Die Finanzrevolution ist hier

Schritt für Schritt rammt die US-Regierung die Pfeiler der Blockchain-Revolution in den Boden des mächtigen amerikanischen Kapitalmarkts. Die Neustrukturierung des Bankensektors wird zunächst ohne die Europäer beginnen. Langfristig kann sich der Gravitation der USA allerdings niemand entziehen.

picture alliance / imageBROKER | Yanleth Rivera

Wall Street ist die Herzkammer der globalen Finanzwelt. Rund 60 Prozent der weltweiten Aktienmarktkapitalisierung konzentrieren sich auf die Vereinigten Staaten, mehr als die Hälfte des globalen Anleihenmarktes ist im US-Dollar denominiert.

Amerikas strukturelle Dominanz

Vor diesem Hintergrund wirken die seit Jahren geführten Kampagnen der europäischen Politik und großer Teile der hiesigen Presselandschaft, die ein Ende der Dollar-Dominanz und eine Abkehr des globalen Kapitals von den USA beschwören, wie Wunschdenken. Tatsächlich werden die maßgeblichen Standards der internationalen Finanzarchitektur weiterhin in New York und Washington, D.C. gesetzt.

Die Mär vom Ende des Dollars
EZB warnt vor Dollarknappheit, China emittiert Dollar-Bond
Daran werden weder die Bemühungen der BRICS-Staaten noch die Europäische Union auf absehbare Zeit etwas ändern können. Mit der Integration der Blockchain-Technologie kündigt sich nun die nächste fundamentale Reform an: Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat für das kommende Jahr die Ratifizierung der Digital Asset Market Structure-Bill (DAMS Draft) angekündigt.

Eine neue Infrastruktur für das Finanzsystem

Dieses Gesetzesrahmenwerk soll das Fundament für einen vollständig digitalisierten US-Kapitalmarkt gießen, an dessen Ende die umfassende Tokenisierung von Vermögenswerten steht. Die bislang getrennten Bausteine des Finanzsystems – Handel, Abwicklung und Verwahrung von Assets wie Aktien und Anleihen – werden in eine rechtlich abgesicherte Blockchain-Struktur überführt, um jene Effizienzgewinne zu realisieren, die die Technologie verspricht.

Deutschland blutet aus
Kapital auf der Flucht
Im Kern geht es dabei vor allem um die Reduzierung der Abhängigkeit von klassischen Intermediären wie Euroclear. Mit voll tokenisierten Assets verlieren zentrale Sammel- und Abwicklungsstellen ihre bislang dominante Rolle.

Grundsätzlich lässt sich nahezu jedes Asset auf der Blockchain tokenisiert abbilden – also in eindeutig zugeordnete digitale Eigentumsanteile auf einer Blockchain überführt –, bis hin zu einzelnen Immobilienprojekten. Dadurch öffnet sich der Markt für Kleinanleger, da Projekte atomisiert und in kleinsten Einheiten handelbar werden. Die Partikularisierung von Großprojekten eröffnet vor allen Dingen Kleinanlegern neue Handlungsspielräume.

Auch die Option, seine Assets künftig in einer Wallet selbst zu verwalten, ist reizvoll. Das verändert das Verhältnis zwischen Eigentümern, Banken und Intermediären grundlegend.

Regulierung, Stablecoins und die neue Rolle der Banken

Rechtlich wird dieses neue Rahmenwerk von der SEC, der CFTC sowie dem Treasury, dem amerikanischen Finanzministerium, überwacht. Als zentrales Abwicklungsmedium sollen US-Dollar-Stablecoins wie Tether oder USDC dienen.

US-Märkte „on fire“
EU-Europa gehen die Argumente aus
Die Rolle der Banken verschiebt sich dabei grundlegend. Sie wird sich künftig vor allem auf Finanzinnovationen, Infrastruktur und Verwahrangebote konzentrieren. Bereits vor zwei Wochen hat sich mit JP Morgan die größte US-Bank offen positiv positioniert und folgt damit anderen Instituten wie der Bank of America auf dem Weg in eine rasche Umsetzungsphase.

Die entscheidende Vorarbeit leistete die US-Regierung mit der Verabschiedung des sogenannten GENIUS Act. Er regelt die Emission und Überwachung von Stablecoins – also digitalen Dollars –, die künftig vor allem vom privaten Sektor ausgegeben werden. Banken erwerben hierfür Lizenzen beim Treasury und können so künftig am Stablecoinmarkt partizipieren.

Stablecoins sind digitale US-Dollars, die vollständig mit kurzlaufenden US-Staatsanleihen hinterlegt sind und deren Emittenten in ihren Reserven auch Vermögenswerte wie Bitcoin oder Gold halten. Größter Anbieter dieser Finanzinnovation ist derzeit das Unternehmen Tether, das weltweit bereits mehrere hundert Millionen Nutzer erreicht.

Der Dollar auf der Blockchain

Dass die amerikanische Regierung die weltweite Verbreitung dollar-denominierter Stablecoins unter Hochdruck unterstützt, erklärt sich aus ihrer inneren Struktur. Ihre Besicherung mit kurzlaufenden US-Staatsanleihen macht sie faktisch zu einem globalen Markt für amerikanische Staatsschulden.

Allein das von Tether auf diese Weise weltweit distribuierte Volumen an US-Treasuries liegt inzwischen bei über 186 Milliarden US-Dollar – und es wächst von Tag zu Tag.

Die Rückkehr des privaten Geldes

Es ist in der Tat eine historische, wenn auch in Europa weitgehend unbemerkte Revolution, die sich derzeit im Bereich der amerikanischen Geldordnung vollzieht. Implizit bedeutet sie eine schrittweise Entmachtung der Federal Reserve, da künftig vollständig kollateralisiertes Privatgeld durch den privaten Bankensektor emittiert werden kann.

Schuldenschlag ins Nichts
Vorwärts auf der schiefen Ebene
Bislang setzte die Politik die Mindestreserveanforderungen, während Geschäftsbanken Fiat-Kreditgeld schöpften – ein System, das über Jahrzehnte hinweg zu massiven Preis- und Vermögensblasen sowie ausgeprägten Boom-Bust-Zyklen geführt hat, wie sie sich auch aktuell erneut abzeichnen. Mit dem neuen Rahmen kehren die USA in Teilen zu den Prinzipien des Bankwesens des 19. Jahrhunderts zurück, allerdings eingebettet in einen deutlich enger gefassten rechtlichen Rahmen. Einen „Wilden Westen“ wird es hier nicht geben.

Zugleich ist diese Entwicklung Teil einer längst überfälligen Revolution der Settlement-Systeme. Das Geld- und Nachrichtensystem SWIFT, bis heute tief im globalen Zahlungsverkehr verankert, gilt als überaltert und langsam. Noch immer vergehen Tage, bis Transaktionen final abgewickelt sind.

Diese Umstellung ist zugleich Ausdruck der fortschreitenden Bifurkation der Finanzwelt – auf der einen Seite ein von den USA dominierter Block, auf der anderen ein zunehmend von China regulierter BRICS-Raum. Die Brücke zwischen beiden Machtblöcken jedoch wird aller Wahrscheinlichkeit nach eine harmonisierte digitale Infrastruktur sein.

Europa im Rückwärtsgang

Ein Blick auf die andere Seite des Atlantiks und auf die Regulierungsarbeit Brüssels zeigt:. Vor gut einem Jahr präsentierte die EU-Kommission die sogenannte MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets Regulation). Die Schlagrichtung der Europäer wirkt dabei nahezu antagonistisch zur amerikanischen Strategie. Der Ansatz ist defensiv, auf Kontrolle ausgerichtet und von einem tiefen Misstrauen gegenüber technologischer Disruption geprägt.

Der Regulierungsrahmen setzt äußerst restriktive Vorgaben für die Emission von Euro-Stablecoins und definiert Krypto-Assets primär als regulatorisches Risiko – nicht als strategische Infrastruktur, die Innovation, Effizienzgewinne und ein verbessertes Kundenerlebnis ermöglichen könnte. Das erklärt, weshalb sich im europäischen Bankensystem bislang kaum Bewegung erkennen lässt.

Offenkundiges Ziel ist es, die dominante Rolle der EZB bei der Euro-Emission zu schützen und zugleich den Weg für die Einführung eines digitalen Euro zu ebnen. Diese staatlich kontrollierte Lösung wurde inzwischen auf das Jahr 2029 verschoben. Das deutet darauf hin, dass es sowohl an technologischer Kompetenz als auch an einer strategischen Antwort auf den wachsenden Druck aus den USA mangelt.

Wie bereits in der Klima- und Industriepolitik igelt sich die Europäische Union auch hier zunehmend ein und erstickt Innovation durch Überregulierung. Der Innovationsdruck und der Erfolg der Blockchain-Technologie werden den politischen Druck auf den europäischen Gesetzgeber jedoch massiv erhöhen.

Es ist gut möglich, dass es gar nicht mehr zu einer erfolgreichen Einführung des digitalen Euro kommt, weil sich Kapital und Innovation systematisch aus einem repressiven Umfeld zurückziehen. Diese Bewegung dürfte sich beschleunigen, sobald in den USA der neue Rechtsrahmen steht und der praktische Beweis erbracht ist, dass die künftige Finanzwelt auf digitalen Schienen rollt.

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Kommentare ( 33 )

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33 Comments
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Sozia
9 Stunden her

Ein kleines Schmankerl von meiner Lieblings-KI dazu, was passieren kann, wenn man sein Haus gegen „Token“ tauscht: 1. Wie läuft das typischerweise ab (Tokenisierung eines Hauses)?Das Ehepaar lässt das Haus von einer Plattform (z. B. RealT, Propy, oder einer neuen US/EU-Firma) in Tokens umwandeln.Jeder Token repräsentiert einen Bruchteil des Eigentums (z. B. 1 Token = 0,001 % des Hauses).Das Paar bekommt die Tokens in eine Wallet (oder auf ein Depot-Konto bei der Plattform).Die Plattform verspricht: „Du kannst die Tokens handeln, verkaufen, beleihen – oder weiterhin im Haus wohnen bleiben, während du die Tokens hältst.“Das klingt super, aber: Die rechtliche Struktur… Mehr

Warte nicht auf bessre zeiten
14 Stunden her

Sicher alles sehr interessant. Wenn es auch verständlich geschrieben wäre, könnte sich auch der Laie ein Bild machen. Wenn ich also leider kaum etwas verstanden habe, so weiß ich aus Erfahrung doch: Wenn etwas weitgehend unkritisch und voller Begeisterung angepriesen wird, dann stimmt irgendetwas nicht. Auf jeden Fall hat man es dann selten mit Analyse zu tun, sondern eher mit PR oder blind-naivem Glauben.

Cato
14 Stunden her

Lieber Herr Kolbe, vielen Dank für Ihre Mühen. Leider bin ich, trotz bayerischem Einser-Abitur und Magna cum Laude Promotion nicht in der Lage Ihnen zu folgen. Vielleicht könnten Sie in einem Grundlagenaufsatz erst mal alle Definitionen und Wörter erklären und uns Fachfremde langsam anvisieren Thematik heranführen. Es ist sicherlich die Zukunft.Danke.

Okko tom Brok
14 Stunden her

Digitalgeld gibt es in verschiedenen „Geschmacksrichtungen“: Hier sollte viel stärker zwischen sog. Digital Currencies, Altcoins (liebevoll „Shitcoins“ genannt) und Bitcoin unterschieden werden: Während die ersten beiden Gruppen von einer zentralen Instanz gesteuert (und manipuliert) werden können, ist nur Bitcoin dezentral und damit deutlich weniger manipulierbar. Und nur Bitcoin ist – wie alle Edelmetalle – eine begrenzte Ressource und daher so begehrt.

Fieselschweif
17 Stunden her

Tokenisierung? Welch wunderbare Welt steht den Amis da ins Haus.
Token suggerieren Eigentum, sind aber nur schuldrechtliche Ansprüche. Wenn der Emittent ausfällt, bleibt vom Token nichts übrig. Und wenn der Herrscher über die Token meint, Herr Besseresser müsse aus Grund a oder b nur noch über einen Teil seines Vermögens verfügen, einen Teil als Gebühr/Steuer abgeben oder gar als Democrat/AfDler vollständig vom Aktienmarkt/Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden – kurz mal was programmiert und wirkt sofort, überall. Bei Token bekommt sogar Orwell glänzende Augen.

Übertrage mir die Verwaltung deines gesamten Vermögens und ich zeige dir was echte Macht ist.

Last edited 17 Stunden her by Fieselschweif
Okko tom Brok
14 Stunden her
Antworten an  Fieselschweif

Was Sie hier beschreiben, ist eine digitale Zentralbankwährung, was Fachleute wie Prof. Christian Riek spöttisch „Fürstengeld“ nennen: Geld, das vom Staat ausgegeben, umprogrammiert, reichweitenbegrenzt oder schlicht außer Kurs gesetzt werden kann. Mit Bitcoin hat das jedoch ganz und gar nichts zu tun!

peter keller
18 Stunden her

Die Rolle der Fed wird überhaupt nicht geändert und FIAT Geld wird weiterhin gedruckt. Stablecoins sind hier kein Ersatz sondern ermöglichen Dollar Trading ohne Banken; interessant für Leute in Entwicklungsländern bzw. wo Devisenhandelrestriktionen vorhanden sind. Das ist alles.

Christa Born
22 Stunden her

Ok, gut und schön. Ich habe in Mathematik promoviert, aber kein Wort von dem verstanden. Bin Ü70, die paar Jahre, die ich noch habe, werde ich ohne den Scheiß auskommen und weiter bar bezahlen bei meinem Bäcker und Gemüsehändler. Die freuen sich auch über Bares. Nur die Jungen tun mir leid.

Memphrite
1 Tag her

Die USA sind in ihrem Kapitaluniversum, das sie nach 1945 für die Westliche und das nach 1991 auf den Rest der Welt übergestülpt wurde, der König. Was aber komplett übersehen wird, ist das nach Trump 1, Biden und Trump 2.0 , wo der US-Dollar im großen Umfang als geopolitische Waffe eingesetzt wurde, sich ein anderes Kapitaluniversum entwickelt hat. Der US Dollar mag für die US Vassalen noch die „Welt“-Reservewährung sein, im neuen BRICS-Kapitaluniversum ist er es immer weniger. Ist dort nur ein notwendiges Übel. Russland und China benötigen den US-Dollar nicht in ihrem Handel. Die anderen BRICS auch immer weniger.… Mehr

Ron
1 Tag her

KISS – Keep It Simple Stupid. Das Kriterium für eine stabile Währung ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Regierung, der jeweiligen Handelspartner und auch der Wahrung des Bankgeheimnisses. Deshalb zählten einst DM, ATS und CHF zu den härtesten Währungen der Welt. Handschlagsqualität sozusagen. Was passierte seither? Der Euro wird durch gezielte Intervention der EZB gestützt, denn die „Stabilitätsvereinbarungen“ sind längst obsolet. Nicht nur wegen den „PIGS“. In den US sieht es nicht besser aus, wobei die Amis, zur Zeit wenigstens, nicht mehr ihre Industrie mutwillig zerstören, wie der „Wertewesten“, „UnsereDemokratie“ es gerade vor allem in D zelebriert. Dementsprechend wird… Mehr

BellaCiao
1 Tag her

Na ja, die sogenannten Stablecoins sind unter anderem auch mit Algorithmen „besichert“. Diese lösen bei ersten Wellen von Abverkäufen automatisierte, elektronische Kauf-Aufträge aus, um die Stablecoins zu stabilisieren. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie der Markt daran glaubt, dass die Käufe real sind. Sobald aber die Mehrheit der Marktteilnehmer verkauft, werden die Kurse weiter sinken, wie bei allen anderen Assets auch. Prof. Dr. Hans-Werner Sinn hat sich vor einigen Monaten dazu geäußert und die Frage gestellt: „Was, wenn die BitCoins (und andere Krypto-Assets) nur ein Schneeballsystem sind?“ Denn es wurde beobachtet, dass Kryptowährungen (zumindest aktuell noch) stark mit Schwankungen… Mehr