Kaum zu glauben: Die Kurse steigen weiter

Steigende Ölpreise erzeugen bei Anlegern gemischte Gefühle. Zunächst sind kletternde Notierungen bei Brent oder WTI meist ein Lebenszeichen der Wirtschaft.

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Wenn mehr produziert wird, muss mehr transportiert werden, und dafür braucht es immer noch hauptsächlich Öl. Der Preisauftrieb aber, der mit den anziehenden Preisen für das schwarze Gold einhergeht, gefällt Börsianern überhaupt nicht. Inflation. Unerwartet hohe und andauernde Zahlen bringen nämlich die derzeit ultra-spendablen Zentralbanker in Bedrängnis. Womöglich müssen sie dann schneller als gewollt die Zinsen erhöhen. In Deutschland hat sich der Preisauftrieb im Juni allerdings etwas verlangsamt. Mit Blick auf den aktuell deutlich steigenden Ölpreis allerdings könnte die Inflation im laufenden Monat wieder anziehen. Umso verzwickter wirkt die Lage, weil teurerer Treibstoff die Kosten der Konzerne treibt und deren Gewinne belastet. Bedenkt man, dass im laufenden Jahr etwa für die 30 DAX-Unternehmen im Schnitt ein Gewinnanstieg von 32 Prozent erwartet wird, liegt es nahe, dass eine andauernde Ölpreis-Hausse für Börsianer nicht gut enden muss. Gut zu wissen, dass viele Auguren am Rohstoffmarkt der Meinung sind, dass die Rally zum großen Teil gelaufen ist.​

Die Berichtssaison für das zweite Quartal startet zwar erst in Kürze. Doch laut Datenanbieter Bloomberg liegen die globalen Gewinnschätzungen pro Aktie inzwischen klar über dem Niveau der Zeit vor Corona. In den Analystenempfehlungen sieht Lars Kreckel, Global Equity Strategist bei L & G Investment Management, einen weiteren positiven Trend. „Im Mai und in den ersten Juni-Wochen tendierten etwa mehr als drei Viertel aller Revisionen in den USA nach oben — solche Werte wurden sonst nur in der unmittelbaren Folge von Rezessionen und nach der US-Unternehmenssteuersenkung Ende 2017 erreicht.“

Die Wall Street war vielleicht auch deshalb optimistisch und holte am Freitag die Kursverluste der vergangenen Tage wieder auf. Auf ermäßigten Kursniveau griffen die Anleger vor allem bei den zuletzt vernachlässigten Standardwerten beherzt zu.
Der Leitindex Dow Jones Industrial stieg jedenfalls um 1,3 Prozent auf 34.870 Punkte, womit er sich auf Wochensicht moderat mit 0,2 Prozent ins Plus rettete. Er kam seinem Rekordhoch, das mit 35.091 Punkten aus dem Mai stammt, näher denn je in den vergangenen Wochen.

Der S&P 500 folgte dem Dow um 1,1 Prozent auf 4.370 Punkte nach oben, er konnte damit als einziger großer US-Index einen erneuten Rekord verbuchen. Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 brachte es mit 14.826 Punkten auf ein Plus von 0,7 Prozent.

Am Vortag hatten die Sorgen wegen der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus und Konjunkturpessimismus die Anleger noch risikoscheu gemacht. Bei US-Staatsanleihen, die am Vortag von der Suche nach Sicherheit profitiert hatten, kam es nun zu Gewinnmitnahmen. Durch die jüngsten Verluste sei bei Aktien nicht viel Porzellan zerschlagen worden, hieß es am Markt. Expertin Sophie Griffiths vom Broker Oanda sah sofort wieder die Schnäppchenjäger am Werk.

Die Rendite der zehnjährigen US-Anleihen zog am Freitag wieder an. Entsprechend gehörten Finanztitel zu den Favoriten im Dow, nachdem sie in den vergangenen Tagen stark unter den sinkenden Zinsen gelitten hatten. Die Papiere von Goldman Sachs und JPMorgan rückten um 3,6 und 3,2 Prozent vor.

Weit hinten im Dow tauchten zwei Technologiewerte auf: Aktien von Microsoft retteten sich nur knapp mit 0,2 Prozent ins Plus, während jene von Salesforce 0,3 Prozent einbüßten. Als Hemmschuh führten Börsianer an, dass US-Präsident Joe Biden Pläne schmiedet, um der Übermacht von Großkonzernen in bestimmten Branchen Einhalt zu gebieten. Wie es hieß, ziele er damit auch stark auf Internet- und Technologiefirmen ab.

Außerhalb des Dow waren Autowerte stark gefragt, wie Kursgewinne von 4,8 und drei Prozent bei General Motors und Ford zeigten. Hier schwappte eine deutliche Branchenerholung aus Europa über. Bessere Stimmung verbreitete dort Volkswagen mit starken Eckdaten. Dadurch wurden Sorgen um die derzeit herrschende Halbleiterknappheit in der Branche gemildert.

Die Impfstoff-Partner Pfizer und Biontech erfreuten ihre Anleger mit der Aussage, die Notfallzulassung für eine dritte Booster-Impfung unter anderem in den USA und Europa beantragen zu wollen. Pfizer gewannen 0,9 Prozent und die in New York gehandelten Biontech-Aktien rückten um 4,6 Prozent vor.

Zuvor hatte sich schon der deutsche Aktienmarkt von seiner stärkeren Seite gezeigt. Der deutsche Leitindex schloss 1,7 Prozent im Plus bei 15.688 Punkten.

Auf Unternehmensseite stand VW im Fokus. Der Automobilbauer veröffentlichte überraschend vorläufige Daten für das erste Halbjahr 2021. Die Auslieferungen erholten sich in den ersten sechs Monaten stark und führten zu einem sehr hohen Umsatz, wie Volkswagen mitteilte. Das operative Ergebnis stieg auf elf Milliarden Euro, der Netto-Cash-Flow im Automobilgeschäft auf rund zehn Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte der Autobauer noch einen Verlust von 800 Millionen Euro gemacht. Die vollständigen Zahlen werden für den 29. Juli erwartet. Die Aktie legte in der Spitze um rund fünf Prozent zu.

Die Komplettübernahme der Media-Saturn-Holding durch den Elektronikhändler Ceconomy verzögert sich. So sieht sich das Unternehmen mit einigen Klagen von Aktionären konfrontiert, die gegen die geplante Kapitalerhöhung opponieren. Nach einer Anhörung des Oberlandesgerichts Düsseldorf musste Ceconomy nun am Donnerstagabend einräumen, dass der Zeitplan wohl nicht zu halten ist. An den Plänen hält der Konzern jedoch fest.

Der Materialmangel in verschiedenen Branchen schlägt sich stärker auf die deutsche Konjunktur nieder als von vielen Experten erwartet. So ist im Mai der Auftragseingang der deutschen Industrie überraschend um 3,7 Prozent gegenüber dem Vormonat zurückgegangen. Auch die Industrieproduktion im Mai enttäuschte. Sie lag den vierten Monat im Minus. „Trotz guter Auftragssituation lag die Industrieproduktion in diesem Jahr nur einmal im jeweiligen Monatsvergleich im Plus. Mit Ausnahme des März war stets ein Minus zu verbuchen, was in Anbetracht der vollen Auftragsbücher schmerzt. Die Industrie bringt derzeit ihre PS nicht auf die Straße“, so Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank. Laut Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser stehen Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten derzeit einem kräftigeren Anstieg der Industrieproduktion ebenfalls entgegen. Und auch die ZEW-Konjunkturerwartungen sind im Juli gegenüber dem Vormonat um 16,5 Punkte gesunken. Mit 63,3 Zählern ist die Aussicht der Finanzmarktteilnehmer für die kommenden sechs Monate zwar weiterhin auf einem hohen Niveau, aber nicht mehr ganz so euphorisch wie zuvor.

Uneins über die Uneinigkeit der OPEC–Länder und ihrer Alliierten (OPEC+) waren die Rohstoffmärkte vergangene Woche. Entgegen der Erwartungen konnten sich die Ölförderländer nicht auf eine Ausweitung der Produktion einigen, die aufgrund des gestiegenen Bedarfs nach der Corona–Krise angebracht ist. Vor allem ein Zwist zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien soll dazu geführt haben, dass erst einmal alles beim Alten bleibt. Die Preise für die Sorten WTI und Brent zogen daraufhin auf Mehrjahreshochs an. Doch schon am nächsten Handelstag fielen die Notierungen deutlich, da sich die Erkenntnis durchsetzte, dass das Zerwürfnis der Organisation mittelfristig schaden könne, wie Commerzbank-Rohstoffexperte Eugen Weinberg analysiert. „Nur eine Beibehaltung der Kürzungsvereinbarung der OPEC+, wonach die Ölproduktion nur noch im Juli erhöht und danach bis April 2022 stabil gehalten wird, würde für einen weiteren Ölpreisanstieg sprechen. Zwar hat Saudi-Arabien seine offiziellen Verkaufspreise für asiatische Abnehmer im August erhöht und damit seine Bereitschaft signalisiert, an dem Abkommen festzuhalten, doch einige Länder der Allianz würden ihre Produktion lieber so schnell wie möglich erhöhen, auch auf Kosten der anderen.“


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Kommentare ( 6 )

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Klaus D
2 Jahre her

Die Kurse steigen weiter……das ist bei einer krise gut möglich da bei vielen die gewinne explodieren zb weil die nachfrage stark steigt oder die preise drastisch steigen…ego sind auch viele renditen richtig fett….dazu kommt das viel geld auf dem markt ist also auch viel spekuliert wird was die börsen auch treibt….die frage ist WAS wird passieren wenn die krise vorbei ist…

badmoon
2 Jahre her

Ja, die Börsen steigen und bei jeder Gewinnmitnahme kassiert der Staat ca. 26,5 % vom Gewinn. Den Gewinn den ich an der Börse mache, fressen dann die Preiserhöhungen beim Strom, Benzin, Lebensmitteln, Gebühren, Medikamenten, Grundsteuer usw. wieder auf. Habe gerade ein altes Sparbuch gefunden und aktualisieren lassen. Zinsen 0,2 cent-Steuern 0,1 cent-wie rechnen die das ?

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her

„Kaum zu glauben: Die Kurse steigen weiter“ Ja, kaum zu glauben. Schauen wir mal, wie sich die Zinsen in den letzten 15 Jahren entwickelt haben. Oder die Geldmenge. Oder die Bilanzen der Zentralbanken. Natürlich steigen die Kurse weiter. Und sie werden nach jedem Crash nur neue Höhen erreichen. Bis zum ganz großen Knall, der das Währungssystem komplett sprengt. Oder es gibt ein Japan Szenario. Falls die Staaten es denn schaffen, ihre Schulden zu managen. Mit genug finanzieller Repression (Negativzins), Inflation und E-Euro hofft man das hinzukriegen. So oder so, bis dahin steigen die Kurse weiter. Dazu müssen die Aktien ja… Mehr

Gerhard Doering
2 Jahre her

Ohne den Bürger funktioniert die Börse perfekt und damit dieser nicht aufsässig wird muss er enteignet und verblödet werden.Also:wenn Arbeit weniger Wert als Dreck ist kann es nur bergauf gehen mit der Börse.Gute Zeit,bis neulich im Jahre 1923!!

Alfonso
2 Jahre her

„Kaum zu glauben: Die Kurse steigen weiter“

Super Aussichten für die Finanz- und für die Realwirtschaft. Das Geld aus den Geschäften mit Corona und dem Klimawandel fließt in Strömen und verspricht goldene Zeiten für Unternehmen und Anteilseigner.

Flik Flak
2 Jahre her

Und? Was folgern wir daraus? Ach, ja! Wir haben noch weniger in der Tasche. Oder?