Unterschiedliche Signale halten Märkte in der Schwebe

Trotz des andauernden Ukrainekriegs haben sich die Börsen auch in der vergangenen Woche wegen positiver Wirtschaftsdaten und Kommentaren aus der US-Notenbank, mit einem restriktiven Kurs gegen die Inflation ankämpfen zu wollen, weiter relativ gut gehalten.

IMAGO / STPP

Der US-Arbeitsmarkt bleibt robust; die wöchentliche Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung erreichte den niedrigsten Stand seit 1969. In der kommenden Woche werden sich die Anleger allerdings mit den jüngsten Entwicklungen des G7-Gipfels beschäftigen müssen, wobei die zukünftige Energiepolitik und die Abhängigkeit Europas von russischem Gas im Fokus stehen dürften. Der Krieg hat die Rohstoffpreise in die Höhe schnellen lassen, was die Gefahr einer Verschärfung der bereits hohen Inflation birgt und für einen breiteren wirtschaftlichen Abschwung in Europa sorgen könnte.

Zwei Trends gilt es zu beobachten, wenn die Unternehmen in den kommenden Wochen ihre Ergebnisse für das erste Quartal vorlegen: Ist – erstens – die Nachfrage noch stark genug und lassen sich – zweitens – die Gewinnmargen halten?
Wenn die Unsicherheit groß und die Stimmung schlecht ist, ist es für Unternehmen und Verbraucher sinnvoll, ihre Ausgaben zurückzufahren. Bislang ist dies noch nicht der Fall. Anfang der Woche gab zum Beispiel Nike bekanntn, dass die Nachfrage nach seinen Sportartikeln weiterhin das verfügbare Angebot deutlich übersteige. Damit könnte es den Unternehmen weiter gelingen, die Preise zu erhöhen, um den gestiegenen Kosten entgegenzuwirken.

Im Laufe des vergangenen Jahres haben sich die Gewinnmargen im Jahr 2021 aber auf ein Rekordniveau ausgeweitet. Diesen Trend gilt es weiter zu beobachten, denn er bleibt der entscheidende Indikator für den Aktienmarkt in den kommenden Monaten.

„Der Einmarsch Russlands ins Nachbarland hat die Weltordnung beendet, an die wir uns seit dem Ende des Kalten Krieges gewöhnt hatten“, schreibt in einem Aktionärsbrief der Chef des größten Vermögensverwalters der Welt, Larry Fink. Mit Investments wie dem iShares-MSCI-Russia-ETF haben einige seiner Kunden in den vergangenen Wochen insgesamt ein paar Milliarden verloren, weil die russische Volkswirtschaft und die Finanzmärkte des Landes aufgrund massiver Sanktionen weitgehend von der westlichen Welt abgeschnitten sind und massive Einbussen hinnehmen mussten.

Per Saldo überwiegt aber ein leichter Optimismus und so gingen die US-Börsen mit leichten Kursgewinnen ins Wochenende. Der starke Renditeanstieg am US-Anleihenmarkt verhinderte jedoch größere Kurssprünge. Zehnjährige US-Staatspapiere erreichten den höchsten Stand seit fast drei Jahren. Sie rentieren mittlerweile mit rund 2,5 Prozent. Der Dow Jones Industrial, der schon am Vortag um gut ein Prozent zugelegt hatte, schloss 0,4 Prozent höher bei 34.861 Punkten; der marktbreite S&P 500 legte um 0,5 Prozent auf 4.543 Zähler zu, während der NASDAQ 100 bei 14.754 Punkten mehr oder weniger stagnierte. Er hatte jedoch am Vortag kräftig zugelegt.

Auf der Unternehmensseite waren die Blicke zu Wochenschluss auf die US-Technologiegiganten gerichtet. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich am Vorabend in Brüssel auf ein Gesetz über digitale Märkte, das die Marktmacht von Unternehmen wie Facebook und Google eindämmen und für faireren Wettbewerb sorgen soll.

Davon betroffen sind nur Unternehmen, die in der EU ein grosses Gewicht haben und als sogenannte Torwächter (Gatekeeper) eingestuft werden. Dafür muss eine Firma eine Plattform mit zehn sogenannten Kerndienstleistungen anbieten wie etwa ein Marktplatz, ein App-Store, eine Suchmaschine, ein soziales Netzwerk, Cloud-Dienstleistungen, Online-Werbung, Sprachassistenten, Betriebssysteme und Web-Browser. Dazu hat die Gesellschaft in den drei jüngsten Geschäftsjahren einen jährlichen Umsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro in der EU zu erwirtschaften oder eine Marktbewertung von 75 Milliarden Euro oder mehr auszuweisen. Und ferner werden 45 Millionen monatliche Nutzer und 10 000 Geschäftskunden vorausgesetzt.

Die betroffenen Konzerne sollen in der EU künftig deutlich strengere Regeln einhalten. Das beeindruckte die Anleger jedoch nicht. Papiere des Facebook-Mutterkonzerns Meta stiegen um ein Prozent, und Amazon legte um 0,7 Prozent zu.

Die Erwartung weiter steigender Energiepreise trieb die Kurse im Öl- und Gassektor an. Zu den größten Gewinnern im Dow zählten Chevron (plus 1,8 Prozent), Exxon Mobil (plus 2,2 Prozent) und ConocoPhillips (plus 2,8 Prozent).

Auch der Dax schloss am Freitag moderat im Plus. Dabei schwankte er weiterhin in einer engen Handelsspanne zwischen Gewinnen und Verlusten. Der Einbruch des Ifo-Geschäftsklimaindex wurde am Markt überraschend gelassen aufgenommen. Allerdings war das Handelsvolumen wie bereits am Vortag insgesamt recht dünn. Letztlich ging der deutsche Leitindex 0,2 Prozent höher mit 14.306 Punkten aus dem Tag. Der Wochenverlust beläuft sich damit auf 0,7 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Börsenwerte sank indes um 0,6 Prozent auf 31.172 Zähler. Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers, dessen Chef, Bernd Montag, am Freitagabend in München mit dem Goldenen Bullen als Unternehmer des Jahres ausgezeichnet wurde, machte den Anlegern Hoffnung. Das Unternehmen hält trotz des Ukraine-Kriegs an seinem Ausblick für das laufende Geschäftsjahr fest. „Wir sind zuversichtlich, trotz der aktuellen Entwicklungen die Konzernprognose erfüllen zu können“, sagte Montag in einem am Freitag vorab veröffentlichten Interview mit „Euro am Sonntag“. So sei das Gesundheitswesen von der normalen Konjunktur abgekoppelt, jedes Land investiere unabhängig von anderen in den Ausbau seiner Gesundheitsvorsorge. Zudem mache das Servicegeschäft, das stabile Einnahmen garantiere, fast 50 Prozent des Umsatzes aus.

Bremsspuren hinterlässt der Krieg dagegen bei dee Deutschen Telekom. Das Unternehmen zieht sich aus Russland zurück. Die Telekom hatte bislang in Sankt Petersburg einen großen Standort zur Software-Entwicklung sowie zwei kleinere Ableger in anderen russischen Städten mit insgesamt rund 2000 Beschäftigten, die Dienstleistungen für Kunden außerhalb Russlands erbringen. Zu Unternehmen in dem Land hat die Telekom nach eigenen Angaben keine Geschäftsbeziehungen. Angesichts des Krieges in der Ukraine stellt auch der Softwarekonzern SAP sein Cloud-Geschäft in Russland ein. Wie ein Sprecher am Freitag auf Anfrage mitteilte, finden gerade Gespräche mit Kunden darüber statt, wie sich angesichts der Sachlage ein reibungsloser Übergang sicherstellen lasse.

Die fieberhafte Suche nach Ersatz für russisches Gas und Öl hat die Bestrebungen nach Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit im Energiesektor in der Dringlichkeitsstufe vorerst nach hinten verdrängt. Das Revival der alten und zuletzt als „böse“ betrachteten Energien Gas und Öl wurde am Markt spätestens dann manifest, als Warren Buffetts Anfang März grosse Aktienpakete am Erdöl- und Erdgasunternehmen Occidental Petroleum zu kaufen begann. Buffett interessieret sich bei Occidental Petroleum und anderen ähnlich gelagerten Unternehmen nicht bloss für die operativen Gewinne oder Dividendenerhöhungen. Es ist insbesondere die Generierung von langfristigen, nachhaltigen freien Cash Flows, welche Energieunternehmen angesichts der gestiegenen Rohstoffpreise für Anleger interessant macht. Nicht umsonst ist die Aktie von Occidental in diesem Jahr bereits 94 Prozent gestiegen.

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