich vielen Stellen gegenseitig widersprechen und zudem nicht ohne deutliche Einbußen finanzieller Art, aber wohl auch, was die Lebensqualität betrifft, zu verwirklichen sind. Irgendwo muss man der Regelwut eine Grenze setzen.

Den Brüsseler Mechanismus interessieren alle diese ‚Details‘ kaum. Für ihn ist vor allem eine Tatsache heikel: Im Rat gibt es ohne die acht protestierenden Länder keine Mehrheit. Der Kommissionsplan kann folglich nur mit ihrer Zustimmung durchgewinkt werden. Der tschechische Transportminister Martin Krupka erwartet laut der Branchenwebsite electrive.com, dass sich weitere Länder der Achtergruppe anschließen werden. Deutschland soll aber nicht darunter sein. Das dürfte – trotz eingebauter Opposition in der Regierung – kaum jemanden verwundern.

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Kommentare ( 30 )

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AnSi
10 Monate her

Was denken sich die Acht? Es geht doch ums Kliiiiima, es geht um die Weltrettung, ums Große/Ganze! Muss denn D wirklich alles alleine machen? Dieses böse Zehohzwei muss doch mit allen Mitteln bekämpft werden! Ich appelliere an Uschi hier richtig Druck zu machen bei den unwilligen Acht. Sie bekommt ja sicher Rückendeckung von unserem Wummskanzlerdarsteller und den grüngelben Clowns der bunten Regierung. Ich fahre in der Zwischenzeit noch eine Runde um den Block mit meinem 5l Dodge RAM.

Johann Thiel
10 Monate her
Antworten an  AnSi

Fahre mit meinem 4l Ford hinterher, dann sind wir ne Demo.?

Roland Mueller
10 Monate her

Die Verbesserung der Luftqualität sorgt dafür, dass es immer weniger Aerosole in der Luft gibt und damit zum Teil es drastisch weniger Niederschläge gibt. So kann man jedes Land in eine Wüste verwandeln.

Atheist46
10 Monate her

Was spricht eigentlich dafür, Lebensmittel per Achse von Nuorgam in Finnland nach Tarifa in Spanien (als extremes Beispiel) über mehr als 5.000 km zu transportieren, wenn sie in vergleichbarer Qualität und ausreichender Menge auch in der näheren Umgebung verfügbar sind? Ich bin sicher, dass die Einschränkung von Transportweiten mit LKW auf bspw. 2.000 km mehr Einsparung an Schadstoffen bewirken würde als eine weitere Verschärfung von Abgasnormen. Zudem würde die Verkehrsdichte und die Straßenbelastung wesentlich abnehmen, was für alle Verkehrsteilnehmer Vorteile brächte.

Last edited 10 Monate her by Atheist46
eifelerjong
10 Monate her
Antworten an  Atheist46

Was spricht eigentlich dafür, Lebensmittel per Achse von Nuorgam in Finnland nach Tarifa in Spanien (als extremes Beispiel) über mehr als 5.000 km zu transportieren, wenn sie in vergleichbarer Qualität und ausreichender Menge auch in der näheren Umgebung verfügbar sind?“
Was DAFÜR spricht, Atheist46? ?
Simple Antwort:
Der Produzent der Lebensmittel in Nuorgam möchte ebenso, wie der aus Tarifa
seine Ware verkaufen.
Beide leben davon, dito ihre Mitarbeiter/Angestellten und deren Familien.

Melusine
10 Monate her

Als Gewöhnlichsterblicher, der SEIN Leben leben will, unbelästigt, unbeeinträchtigt, unbedroht von megalomanen Machtträumen am Brüsseler ZK unter deutscher Fuchtel, und unbelästigt vom Apokalypse-Wahn, wie ihn Europa in Voraufgeklärten Zeiten in jedem Säkulum nach dem ersten Jahrtausend etliche Male unbeschadet überstanden hat (freilich meist mit fetten Gewinnen der „Elite“, die aus solchen absichtsvoll induzierten Ängsten der Massen zu ziehen verstand – NB unter Rekurs auf „wissenschaftliche“, lies: theologische Erkenntnisse) – als gewöhnlicher, steuerzahlender, die üblichen Gesetze und Regeln meist einhaltender Bürger, kann ich nur hoffen, dass dieser Widerspruch der Mutigen Acht bloss der Anfang ist. Anfang vom Ende für die apokalyptischen… Mehr

Albert Pflueger
10 Monate her

Es ist ja nicht mal erwiesen, daß es sich bei den inkriminierten Stoffen in der derzeit gegebenen Konzentration überhaupt um Schadstoffe handelt. Wo sind denn die dazugehörigen Kranken? Fachärzte bestreiten ein Risiko, es wird lediglich herbeimodelliert.

Forist_
10 Monate her

Die Kritiker aus den 8 Ländern haben mMn recht. Bei Ottomotoren haben die ersten dauerhaft funktionierenden 3-Wege-Katalysatoren 90 Prozent des Schadstoffausstoßes beseitigt, das geschah hier in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Alles was einem seither bezüglich der Abgaszusammensetzung als „Stinker“ oder Umweltschädling verkauft werden soll spielt sich in den restlichen 10 Prozent ab. Es ist überaus fragwürdig, ob ein beliebiger Aufwand zur Minimierung der verbleibenden Schadstoffe irgendeinen Nutzen für die Umwelt hat, hier gehts ums Geschäft. Bei Dieselmotoren ist die Lage ein wenig anders, da hat sich bis Euro6* tatsächlich eine wesentliche Besserung bei den NO2-Emissionen ergeben. Inzwischen kommt… Mehr

Don Didi
10 Monate her
Antworten an  Forist_

Die Gewichtssteigerung kommt nicht von der Industrie, die kommt ebenfalls von der EU. Die ganzen Vorschriften nach NEFZ, Euro-NCAP etc. sorgen dafür. Der Passat 1 Kombi wog an die 800kg, der aktuelle mehr als das doppelte. Dafür sorgen Seitenaufprallschutz, Airbags, Kat, DPF, AGR, Turbolader, A-, B- und C-Säulen so dick wie im alten Griechenland, zwischen 3 und 8km Kabel, 100-200 Steuergeräte, all das erhöht maßgeblich das Gewicht. Um die selben Fahrleistungen zu erreichen, muß die Motorleistung verdoppelt werden, was wiederum das Gewicht erhöht. Dafür halten die Kisten nur noch halb so lange, als Oldtimer wird’s die nie geben, dafür sorgt… Mehr

Peter Gramm
10 Monate her

na so was auch. Wenn unsere Nachbarn merken dass der Klimaklamauk auch sie etwas kosten würde sind sie sofort dagegen. Die Duldsamkeit des deutschen Steuermichels kann man bei unseren Nachbarn eben nicht erwarten. Es sit eben nur eine Frage der Zeit bis man bei uns den Grünen die rote Karte zeigt.

BK
10 Monate her

Zum Auto gibt es gar keine Alternative. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs mit Bus und Bahn liegt bei lediglich 15 %. Wie hoch wäre die Investition, wenn man den Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel um 100 % steigern würde? Antwort: zu hoch. Dann wären es aber immer noch 70 % Individualverkehr. Außerdem sollte man das Auto nicht verdammen. Die meisten Fahrten werden nicht zum Vergnügen gemacht und sind notwendig, um zur Arbeit zu fahren, die Kinder in die Schule zu bringen oder die Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen, der heute auch nicht überall um die Ecke ist. Diese Weltverbesserer sollten mal… Mehr

DerHerbert
10 Monate her

E-Autos sind einfach super. Der Strom kommt absolut sauber aus der Steckdose und die Kinderarbeit, die in den Batterien steckt, ist gottseidank Co² neutral.

Peterson82
10 Monate her
Antworten an  DerHerbert

Der Strom KANN schon heute absolut sauber aus der Steckdose kommen, was beim Benziner/Diesel nie der Fall sein wird. z.B. wenn man jetzt bei diesem Wetter sein Auto über PV nachlädt.
Kobalt ist in LFP Zellen nicht vorhanden und auch ansonsten werden diese Rohstoffe zu 99% in den großen industriell genutzten Minen der weltweit größten Minengesellschaften abgebaut wo es keine Kinderarbeit gibt. (Im Übrigen die gleichen Minen die Kobalt für die Härtung der Metalle in einem Otto/Dieselmotor brauchen oder zur Entschwefelung der Kraftstoffe). Der Rest sind illegale Minen um die sich das Herkunftsland kümmern muss.

Last edited 10 Monate her by Peterson82
Don Didi
10 Monate her
Antworten an  Peterson82

Stimmt. Benzin kommt nicht aus Steckdosen. Ist aber umweltfreundlich und ein natürlicher, nachwachsender Rohstoff*. Strom nicht. „Sauberer“ Strom kommt auch nur manchmal aus der Steckdose, nicht nachts, nicht im Winter, nicht bei Windstille. Und sauber ist er auch nicht, das Ausbremsen der Luftströmungen verhindert den Luftaustausch in den Städten, was wiederum zu Luftverschmutzung führt, es verändert das Mikroklima, damit auch das allgemeine Klima, erzeugt steigende Hitze in den Städten, tötet Vögel und Insekten etc. etc. *Die Oxidation von Kohlenwasserstoffen und Luftsauerstoff zu CO2 und Wasser zur Gewinnung von Bewegungsenergie unter Abgabe von Wärme ist die Grundlage jeglichen Lebens. So, und… Mehr

Aegnor
10 Monate her

Im Rat gibt es ohne die acht protestierenden Länder keine Mehrheit.
Mehrheit hin oder her. Solange Frankreich dagegen ist, wird überhaupt nichts passieren, denn gegen deren Willen geht ind er EU gar nichts.