Lagarde warnt vor Autonomieverlust der US-Notenbank

EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnt die US-Notenbank Federal Reserve davor, ihre Unabhängigkeit an die Politik zu verlieren. Ein durchsichtiges Manöver, ist doch die EZB längst mit Brüssel zu einer politischen Einheit verschmolzen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Probst

In einem Interview mit dem französischen Radiosender Classique warnte EZB-Präsidentin Christine Lagarde davor, dass US-Präsident Donald Trump versuche, Kontrolle über die Federal Reserve zu erlangen. Wörtlich sagte Lagarde:

If US monetary policy were no longer independent and instead dependent on the dictates of this or that person, then I believe that the effect on the balance of the American economy could, as a result of the effects this would have around the world, be very worrying.“ 

In der Tat übt Trump („this or that person“) massiven Druck auf die Fed aus. Trumps Versuch, den internen Skandal der Fed-Gouverneurin Lisa Cook zu nutzen und diese per Executive Order zu entlassen, um eine Person aus dem eigenen Lager in der Fed zu installieren, ist unbestritten.

Cook wird vorgeworfen, bei Hypothekengeschäften falsche Angaben gemacht zu haben, indem sie eine Eigentumswohnung in Atlanta als ihren Hauptwohnsitz angegeben haben soll, obwohl sie zuvor für ihr Haus in Michigan ebenfalls den Hauptwohnsitz deklariert hatte, was den Vorwurf des Hypothekenbetrugs begründet.

Good cop, bad cop

Unabhängig vom Ausgang dieses Konflikts ist es der vorläufige Höhepunkt im Streit zwischen Donald Trump und der Fed mit ihrem Chairman Jerome Powell, dem Trump Zinssabotage vorwirft. Powell hatte die massive Inflationswelle im Zuge der Liquiditätsinjektionen während der Corona-Lockdowns mit einem schnellen Zinslauf gekontert und hält seitdem die Zinsen in den USA deutlich über denen anderer Notenbanken. Trump hingegen fordert drastische Zinssenkungen, auch um den erstarrten Immobilienmarkt aus seiner Zinsklemme zu befreien und die staatliche Zinslast unter Kontrolle zu halten.

Im Falle des öffentlich zelebrierten Streits zwischen Trump und Powell ist nicht ganz klar, inwieweit dieser möglicherweise einem politischen Skript folgt. Getreu dem Motto „Good cop, bad cop“ ist es den beiden Protagonisten gelungen, mithilfe der Zollpolitik und dem hohen amerikanischen Zinsniveau Investitionen in die Vereinigten Staaten zu locken und den Dollar im Verhältnis zu anderen Fiat-Währungen zeitgleich abzuwerten. Mission fürs Erste erfüllt, könnte man sagen. Die tief rote Handelsbilanz kippt langsam in die entgegengesetzte Richtung, Zolleinnahmen steigen spürbar und die amerikanische Industrie gewinnt wieder an Boden.

Rückkehr zum Privatgeld

Ein wenig abseits des Streits um den Kurs der Notenbank vollzieht sich in den USA eine kleine geldpolitische Revolution. Wir erleben die partielle Rückkehr des US-Bankensektors zum Privatgeldsystem. Mit dem GENIUS Act und dem Boom von US-Dollar Stablecoins etabliert die Trump-Regierung den rechtlichen Rahmen zu privater Geldschöpfung.

Privatbanken werden künftig in der Lage sein, eigene Stablecoins zu emittieren, wobei jeder digitale Dollar durch entsprechendes Kollateral gedeckt sein muss. US-Staatsanleihen, Gold oder Bitcoin werden diesen Zweck erfüllen. Die USA haben die Rückkehr zu einem stabileren, wettbewerbsorientierten Geldsystem eingeleitet, das das Leverage-Risiko zu einem erheblichen Teil reduzieren wird und das Bankensystem im Vergleich zum europäischen Konterpart wesentlich robuster aufstellt.

Lagarde liegt also nicht ganz falsch, wenn sie darauf hinweist, dass die Macht der Federal Reserve künftig eingeschränkt wird. Allerdings ist es in den USA, im Gegensatz zum staatszentrierten Eurosystem, der Geschäftsbankensektor, der einen erheblichen Machtzugewinn auf Kosten der Fed für sich verbuchen kann.

Der Machtblock

Es wirkt bizarr, beinahe tragikomisch, wenn ausgerechnet die Präsidentin der Europäischen Zentralbank auf die Gefahr des Autonomieverlusts der Fed verweist. Seit der Staatsschuldenkrise vor eineinhalb Jahrzehnten ist die EZB vollständig mit dem politischen Machtkörper in Brüssel verschmolzen – mit Blick auf die Geldpolitik der Eurozone kann von Autonomie der EZB beim besten Willen keine Rede mehr sein.

Kurzer Rückblick: Während der Staatsschuldenkrise intervenierte die EZB auf beispiellose Weise. Nominal sanken die Leitzinsen von über 4 Prozent im Jahr 2008 auf zeitweise −0,5  Prozent und verharrten jahrelang in real negativem Terrain. Parallel erweiterte die EZB die Käufe von Staatsanleihen und das Volumen langfristiger Refinanzierungsgeschäfte massiv und mobilisierte so etwa drei Billionen Euro – frisch geschaffene Liquidität, die allerdings die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte zu einem Teil verdrängte. Hier liegt eine der Ursachen für die Dauerrezession der Eurozonen-Ökonomie, die nur noch mithilfe kreditfinanzierter Staatsnachfrage statistisch über Wasser gehalten wird.

Mit dem Anti-Fragmentierungstool sicherte die Zentralbank die Anleihen der Peripherie-Staaten ab, unabhängig von deren Haushaltsdisziplin.

Krise wurde nie überwunden

Die Folgen dieser Marktmanipulation lassen sich gegenwärtig überall ablesen: Der Euro-Club hat seine nationalen Staatsdefizite immer weiter angehoben. Die disziplinierende Wirkung von Zinsaufschlägen entfiel – die EZB wurde zur Gelddruckmaschine der Staaten, politische Steuerung verdrängte marktwirtschaftliche Kontrolle.

Die Rettungsorgie fand ihren Höhepunkt in jenen Worten, die sich in die Geschichtsbücher einbrannten: Whatever it takes. Mit diesem Satz versprach EZB-Präsident Mario Draghi 2012, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen – und setzte damit das Signal, dass die Zentralbank künftig als oberster Garant für die Zahlungsfähigkeit überschuldeter Mitgliedsstaaten auftreten würde.

Seit diesen Tagen fungiert die EZB als Backstop, als eine Art Lender of Last Resort für alle Staaten der Eurozone, die sich längst von der Idee verabschiedet haben, jemals wieder zu einer restriktiven und verantwortungsvollen Haushaltspolitik zurückzukehren. Draghi hat mit seiner fatalen Entscheidung dem Anleihenmarkt die Zähne gezogen. Der Kreditmarkt als unabhängiger Mechanismus zur Kontrolle staatlicher Ausgabenambitionen wurde von Brüssel mithilfe der EZB systematisch ausgehebelt.

Unsinn „Made by ECB“

Brüssel hat die EZB zur Geldpumpe für seinen ideologischen Feldzug umfunktioniert und gegen den freien Markt und den souveränen Nationalstaat in Stellung gebracht. Von der Finanzierung unsinniger Klimaprojekte bis hin zum nun anlaufenden Aufbau der europäischen Kriegswirtschaft – die EZB dient als Kreditgarant zur Monetarisierung der wachsenden Schuldenberge. Und auch die EU-Kommission greift zu: Das kommende Budget Brüssels wird etwa zwei Billionen Euro umfassen. Ein nicht unerheblicher Teil davon muss aufgrund der allgemeinen Finanznot über die Platzierung von Euroanleihen aufgenommen werden, vertrauend auf die EZB als potenzielle Käuferin, wenn der Markt nicht mitspielt.

Die EZB ist also mitnichten ein unabhängiger Player auf den Kapitalmärkten. Kaum eine Notenbank hat sich der Politik so vollständig unterworfen wie die EZB. Vom Teilerbe der konservativen, weitgehend auf Geldwertstabilität eingeschworenen Deutschen Bundesbank ist nichts geblieben.

Nebelkerzen und Medienarbeit

Die Politisierung der europäischen Geldpolitik hat dem sozialistischen Ökologismus Brüssels den Weg geebnet, ungeachtet aller wirtschaftlichen Folgeschäden. Mit manipulierten Zinssätzen und öffentlichen Kreditgarantien betreibt das Euro-Kartell seinen ideologischen Konverter. Angetrieben durch künstlich erzeugte Kreditnachfrage, Subventionen und Preisgarantien, wie wir sie vom EEG kennen, wucherte die wohl größte Zombiewirtschaft der Welt – mit Ausnahme des chinesischen Immobilienmarktes – empor. Knappe Ressourcen werden auf diese Weise in unproduktive Kunstprojekte umgeleitet, die Eurozonen-Ökonomie erstarrt zur Zombiewirtschaft.

Lagardes Warnung bezüglich der Abhängigkeit der Fed dient lediglich der Ablenkung von diesen fundamentalen Problemen. Und diese dürften in den kommenden Monaten einen neuen Siedepunkt erreichen, wenn Frankreich, das unmittelbar am Rande einer aufbrechenden Staatsschuldenkrise steht, den Startschuss gibt für ein Rennen gegen die Kräfte des Marktes. Dieser treibt bereits jetzt die Zinsen europäischer Anleihen gen Norden. Im Frankfurter EZB-Tower sollten sie ihre Rettungstools und kommunikationspolitischen Beruhigungspillen besser schon jetzt scharfstellen – niemand kann sagen, wann der Markt der europäischen Schuldenmacherei die Rote Karte zeigt.

Lagardes medienpolitische Seitenhiebe auf die Federal Reserve werden wirkungslos verhallen. Während die USA ihre geldpolitische Reformarbeit fortsetzen, die Wirtschaft deregulieren, Abgaben senken und so ihren Standort wetterfest machen, verharrt Europa in der regulatorischen Schockstarre. Und die EZB trägt erhebliche Mitschuld an diesem Desaster, weil sie die heraufwuchernde Schlingpflanze des Öko-Sozialismus mit immer neuer Liquidität am Leben hält.
Wir erleben einen Crash in Zeitlupe, da die europäische Politik unfähig scheint, sich aus der selbst geschaffenen ideologischen Falle zu befreien.

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Kommentare ( 10 )

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Kuno.2
3 Monate her

Diesmal und das ist ziemlich selten, gebe ich der Lagarde Recht.
Nicht ohne Grund wurde vor vielen Jahrzehnten eine von der Politik unabhängige Notenbank gegründet und daraufhin die meisten Notenbanken der freien Welt. Sobald Regierungen sich in das Finanzwesen einmischen, von dem diese in der Regel sowieso nichts verstehen, ist Gefahr in Gestalt von Inflation und Verarmung die Folge. Weil eine steigende Geldmenge immer, manchmal auch verzögert, zur Inflation führt.
Wenn also Trump niedrigere US Zinsen fordert, dann nützt er dem Goldpreis und den Brics Staaten aber schadet dem Dollar.

Donostia
3 Monate her

Wenn man sich die Steigerung des Gold- und Silberpreises in den letzten 2 Wochen anschaut, weiß man was der „Markt“ von dieser Geldpolitik hält. Ich habe das Gefühl, dass jetzt die Herde langsam anfängt sich Richtung Ausgang, aus dem geldpolitischen Gefängnis der EZB, zu begeben. Zumal die jetzt noch die CBDC einführen möchten um den Ausgang zu versperren.

Kaltverformer
3 Monate her

Den Deutschen und Österreichern wurde eine stabile Währung versprochen; eine harte Währung.
Was haben wir bekommen: Fiat-Geld und Schulden in einer nicht mehr rückzahlbaren Höhe.
Weg mit dieser EU! Zurück zum EWR.
Mal schauen, ob die Franzosen das ganze System demnächst tatsächlich zum Kippen bringen.

h.milde
3 Monate her

Laut Markus Krall hatte die „Fed“, als eine ORGANISATION von PRIVATBANKIERS, ursprünglich nur die Aufgabe die US-Regierrung zu beraten. Die haben das ganze aber anscheinend va. für Insidergeschäfte in gigantischen Aussmaßen benutzt, womöglich auch um Kriege mit/zuverursachen & irgendwie haben die dann auch noch die Aufsicht auch noch über „Fort Knox“ bekommen, dh. der Hund beacht den Wurstvorrat des Herrchens-nach FJ Strauß- Btw, was ist eigentlich mit der Audit & Überprüfung der Goldbestände?
Kein Wunder, daß Trump diesen die gierigen Klauen stutzen will.
Das eine verurteilte Kriminelle, wie „Mme“ Lagarde, sich mit solchen OKs gemein macht, ist daher logisch.

Last edited 3 Monate her by h.milde
gewitter
3 Monate her

Notenbanken gehören aus meiner Sicht verstaatlicht. Ok, jeder der es bisher versuchte, war früher oder später tot. Ändert aber nichts am Anspruch 😉
Da das mit der EZB mangels Staat nicht funktioniert gehört die EZB als erstes abgeschafft. 🙂

Last edited 3 Monate her by gewitter
Donostia
3 Monate her
Antworten an  gewitter

Die EZB ist doch nicht mehr unabhängig und ein Werkzeug der Brüssler EU. Die EZB ist defacto staatlich. Besser als verstaatlichen ist es zu liberalisieren und dezentralisieren. Bitcoin ist genau so ein Vehikel. Oder aber jeder kann in der Währung handeln oder bezahlen mit der er möchte. Das wollen aber die Politiker nicht, da ihnen dann ein Machtinstrument aus der Hand genommen wird. 500 Jahre nach der Trennung von Staat und Kirche muss nun der nächste Schritt gegangen werden und das Geld vom Staat getrennt werden.

Ratax
3 Monate her

In Art. 128 AUEV ist es der EZB gesetzlich verboten, durch Vergabe von Krediten an Staaten oder durch Erwerb von Anleihen der Staaten (oder deren Unterorganisationen) diese zu finanzieren. Dies wurde in den europäischen Verträgen zwischen den Staaten auch so bindend vereinbart, Kohl sei dank! <b> Was machte die EZB, auch unter Lagarde? <b> Zunächst hat man versucht, mit Nullzinspolitik die größten Kreditnehmer, nämlich die Staaten (Bundesländer, Gemeinden, usw.) gezielt zu stützen. De facto hat man also auf einem Umweg doch die eigentlich verbotene Staatsfinanzierung ermöglicht und damit die Pleite von Geschäftsbanken und die Finanzkrise 2008 herbeigeführt. <b> Inzwischen ist… Mehr

Last edited 3 Monate her by Ratax
Axel Fachtan
3 Monate her

Die US Notenbank ist n i c h t unabhängig und sie war es auch nie. Die Milliardäre haben dort 1913 direkt die Macht übernommen und sie nie wieder hergegeben. Das ist nun gerade der Treppenwitz. Die Milliardäre und die Kapitalsammelstellen werden vor der Regierung vor der Demokratie und vorm Volk geschützt. Die EZB und ihre Mitarbeiter sind straf- wie zivilrechtlich immun gegenüber allem Versagen. Sie tun alles, um den Staaten die finanzieren und nichts, um das Vermögen der Bürger zu schützen. Null- und Negativzinsen ließen die Staaten überleben und die Bürger verrecken. Das wird so weitergehen. Die EZB wird… Mehr

Dundee
3 Monate her

Die EZB ist die Tochter der FED. Wenn die FED nur überleben kann wenn sie die EZB opfert, dann wird die EZB geopfert werden. Selbst wenn die Opferung der EZB nur für wenige Tage das Überleben der FED sichert, wird die EZB geopfert werden. Europa wird in die Pleite gedrückt damit die USA nicht Pleite geht. Doch das wird nichts nützen. Die USA sind in Wahrheit nämlich noch pleiter als die EU. Das untergehende Boot USA rettet sich vor dem Loch in seinen Rumpf, in das fässerweise Wasser eindringt damit, dass es eimerweise Wasser schöpft und über Bord wirft.

Haba Orwell
3 Monate her

> Ein durchsichtiges Manöver, ist doch die EZB längst mit Brüssel zu einer politischen Einheit verschmolzen.

Noch kürzlich wollte die Frau massenhaft Euronen „für Klima“ drucken, als ob es eine Aufgabe der Zentralbank wäre.

> „… Die gesamte geldpolitische Strategie der EZB soll auf den Prüfstand. Klimaschutz-Belange haben für die neue Notenbank-Chefin Christine Lagarde hohe Priorität, grüne Themen sind plötzlich en vogue. Für Ökonomen eine Horrorvorstellung. …“

Quelle: https://www.welt.de/wirtschaft/article204144990/Klimaschutz-EZB-Chefin-Christine-Lagarde-wagt-sich-an-das-naechste-Tabu.html