EU-Europa vermasselt den KI-Boom

Wirtschaftlicher Wohlstand wird auf freien Märkten durch innovative Unternehmen erzeugt. Über 50 Prozent der weltweit operierenden KI-Unicorns befinden sich in den USA, während Europa keine Rolle spielt. Das Rennen um die nächste Zukunftstechnologie ist bereits entschieden.

IMAGO / Martin Bertrand

Es hat den Anschein, als wiederhole sich in diesen Monaten Wirtschaftsgeschichte. An den Börsen werden Unternehmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz und der Datencenter heiß gehandelt. Massives Kapital strömt in diese Technologie. Vieles erinnert an den Dotcom-Boom vor 25 Jahren.

Strukturell und regional hat sich seither im Grunde nichts verändert: Die USA und China kämpfen um die Pole Position, während die Wirtschaft der Europäischen Union weitgehend an der Seitenlinie steht und vom EU-Regulator in die Zuschauerrolle gedrängt wird.

Unicorns als Innovationsmaß

Ein interessanter Maßstab für den Rückstand EU-Europas im Bereich der künstlichen Intelligenz ist die Zahl sogenannter Unicorns. Dabei handelt es sich um private Start-ups mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar vor dem Börsengang. Diese Kennzahl gilt als valider Indikator für die Innovationskraft eines Wirtschaftsraums – und für die EU fällt der Vergleich mit den USA katastrophal aus.

Rund 1.700 solcher innovativen Unternehmen operieren derzeit in den Vereinigten Staaten, in der Europäischen Union sind es gerade einmal etwa 280. Die USA dominieren diesen Markt damit mit einem Anteil von über 50 Prozent, während die europäische Wirtschaft mit weniger als zehn Prozent am globalen Markt deutlich hinterherhinkt.

Dieser ökonomische Graben manifestiert sich auch im Investitionsvolumen. Hyperscaler wie Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta investierten im laufenden Jahr allein über 320 Milliarden US-Dollar in KI und die korrespondierende Infrastruktur von Rechenzentren. Mehr als 550 neue Projekte – mit Schwerpunkten in Virginia, Texas und Arizona – formen so das Rückgrat einer neuen Ökonomie.

Die Gesamtkapazität der Rechenzentren in den USA wuchs in diesem Jahr um rund 160 Prozent, während sie in Europa lediglich um etwa 75 Prozent zulegte, was einem Investitionsvolumen von etwas weniger als 100 Milliarden Euro entspricht.

Mit Investitionen von rund 125 Milliarden US-Dollar hinkt auch die chinesische Wirtschaft der amerikanischen deutlich hinterher. Ein interessanter Kontext – insbesondere aus Sicht der europäischen und vor allem der deutschen Politik – ist dabei, dass das Thema der Energieerzeugung aus Nuklearkraft in diesen Regionen spürbar an Dynamik gewinnt.

Auch wenn man es im grünbewegten Deutschland und seiner ideologisch verhärteten Haltung gegenüber der Kernenergie nicht wahrhaben will: Der enorme Energiebedarf der neuen Technologien wird künftig zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem Zubau von Nuklearkraft gedeckt.

Zu den wenigen Großprojekten in der Europäischen Union zählt etwa das Brookfield-Projekt in Schweden mit einem Investitionsvolumen von rund zehn Milliarden US-Dollar sowie der Start Campus in Portugal, der ebenfalls Investitionen von knapp zehn Milliarden US-Dollar aktivieren könnte.

Crash der Ideologien

Gerade im Bereich der KI lässt sich der ideologische Zusammenprall zwischen den USA und der EU praktisch und in all seinen Konsequenzen nachvollziehen. Während man in den Vereinigten Staaten auf Deregulierung und privatwirtschaftliche Lösungen setzt und die Handbremse für intensiven Wettbewerb gelöst hat, gilt in EU-Europa weiterhin das Mantra der politischen Globalsteuerung. Es darf schlicht nichts geschehen, was nicht Brüsseler Funktionäre zuvor am grünen Tisch in all ihrer Weisheit ausgeheckt haben.

Nach wie vor gilt bei uns das Draghi-Motto: Nur massive öffentliche Investitionen – kreditfinanziert und zentral geplant – werden aus Sicht der EU-Etatisten helfen, den enormen Graben zwischen Europa und den USA zu überwinden.

In den Planspielen des inzwischen auf sieben Jahre gestreckten Masterplans der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen wirkt dabei alles erstaunlich einfach, beinahe simplifiziert. Der Invest-AI-Plan der EU sieht vor, rund 50 Milliarden Euro an Krediten aufzunehmen und diese in den kommenden Jahren in ausgewählte Projekte zu investieren. Dies soll wiederum private Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Euro auslösen. Auf diese Weise sollen vier KI-Gigafactories entstehen.

Willkommen in der sozialistischen Lehrbuchwelt der Habeckonomics: einer Ordnung, in der Staatsprojekte wie Northvolt reihenweise scheitern. Solange jedoch öffentliche Bürgschaften, Subventionen und staatlich garantierte Abnahmepreise in Aussicht stehen, flackert das kleine Flämmchen politischer Hoffnung weiter im lauen europäischen Wind.

Und wie so oft beobachten wir auch hier den Aufwuchs des typischen Euro-Dschungels aus Förderprogrammen, Subventionen und Steuerungsprojekten. Dazu zählen unter anderem „Horizon Europe“, das die Rechenleistung in der Wissenschaft stärken soll, der RAISE-Pilot oder die Gen-AI-4-EU-Initiative, die zusammen noch einmal rund eine Milliarde Euro in die digitale Infrastruktur der EU-Wirtschaft investieren sollen.

Die Kraft des Wettbewerbs

Der ideologische Zusammenprall zwischen den beiden großen Wirtschaftsblöcken USA und der EU treibt in diesen Wochen mitunter seltsame Blüten. Während der offene Kapitalmarkt in den Vereinigten Staaten Start-ups wie Pilze aus einem gut gedüngten Boden sprießen lässt, hat die Regulierungsarbeit der Europäischen Union – insbesondere im Rahmen des Digital Markets Act – eine regelrechte Raubzugmentalität hervorgebracht. Dass dies von Beginn an das Ziel der Eurokraten gewesen sein dürfte, überrascht kaum.

Mehr als 3,2 Milliarden Euro an Wettbewerbsstrafen verhängte Brüssel in diesem Jahr und lässt dabei vor allem US-Konzerne konsequent zur Ader.

Brüssel hat sich zum Bürokratie-Leviathan degeneriert. Ein parasitärer Vielfraß, der ökonomische Energie absorbiert und versteinerte Strukturen und ökonomisches Vakuum erzeugt.

In EU-Europa gilt dabei das Motto: Hauptsache, der Regulierungsrahmen steht – und der Staat macht seinen Schnitt. Dass die Privatwirtschaft unter diesen Bedingungen andere Standorte bevorzugt, Kapital abzieht, interessiert die Extraktionsprofis in Brüssel herzlich wenig.

Vor dem Hintergrund des massiven Absturzes Europas in eine klimasozialistische Dystopie muss man sich wundern, dass die Wurzeln libertären ökonomischen Denkens ausgerechnet auf diesem Kontinent liegen. Denkt man an den großen Ökonomen Ludwig von Mises, der immer wieder darauf hinwies, dass es der Unternehmer ist, der den Motor der Marktwirtschaft durch sein Gewinnstreben antreibt, und dass es ohne Ausnahme dezentrale Prozesse sind, die Wohlstand schaffen – während staatliche Interventionen diese regelmäßig entgleisen lassen.

Zivilisatorisch überlegene Modelle wie das der freien Marktwirtschaft versinken so in den Wellen des ideologischen EU-Infantilismus. Sein repressiver Klimasozialismus begünstigt das Wachstum korporatistischer Strukturen, in denen Politik und alimentierte Teile der Wirtschaft das Extraktionswerk vollstrecken und so den Wettbewerb eliminieren.

Das starre Festhalten an der zentral geplanten Steuerung der neuen Tech-Industrie folgt auf fatale Weise der Zeitlinie der Dotcom-Ära. Was man in Europa nicht versteht, ist, dass auf eine bahnbrechende Innovation zwangsläufig ein Investitionsboom folgt, der an den Märkten nicht selten in Überinvestitionen und einem Börsenkrach endet, der aber in letzter Konsequenz realwirtschaftlich profitable Strukturen hinterlässt, die dauerhaft in die bestehende Ökonomie eingewoben werden.

So wie es bei Unternehmen wie Amazon, Google oder Microsoft der Fall war, werden wir Europäer in wenigen Jahren auf diese Monate zurückblicken und uns über den Verlauf dieser interkontinentalen ökonomischen Bifurkation anhand der Beispiele OpenAI, Gemini oder Perplexity informieren. Die dafür benötigte Energie wird aus französischen Atomreaktoren und bald auch aus polnischem Atomstrom importiert werden.

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Kommentare ( 14 )

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14 Comments
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Biskaborn
17 Minuten her

Wir können es kurz machen, solange Linke und Grüne über die Wirtschaft der EU bestimmen, kann und wird das zum Untergang führen. Man muss nur zurückschauen wo Linke regiert haben oder aktuell regieren. Prosperiert dort die Wirtschaft? Dazu kommt, die meisten vermeintlich Konservativen in der EU sind eigentlich Tieflinke im Herzen. Die tatsächlich Konservativen sind noch dazu zerstritten, treten nicht als gemeinsame Kraft gegen die Elite der Zerstörer auf. Dazu eine Wirtschaft die auf subventionierte Planwirtschaft hofft! Was bitte soll da am Ende herauskommen?

Der Ingenieur
24 Minuten her

Der Ausdruck „Künstliche Intelligenz“ (KI) führt völlig auf die falsche Fährte, denn solche Systeme sind gerade nicht „intelligent“, da sie absolut keine Inhalte verstehen, sondern lediglich statistische Wahrscheinlichkeiten berechnen.  So steckt z.B. in ChatGPT kein Verständnis von sprachlichen Regeln wie z.B. einer Grammatik dahinter, sondern lediglich die statistische Auswertung von Milliarden von Worten (sog. „Token“) in ihrer Abfolge und Beziehung zueinander aus Millionen von antrainierten Textdokumenten. So besteht z.B. zwischen „Auto“ und „Autos“ also kein grammatikalischer Zusammenhang bzw. die intellektuelle Erkenntnis eines „Plurals“, sondern nur ein statistischer Zusammenhang zwischen zwei „Token“. Nachdem Millionen von menschlichen Texten erfasst worden waren, wurden… Mehr

Last edited 21 Minuten her by Der Ingenieur
Klaus D
39 Minuten her

KI-Boom…..na ja es hat auch vorteile zb das wir aus den fehlern lernen die neue technologien so mit sich bringen. Und wenn man die USA als vorbild nimmt gehört alles andere aber auch dazu – gesellschaftliche. Und da bin ich mir nicht sicher ob ich das haben möchte – es den preis wert ist zb*. *US-Bürger haben Angst, den Krankenwagen zu rufen, weil sie die exorbitanten Kosten für den Transport und die medizinische Versorgung fürchten, was zu enormen Schulden führen kann, da das US-Gesundheitssystem stark privatisiert ist und es keine universelle Krankenversicherung gibt, sodass die Angst vor finanzieller Ruin oft… Mehr

GefanzerterAloholiker
52 Minuten her

In China ist KI in Kohleflözen – alles KI, inklusive Inspektion mit … Drohnen. Die Länder hier waren im Verteilungskampf gefangen. Dann kam die Regulierungspest. So etwas geht immer den Bach herunter.

Last edited 50 Minuten her by GefanzerterAloholiker
HeRo
53 Minuten her

Ich denke, ich hab’s verstanden: Und es ist ganz einfach: Deutschlands Gelder werden für Waffen gegen Russland benötigt. Jeder Cent. Weswegen soll man in Deutschland noch in KI investieren, wo doch schon völlig klar ist, dass hier eine nukleare Wüste sein wird? Deswegen werden die Bürger auch gerade bis auf den letzten Cent abgezockt. Alle Gelder werden in Waffen gesteckt, alle Gelder ins Ausland abgezogen. Das deutsche unwerte L…. ist dann weg. DA gibt’s in der Historie ja viel Erfahrung. Deshalb auch gerade diese vielen verfassungswidrigen Eingriffe. Das wissen die sicher. Aber bevor das vor Gericht kommt- steht kein Gericht… Mehr

Myokarditis
1 Stunde her

Stimmt schon.
Andererseits: Der Hut brennt bereits.
Siehe: https://www.thecompendium.ai/ oder https://www.narrowpath.co/
Kurz gesagt: Wenn wir die Entwicklung nicht rechtzeitig STOPPEN, dann entwickelt sich die KI zur Superintelligenz, die wir Menschen dann weder kontrollieren noch verstehen können. Die große Gefahr besteht nicht darin, dass die EU etwas verschläft oder nicht begreift (das tut sie ohnedies), sondern dass wir alle mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Verderben schlittern. Global. Aus Unvernunft, Wettbewerbsdruck, Rüstungswettlauf und/oder Gier. Und es bleiben uns Jahre, nicht Jahrzehnte. Diese Gefahr übertrifft sogar die Gefahr eines Nuklarkrieges. Das ist keine Angelegenheit des Glaubens, sonder des nüchternen Abschätzens.

moselbaer
1 Stunde her

Mit der verhängnisvollen Neigung der EU, alles im Vorhinein abschließend zu reglementieren, hätte es weder die Dampfmaschine noch die Eisenbahn noch ein Auto gegeben.

Der Ingenieur
15 Minuten her
Antworten an  moselbaer

Mit der verhängnisvollen Neigung der EU, alles im Vorhinein abschließend zu reglementieren, hätte es weder die Dampfmaschine noch die Eisenbahn noch ein Auto gegeben.“

Wieso?

Die E-Autos sind doch wieder Dampfmaschinen. Nur dass sie den Dampfkessel und Schornstein nicht auf dem Fahrzeug spazieren fahren, sondern am Stadtrand platziert haben.

Dort brauchen sie dann 3 bis 10 Mal soviel Primärenergie als ein Auto mit Verbrennungsmotor und erzeugen bis zu 10.000 Mal mehr Schadstoffe und Feinstaub pro gefahrenen km durch die vorsinnflutliche Abgasbehandlung, die ja quasi nicht stattfindet.

TomK11
1 Stunde her

Das Draghi-Motto funktioniert vom Ansatz her schon nicht. den die politischen Entscheider sind schon so moralisch „eingenordet“, dass sie die falschen Projekte fördern wollen. Wobei nach den bisherigen Erfahrungen ist dies ein weites Feld für korruptes Verhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Politiker so festgesetzt haben, dass ihnen letztlich nichts passieren kann. Es geht also nur noch um den persönlichen Machterhalt.

jwe
1 Stunde her

KI in der EU, wofür? Kommission, VdL, und Europa-Parlamentarier sind so intelligent, da würde KI nur hinderlich sein und nix bringen. In den USA ist das anders; was Trump an Intelligenz fehlt, füllt die KI auf. Daran können wir schon mal sehen: Wir sind der Nabel der Welt! Wo wir sind, ist Fortschritt.

Willi4
23 Minuten her
Antworten an  jwe

Ironie off !

Steuernzahlende Kartoffel
1 Stunde her

Die EU hat sich halt auf die Zukunftstechnologie „Fachkräfte mit rückständiger Sozialisation“ fokussiert. Dafür gibt sie alles Geld aus – alles Geld aus DE. Und da DE, abgesehen vom „Sondervermögen“, quasi pleite ist, sind Investitionen in weitere Zukunftstechnologien leider nicht möglich.