Über allem droht die Corona-Wolke

Der DAX schloss gleichwohl zum Wochenende mit 13.579 Punkten 0,6 Prozent schwächer. Die Furcht vor einem Dämpfer für die Weltwirtschaft durch die Coronavirus-Epidemie lässt Europas Anleger immer noch nicht los.

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De heikle Lage der exportorientierten deutschen Industrie wurde jüngst aller Welt mit den Daimler-Zahlen vor Augen geführt: Das Aushängeschild der deutschen Automobilzunft schlingert heftig – Gewinneinbruch, Mini-Dividende, Restrukturierung. Da waren die Zahlen anderer Schwergewichte aus dem DAX besser: Mit Deutscher Börse, Telekom und Fresenius zeigten drei Titel aus industriefernen Branchen, dass heimische Konzerne auch Erwartungen übertreffen können. Nachdem die Übernahme von Sprint durch T-Mobile US in greifbare Nähe gerückt ist, bietet sich der Deutschen Telekom im US-Mobilfunkmarkt sogar das Potenzial, einen globalen Top-Player im Techbereich zu schaffen.

Der DAX schloss gleichwohl zum Wochenende mit 13.579 Punkten 0,6 Prozent schwächer. Die Furcht vor einem Dämpfer für die Weltwirtschaft durch die Coronavirus-Epidemie lässt Europas Anleger immer noch nicht los. Trotz der Coronavirus-Krise stieg im Februar der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone stärker als von Analysten erwartet. Dabei hellte sich in der Industrie die Stimmung deutlich auf, unter den Dienstleistern nur leicht. „Trotz unterbrochener Lieferketten zeigte sich die deutsche Industrie optimistischer als im Vormonat“, sagt Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. „Das ist in Anbetracht der schwierigen Situation in Asien sehr erstaunlich.“

Die anhaltende Sorge um das Coronavirus spiegelte sich vor allem an den Rohstoffmärkten wider. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee gab nach. Im Gegenzug flohen Anleger in den „sicheren Hafen“ Gold. Das Edelmetall kletterte auf ein erneutes Sieben-Jahres-Hoch von 1.643 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Auf der Unternehmensseite rückte die Allianz mit Jahreszahlen in den Fokus. Für die Aktien ging es zunächst munter hin und her zwischen Plus und Minus, ehe sie sich an der DAX-Spitze etablierten. Ein Anstieg der Dividende und ein neues Aktienrückkaufprogramm hielten die Anleger bei Laune. Ein Händler zeigte sich von der Schaden/Kosten-Quote in der Schaden-Unfall-Versicherung allerdings enttäuscht. Außerdem liege der Ausblick für den operativen Gewinn 2020 eher unter den Erwartungen. Gefolgt wurde der Versicherer von RWE und Merck. Das DAX-Schlusslicht war die Deutsche Bank.

Aktien sind am Freitag auch an der Wall Street von Anlegern eher abgestoßen als nachgefragt worden. Der Dow Jones Industrial setzte seinen Negativtrend vom Vortag wegen der Sorgen um den Coronavirus fort, indem er 0,8 Prozent auf 28.992 Punkte einbüßte. Damit fiel der Leitindex wieder unter die Marke von 29.000 Punkten zurück. Im Laufe der Woche hat er damit 1,4 Prozent verloren.

Im Blick blieb die Virussituation in Fernost. Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit inzwischen nicht mehr nur nach China, sondern auch nach Südkorea, wo die Zahl der Infizierten den zweiten Tag in Folge sprunghaft stieg. Der bisher größte bekannte Ausbruch außerhalb Chinas beunruhigte die Anleger.

Aus Sorge vor einer internationalen Ausbreitung ging es auch am breiteren Markt bergab, wie der S&P 500 mit einem Rücksetzer um 1,1 Prozent auf 3.338 Zähler zeigte. Besonders groß blieb der Druck aber wie schon am Vortag im Technologiesektor. Der von diesen Aktien geprägte Auswahlindex NASDAQ 100 rutschte um 1,9 Prozent auf 9.447 Punkte ab.

Belastend kam noch die Nachricht hinzu, dass ein vom Marktforschungsinstitut Markit erhobener Einkaufsmanagerindex überraschend eine schrumpfende Aktivität im US-Dienstleistungssektor signalisierte. Am Markt wurde danach befürchtet, dass die Viruskrise vielleicht doch größere Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft haben könnte als bisher gedacht.

Microsoft waren im Dow mit einem Abschlag von 3,2 Prozent das Schlusslicht. An der Nasdaq rutschten aus dem Halbleiterbereich AMD um etwa sieben Prozent ab.

In der Sektorwertung des S&P 500 konnten nur drei Branchen ein positives Vorzeichen für sich behaupten: Mit den Konsumgüter-, Gesundheits- und Immobilienwerten waren dies Teilindizes, die für ihre defensiven Eigenschaften bekannt sind und so von Anlegern in unsicheren Börsenzeiten häufiger favorisiert werden. Coca-Cola sowie Johnson & Johnson waren mit Anstiegen von bis zu 1,1 Prozent unter den Dow-Gewinnern.

Mit Zahlen warteten einige Nebenwerte auf. Positiv fielen dabei vor allem die Dropbox-Aktien mit einem Kurssprung um 20 Prozent auf. Hier machte sich unter Anlegern große Erleichterung breit. Der Filehosting-Dienst habe insgesamt besser als befürchtet abgeschnitten, schrieb Analystin Heather Bellini von der Investmentbank Goldman Sachs.

Die Fondsbranche ist in Bewegung. Erst kündigte vergangene Woche die britische Gesellschaft Jupiter Fund Management an, den Rivalen Merian Global Investors für 370 Millionen Pfund übernehmen zu wollen. Dann folgte ein noch lauterer Paukenschlag mit der Nachricht, dass Franklin Resources — Mutterkonzern von Franklin Templeton — den US-Konkurrenten Legg Mason für 6,5 Milliarden Dollar schlucken will. Zusammen klettern die beiden Fondsgesellschaften mit 1,5 Billionen US-DollarAnlagevermögen in die Top Ten der weltweit größten Vermögensverwalter. Dennoch sind die Unternehmen eher Getriebene denn Antreiber im Konsolidierungsprozess. Die Fondsanbieter haben trotz boomender Börsen seit Jahren teils mit heftigen Abflüssen zu kämpfen, da immer mehr Anleger die günstigen ETFs bevorzugen. Mehr Größe soll nun helfen, die Kosten zu senken.

Im Vergleich zu Sparern, die auf den Zins angewiesen sind, leben Anleger von dividendenstarken Titeln in paradiesischen Zuständen. Dies bestätigt einmal mehr eine Auswertung der Fondsgesellschaft Janus Henderson Investors: Demnach haben die weltweiten Dividenden auf absoluter Basis um 3,5 Prozent zugelegt und ein Re-kordniveau von 1,43 Billionen US-Dollar erreicht. Neue Rekordergebnisse für 2019 weisen die USA, Kanada, Japan, Russland und — als einziges -europäisches Land — Frankreich auf. Unter den größeren Dividendenzahlern verzeichnete Deutschland das schwächste Wachstum von nur 2,5 Prozent auf 43,8 Milliarden US-Dollar. Grund für die Underperformance: Ein Zehntel der deutschen Unternehmen kürzten ihre Dividenden, allen voran BMW und Daimler, die mit Handelskonflikten und strukturellen Veränderungen innerhalb ihrer Unternehmen kämpfen. Dass sich auch in diesem Jahr Dividendentitel lohnen werden, davon ist Daniela Brogt, Head of Germany and Austria bei Janus Henderson überzeugt: „Vieles spricht dafür, dass die Ausschüttungen 2020 im fünften Jahr in Folge ein neues Rekordniveau erreichen werden.“ Für 2020 erwartet Janus Henderson Ausschüttungen in Höhe von 1,48 Billionen US-Dollar — eine Steigerung von 3,9 Prozent gegenüber 2019.

Wenn Engel fallen, wird es gefährlich, auch in der Investment-Welt. Denn Fallen Angels werden jene hoch verschuldeten Unternehmen genannt, deren Bonität von gerade noch ausreichend auf unbefriedigend herabgestuft wird. Dies drückt die Kurse der betroffenen Anleihen deutlich. Trifft der Absturz viele Unternehmen, sorgt dies für Unruhe an den Kapitalmärkten. Zuletzt hat dieses Schicksal die US-Warenhauskette Macy’s und den US-Lebensmittelkonzern Kraft Heinz ereilt, denen das Investment-Grade-Rating entzogen wurde. Damit traf es 2020 bereits sechs Unternehmen, 2019 waren es insgesamt nur zwölf Firmen, die zu Fallen Angels wurden. Wie groß die Gefahr ist, zeigt eine andere Zahl: Im Segment der Investment-Grade-Anleihen hatten 2019 rund 51 Prozent aller Bonds ein „BBB“-Rating und damit die niedrigste Qualitätsstufe vor dem Junk-Status. Dieser Anteil lag vor der Finanzkrise nur bei 39 Prozent.​


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Kommentare ( 5 )

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J. Werner
4 Jahre her

Heilige Einfalt! Eine Pandemie ist ausgebrochen und keiner geht hin?! Der Name Hannibal bürgt alles andere als für Weitsicht! Schon nach der Schlacht von Cannae war er „trauriger Sieger“, weil er den Sieg nicht zu nutzen verstand. In der Schlacht von Zama 202 v. Chr. wurde er vernichtend geschlagen und kapitulierte. Karthago erholte sich nicht mehr davon. Vielleicht sollte man erst einmal den Denkapparat anstellen, bevor man so einen Unsinn verzapft. Allerdings kann er sich ja in eine Reihe mit dem grandiosen Jens Spahn stellen:der sagte doch, der “ Atem“ sei nicht ansteckend und „Mundschutz überflüssig!“

Gisela Fimiani
4 Jahre her

Könnte sich das Virus zu einem sog. „schwarzen Schwan“ auswachsen? Die Lieferketten sind bereits in Teilen zusammengebrochen und in Deutschland sind wir besonders stark mit China vernetzt.

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Gisela Fimiani

Ein schwarzer Schwan ist ein unbekanntes Risiko. Das Virus ist bekannt. Ein grauer Schwan.

friedrich - wilhelm
4 Jahre her
Antworten an  Gisela Fimiani

..die viruskrise chinas wird deutschland wirtschaftlich erst ab mai diesen jahres erreichen.
aber dann stark treffen! nur einmal nachdenken, wie die transportwege sind und welche güter deutschland von china bezieht!

Sonny
4 Jahre her

Habe ich schon an anderer Stelle hier geschrieben und möchte ich im Zusammenhang mit den Aktienkursen nochmal wiederholen: „…So weit ich es verstanden habe, ist der Corona-Virus (genau wie Sars) ein mutierter Grippevirus. Gegen die üblichen Grippeviren gibt es diverse Schutzimpfungen – für Corona wird dafür bestimmt auch schon geforscht und zeitnah präsentiert werden. Ich erinnere nur daran, wie Hunderttausende von Sars-Injektionen von unserer Regierung vorsorglich gebunkert und bereitgestellt wurden, die dann im darauffolgenden Jahr unbenötigt in den Schubladen der Apotheken vor sich hin warteten. Jedes Jahr sterben zahlreiche Menschen an der Grippe. Das sorgt aber weder für Pandemie- noch… Mehr