Streit-Bar: Wie viel Wannsee steckt in Potsdam?

Roland Tichy und Diether Dehm laden zu einem neuen Format ein: Die Streit-Bar. Zur Auftaktsendung begrüßen sie Ulrich Vosgerau und Alexander Wendt: War das von Correctiv aufgedeckte "Geheimtreffen" eine neue Wannsee-Konferenz oder doch ganz harmlos? Und: Haben neue Parteien eine Chance?

 

Roland Tichy und Diether Dehm laden zu einem neuen Format bei Tichys Einblick ein. Gemeinsam wollen sie die Brandmauer, das Schweigen zwischen den politischen Gruppen überwinden. Diether Dehm sei ein „in der Wolle gefärbter Roter, mit Vergesellschaftungsgelüsten, der aber auch den Mittelstand befreien will“, stellt Tichy seinen Co-Moderator vor. Dehm findet: Roland Tichy sei ein „Liberaler mit einem unbändigen Aufklärungsdurst“. Dass in Berlin neugewählt wird, verdanke man „seiner Energie beim Aufklären“.

„Die Überzeugung, dass die Wahrheit gegen den Strom schwimmt“, vereint die beiden Moderatoren. In dieser Woche wollen sie herausfinden: Wie viel Wannsee war in Potsdam? Die Plattform Correctiv will „Geheimtreffen“ zwischen Radikalen und Politikern aufgedeckt haben, bei dem die Ausweisung und Deportation von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund besprochen worden sei. Von Beginn an schlugen die Medien eine Brücke zur Wannseekonferenz, bei der hohe Beamte und Offiziere des Dritten Reiches die millionenfache, industrialisierte Ermordung der Juden Europas planten.

Ein ungeheuerlicher Vorwurf. Der Jurist Ulrich Vosgerau war bei dem Treffen dabei und wiederspricht dieser Darstellung vehement: Es sei ein Treffen eines „Freundes- und Bekanntenkreises“ gewesen, bei dem es auch ein Unterhaltungsprogramm in Form von Vorträgen gab. Ein solcher sei die Buchvorstellung Martin Sellners gewesen. Deportationen von deutschen Staatsbürgern oder auch deren Ausbürgerung seien nie im Gespräch gewesen. „Das können Sie unter Eid aussagen?“, will Dehm wissen. „Ja!“, beteuert Vosgerau.

Alexander Wendt ist Autor bei Tichys Einblick. Im Februar erscheint sein Buch „Verachtung nach unten“. Er kritisiert: Die Demonstrationen, die sich im Zuge der angeblichen Correctiv-Enthüllungen formiert haben, sind im großen Teil „gegen Rechts“ und nicht gegen rechtsextrem gerichtet. „Selbst wenn die AfD verschwände, ginge es gegen die anderen Parteien“, die „nicht ganz in die Richtung marschieren, die medial und gesellschaftlich vorgegeben wird“. BSW, Freie Wähler, WerteUnion und sogar die CDU werden dann zur neuen Zielscheibe.

„Eigentlich müsste sich Sahra Wagenknecht vor die AfD stellen“, sagt ihr Weggefährte Dieter Dehm und zitiert Pastor Niemöller: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Verbote unliebsamer Parteien vertrügen sich nicht mit der Demokratie. „Deutschland ist ein tolles Land, aber wir müssen seine Freiheit verteidigen.“ Wenn die AfD verboten wird, droht Ähnliches der WerteUnion, dem BSW und anderen Neugründungen.

Die Diskussion fängt bei der angeblichen Konferenz von Potsdam an, will aber auch klären: Ist in Deutschland überhaupt noch ein Politikwechsel möglich? Neue Parteien müssen sich in das System eingliedern, sonst droht ihnen die Brandmauer.


Das Buch von Alexander Wendt, „Verachtung nach unten“, ist im Tichys Einblick Shop vorbestellbar:

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Kommentare ( 45 )

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45 Comments
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Rene Meyer
10 Monate her

„Die Überzeugung, dass die Wahrheit gegen den Strom schwimmt“ Das ist mal ein Ausdruck! Er sagt, dass der Strom nur aus lauter Lügen besteht, so dann auch der gesamte „Mainstream“. So weit würde ich nicht gehen, kann den Ausdruck aber guten Gewissens stehen lassen, denn er stellt das Wesentliche heraus: wir sind umzingelt von Lügen. Wenn wir aber herauskommen wollen aus dem ganzen Schlamassel, dann müssen wir den wahren Kern auch jedes einzelnen Themas im Mainstream erkennen und einen guten, aufrichtigen Umgang damit finden. Davon sind wir aber, vor allem wegen der Gewalt der Lügen und der Lügner, weit entfernt.… Mehr

Gerro Medicus
10 Monate her

Stellen wir doch mal die Fakten gegenüber:

Wannsee-Konferenz / Potsdam-Treffen
Ausschließlich NSDAP-Mitglieder / Vertreter verschiedener Parteien und Privatleute
Entscheidungsträger mit Machtbefugnis / keine Entscheidungsträger und ohne Machtbefugnis
Ziel: Vernichtung einer Bevölkerungsgruppe / Ziel: Abschiebung illegaler und straffälliger Ausländer gemäß geltenden Gesetzen in ihre Heimatländer
Auswahl nach „Rasse“ und Religion / Auswahl nach Aufenthaltsstatus (illegal hier oder ausreisepflichtig) und Strafregister
Aktionsplan verabschiedet / Keinerlei planerische Aktivität
Völkerrechtswidrig / Völkerrechtskonform
Leider reagiert der Durchschnittsdeutsche offenbar wie ein Pawlowscher Hund auf die Triggerbegriffe „rechts“, „Nazi“, Rassist, Antisemit etc. 75 Jahre Hirnwäsche haben halt ihre Spuren hinterlassen. Das haben die Linken wirklich „gut“ gemacht.

Last edited 10 Monate her by Gerro Medicus
Verstand
10 Monate her

Sei ein Mensch, habe Angst, denn Angst ist menschlich und nicht rechts. Angst vor dem, was sich immer deutlicher zusammen braut und im Alltag zeigt.
Demokratie heißt: Freiheit der Andersdenkenden, Diktatur heißt: das „richtige“ durchsetzen. Warum wird das von bestimmten Gruppen verwechselt? Wird das heute so in Schule und Uni gelehrt?
Man stelle sich vor Rusland, China, Ungarn …. würden die Oposition verbieten wollen, was gäbe es für ein Geschrei! Aber im eigenen Land herrschen andere Gesetzen. Die Diktatur der „Guten“ ist auch eine Diktatur.

pantau
10 Monate her

Erstklassige Runde! Vielleicht wäre sie noch steigerbar durch Antibrandmauer-Gäste von der afd. Schön fänd ich auch einen gut moderierten Dialog zwischen Frau Weidel und Herr Maaßen oder Frau Wagenknecht. Dann könnte Herr Maaßen oder Frau Wagenknecht beweisen, dass sie nicht nur Toleranz fordern können, sondern auch üben! Schön auch, Herr Wendt mal wieder zu erleben. Habe ihn sehr auf seinem blog publico schätzen gelernt. Bewundernsweit, wie Wendt und Vosgerau druckreif formulieren, man merkt ihnen an, dass sie auf eigenständiges Denken zurückgreifen. Und dabei sind sie „nur“ sachlich. Aber so ist es wohl in ideologisch tiefenpervertierten Zeiten: da wird Sachlichkeit zu… Mehr

Brillenputzer
10 Monate her

Schöne neue und gute Sendung.
Die Auswahl der Gäste war zwar gut, aber zu wenig kontrovers.
Zu einem „Streit“ gehört für mich etwas mehr.
Die Moderatoren waren wenig von einander entfernt. Das lag vielleicht am Thema?
Ich wünsche mir mehr „Diversität“ bei der Auswahl der Gäste damit der Name „Streit-Bar“ nicht nur ein Titel bleibt.
Schade dass so etwas nicht „mehr“ bei ARD/ZDF laufen kann…

Frank Gausmann
10 Monate her

Interessantes, neues Format; inspirierende Gesprächsrunde. Ich hoffe, dass es mit ähnlich vernunftorientierten und analytisch befähigten Gästen weitergeht!

Naivling
10 Monate her

Große Hochachtung vor Herrn Dehm, weil er Bonhoeffer zitiert hat. Er weiß also, worum es geht und scheut sich nicht, für die bürgerlichen Freiheiten einzustehen. Bei den Linken war es bisher so, daß sie lautstark für demokratische Rechte einstanden (z.B. die DKP der 70er und 80er Jahre setzte sich explizit für die Verfassung ein), um, wenn sie an der Macht sind, nichts mehr davon zu wissen. Vielleicht hat Herr Dehm hier einen Bewußtseinsprozeß vollzogen, wenn er öffentlich für die demokratischen Rechte jeder Partei (auch der rechten) eintritt. Nochmals: dreimal chapeau! Das ist echter Verfassungspatriotismus. Er hat außerdem leichte Kritik an… Mehr

AndreasH
10 Monate her

Diese Diskussionsrunde ist Balsam für die Seele rational denkender Menschen.

ralf12
10 Monate her

Klasse Format, interessante Diskussion. Das die Correctiv Story ein abgekartetes Spiel der Regierung war, um von Bauernprotesten abzulenken, war mir klar. Leider hat sie funktioniert. Deutschlandweit sind 100 Tausende auf die Straße gegangen und haben sich von denen hinters Licht führen lassen. Die haben gar nicht mitbekommen, dass an dieser angegblichen Geheimkonferenz nichts geheim war und niemals eine Deportation beschlossen wurde. Am 31.1. gab es von Alice Weidel eine Rede im Bundestag. Sie stellte klar, dass die Regierung Deutschland haßt. Selbst da brüllte ein SPD- Bonze dazwischen „was ist mit Potsdam?“ Es hat gewirkt, Otto Normalo sieht jetzt die AfD… Mehr

rainer erich
10 Monate her

Eine der nur vordergründig formalen Fragen wird sein, wer hier in den naechsten Folgen eingeladen wird. Gern Dehm wuerde ich trotz allem dem Politfeld zuordnen. Wie haelt man es mit den Rechtskonservativen, womoeglich sogar mit der Neuen Rechten? Es gibt hierzulande, nachvollziehbarerweise wenig Rechtsintellektuelle oder zumindest solche, die sich aus gutem Grund entsprechend aeussern, aber ein paar, auch literarisch „auffaellige „fallen einem durchaus ein und natuerlich gibt es auch die AfD, falls Herr Dehm einen Gegenpart brauchen sollte. Das Problem bei bestimmten Eingeladenen koennte natuerlich darin liegen, dass sie ueber den womoeglich sogar geteilten Befund hinaus an die Ursachen gehen.… Mehr