Schmerzhafte Verluste

Wie abgestimmt, erhöhten zahlreiche Zentralbanken die Leitzinsen; schmerzhafte Kursverluste bei Aktien und Anleihen waren die Folge.

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Die vergangene Woche wird Anlegern in schlechter Erinnerung bleiben. Wie abgestimmt, erhöhten zahlreiche Zentralbanken die Leitzinsen; schmerzhafte Kursverluste bei Aktien und Anleihen waren die Folge. Längst hat sich der sommerliche Optimismus an den Finanzmärkten verflüchtigt, Analysten korrigieren beinahe täglich ihre Prognosen nach unten. Wichtige Indikatoren wie der europäische Einkaufsmanagerindex deuten auf einen wirtschaftlichen Abschwung hin. Die Inflationserwartung beeinflusst die derzeit pessimistische Grundstimmung dabei am stärksten; denn viele Zentralbanken verbanden die Zinserhöhungen dieser Woche mit der Ankündigung weiterer Straffungsschritte.

Die Furcht vor einem wirtschaftlichen Abschwung hat sich aber auch aus einem anderen Grund verstärkt. Mit der Teilmobilisierung der Streitkräfte hat Russlands Präsident Wladimir Putin klargemacht, dass er sich wohl in absehbarer Zeit nicht aus der Ukraine zurückziehen will. Umgekehrt bedeutet das, dass die Sanktionen des Westens und die russischen Vergeltungsmaßnahmen weitergehen werden. Für Börsianer wird entscheidend sein, ob es Europa gelingen wird, einen Blackout zu vermeiden und den Wegfall des russischen Gases ohne einschneidende Rationierungen zu kompensieren.

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Die US-Investmentbank Goldman Sachs verbreitet Optimismus: Die Gaspreise seien in den vergangenen Wochen deutlich gesunken und würden weiter sinken, wenn sich zeige, dass die Sparmaßnahmen gefruchtet hätten und alternative Quellen erschlossen worden seien. Bleibt als weiteres Risiko China. Die Nulltoleranz-Politik der Regierung in Sachen Covid belastet nach wie vor die heimische Konjunktur und die globalen Lieferketten. Dazu kommt der kriselnde Immobilienmarkt, der das Wirtschaftswachstum ebenfalls bremst. Für Anleger sind das keine ermutigenden Signale.

Diese kommen indes aus Großbritannien. Als der neue britische Schatzkanzler Kwasi Kwarteng am Freitag einen Strauss von wirtschaftspolitischen Maßnahmen präsentierte, fühlte man sich an die Zeiten von Margaret Thatcher erinnert: „Zu lange haben wir um Umverteilung gestritten, nun ist es Zeit, uns voll auf Wachstum zu konzentrieren“, erklärte Kwarteng. Er will die Wirtschaft mit angebotsseitigen Reformen aus der Rezession katapultieren, in der das Land seit August steckt (Bank of England). Damit setzt Premierministerin Liz Truss um, was sie im Sommer während der parteiinternen Auseinandersetzung um die Nachfolge von Boris Johnson versprochen hatte: tiefere Steuern und weniger Regulierung.

Die Angst vor einer Rezession hatte die US-Aktienmärkte zum Wochenschluss allerdings fest im Griff. Der Leitindex Dow Jones Industrial sackte auf das niedrigste Niveau seit Ende 2020. Mit 29.590 Punkten büßte er auf Wochensicht vier Prozent ein. Der marktbreite S&P 500 büßte 1,7 Prozent auf 3.693 Zähler ein, der Nasdaq 100 1,6 Prozent auf 11.311 Punkte.

Unter den Einzelwerten ging es für die Papiere von Boeing um 5,4 Prozent bergab. Der Luftfahrtkonzern muss im Streit mit der US-Börsenaufsicht SEC nach den beiden Abstürzen des Unglücksjets 737 Max 200 Millionen US-Dollar Strafe zahlen. Die SEC hatte dem Konzern und dem damaligen Boeing-Chef Dennis Muilenburg vorgeworfen, Investoren über die Sicherheit der 737 Max getäuscht zu haben. Die größten Verluste gab es im Dow für den Ölkonzern Chevron, dessen Papiere 6,5 Prozent verloren. In der ganzen Ölbranche ging die Sorge vor einer Rezession um, die Ölpreise gaben kräftig nach. Am breiteren Markt fielen ConocoPhillips mit einem Kurseinbruch um 8,6 Prozent noch negativer auf.

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Besser schlugen sich die beiden Konsumgüterhersteller Procter & Gamble sowie Johnson & Johnson. Während Procter & Gamble mit minus 0,5 Prozent nur leicht nachgab, waren Johnson & Johnson gemeinsam mit der Baumarktkette Home Depot die einzigen Gewinner im Dow. Unter den Technologiewerten waren Gewinner auch rar. Die Anteile von Tesla standen mit einem Abschlag von 4,6 Prozent besonders deutlich unter Druck. Anderen Branchengrößen wie Apple, Alphabet oder Amazon ging es mit Einbußen zwischen 1,4 und drei Prozent etwas besser.

Rezessionssorgen hatten am Freitag auch am deutschen Aktienmarkt für tiefrote Kurse gesorgt. Der Leitindex Dax verabschiedete sich mit einem Minus von zwei Prozent auf 12.284 Punkte ins Wochenende, nachdem er zuvor bei knapp 12.181 Zählern auf den niedrigsten Stand seit November 2020 gefallen war. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Börsentitel, fiel im Handelsverlauf auf das niedrigste Niveau seit Mai 2020 und stand zum Schlussgong mit 3,1 Prozent im Minus bei 22.542 Punkten.

Auf Unternehmensseite bekommen die Anleger die Auswirkungen des konjunkturellen Gegenwinds weiter zu spüren. Der Batteriehersteller Varta setzte wegen weiter angezogener Energiepreise seine Ziele für das dritte Quartal und das Gesamtjahr aus. Die im MDAX notierte Aktie brach um 34 Prozent ein. Für einen noch stärkeren Kurseinbruch sorgte der Finanzdienstleister Hypoport, der ebenfalls seine Jahresziele kassierte. Die Papiere schlossen rund 46 Prozent tiefer. Der Rückgang bei Immobilienkrediten scheint sich angesichts steigender Zinsen zu beschleunigen. Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich überraschte die Anleger dagegen mit einer aufgestockten Prognose. Die robuste Geschäftsentwicklung habe sich im dritten Quartal fortgesetzt, teilte das Unternehmen mit. Die Aktie beendete den Tag nach einem zunächst deutlicheren Kurssprung mit einem Plus von 3,5 Prozent an der MDax-Spitze.

An die Spitze des Dax setzten sich nach einer Kaufempfehlung von JPMorgan die Aktien des Aromen- und Duftstoffeherstellers Symrise mit einem Plus von 2,3 Prozent. Die konjunkturempfindlichen Autohersteller und -zulieferer waren dagegen im Einklang mit dem Trend in Europa unter den größten Verlierern zu finden. Am härtesten traf es Continental mit mehr als neun Prozent Minus auf dem letzten Dax-Platz.

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Kommentare ( 3 )

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Waldorf
1 Jahr her

Tja, eigentlich ganz einfach: würge die Nachfrage ab, dann klappt es auch mit der Rezession… Und insb Habecks Politik ist ein klassischer Nachfragekiller. Der Energiepreisschock wird alle Bürger zu extremer Sparsamkeit bzgl ihres Geldes zwingen, da ein gewisser Energieaufwand entgegen grüner Idiotie schlicht unverzichtbar ist. Da Deutschland schlicht kalte Winter hat, in dem urbane Höhlenmenschen ohne Heizungen, grüne Jäger und Sammler schlicht früh sterben, werden alle sonstigen Ausgaben zurückgestellt, der Konsumartikelmarkt dürfte zumindest diesen Herbst/Winter radikal eingedampft werden. Vom Schuhgeschäft über Boutiquen bis zum Gastronomen dürften all diese Einzelhändler/Dienstleister, die in den staatlichen Coronawahn noch irgendwie überlebt haben, an Habecks-Voodoo-Energiepolitik… Mehr

giesemann
1 Jahr her

Anleihen verstehe ich ja, aber Aktien? Sind das nicht Sachwerte? Und die beste Gegenmaßnahme gegen Teuerung ist eine Güter- oder Angebotsinflation, auch bekannt als „Wettbewerb“ – das hält die Preise im Zaum. Schwierig bei nicht vermehrbaren Gütern wie zB Baugrund und Boden allgemein.

Janosik
1 Jahr her

Blackout zu vermeiden ist relativ einfach – man schaltet genug Nutzer ab, dann kann man ihn vermeiden. Unter Kommunisten gab es diese Abschaltungen fast regelmäßig. Es gibt Ländern wie Libanon wo der Lärm der Notstromaggregaten in der Stadt überwältigend ist und auch irgendwie normal. Das Problem ist natürlich, dass die deutsche Eliten das für normales Volk gar nicht erlauben wollen – deshalb wird auch CO2 Steuer am 1.1.2023 weiter erhöht. Wer denkt, dass das ganze nur durch den Krieg verursacht ist, dem ist einfach nicht zu helfen. Das ist alles gewollt. Die Inkompetenz der Regierenden bekommen wir nur als Bonus… Mehr