Sendeanstalten und Sendungsbewusstsein

Eine Direktion, die den Anspruch erhebt, ein „Welt-Programm“ zu gestalten und sich damit heillos verzettelt; dazu die Handwerker des DW-Programms, die verlernt haben oder nicht wissen, wie man fesselnde und für Junge attraktive Filme macht. Oje.

Screenshot DW

Auf der Mattscheibe in allen Urlaubsländern dürfen sie nicht fehlen: die  „Touristenprogramme“: in fast jeder Ecke der Welt zu empfangen, über Kurzwelle, Kabel, Satellitenfernsehen und Internet. Dem Selbstverständnis oder „mission statement“ nach verfolgen sie lauter lautere journalistische Ziele, z.B. möglichst viele Menschen rund um den Globus zu den unterschiedlichsten Themen mit klarer und wahrer Bildung und Information zu versorgen.

Gerne wird erwähnt, dass nebenbei die im Ausland lebenden eigenen Bürger über ihre Heimat auf dem Laufenden  gehalten und Übungsmöglichkeiten für Sprachlernende geschaffen werden. Ersteres war früher der zentrale Auftrag der 1953 eigens mit einem „Gesetz zur“ aus der Taufe gehobenen „Deutschen Welle“. Die Anstalt des Öffentlichen Rechts wirbt besonders explizit in der englischsprachigen Version damit, so ziemlich alle erdenklichen heeren Absichten zu verfolgen, immer mit einem markigen „Wir“ vorneweg.

Man will die Demokratie stärken, Unterdrückten die Frohe Botschaft der Freiheit verkünden, man sei Sprachrohr für Deutschland, aber auch für Europa, außerdem möchte man den deutschen Ruf in der Welt verbessern, Kulturelles präsentieren und Unwissende bilden. Da wird einem schwummrig, wenn ein Anbieter mit soviel journalistischem Elan und moralischem Anspruch daherkommt. Nun hat es in der Vergangenheit einige Diskussionen über die Daseinsberechtigung (Jahresetat  um die 300 Mio Euro)  der Deutschen Welle gegeben, die als Informationsquelle für die urspüngliche Klientel in der Deutschen Diaspora durch die neuen Medien immer entbehrlicher wird.

Der berechtigte Einwand wurde erhoben, dass man ja in Deutschland schon viele Öffentlich-Rechtlichen Programme finanziere (von denen DW nicht wenige übernimmt) und sich der Sinn für ein solches Auslandsprogramm daher nicht erschließe. Dem kann man entgegenhalten, dass solche Ausstrahlungen sehr wohl Sinn machen, wenn man sich die vergleichbaren Sender unserer Partner aus Europa und Übersee ansieht. Unter dem  Aushängeschild des Feuilletons kann man mit diesen Ausstrahlungen in der Fremde Werbung in eigener Sache machen und seine Reputation, wenn man es nötig hat, aufpolieren. Der neudeutsche Begriff hierfür wäre „Public Diplomacy“.

Erfolgreich: BBC und TV5

Die Briten betreiben seit Anfang der Dreißiger Jahre mit der BBC den wohl bekanntesten und renommiertesten Auslandssender der Welt, eine glänzende Ikone des unabhängigen Journalismus, die jedoch zuletzt durch den Jimmy Savile-Skandal auch ein paar Beulen abbekommen hat. Sie verschreibt sich in Kurzform dem Motto: „To enrich people’s lives with programmes and services that inform, educate and entertain“ und gelobt eine unparteiische, unabhängige, ehrliche Berichterstattung. Das ist selbstverständlich ein understatement, denn niemand wird leugnen, dass dabei die „British Perspective“ nie aus dem Blick gerät und zuallererst über die Vorzüge des Vereinigten Königreiches, seine Errungenschaften und die glorreichen Aspekte seiner Geschichte berichtet wird.

Ähnliches lässt sich zum Auslandsprogramm der Franzosen sagen, die mit  TV5 Monde seit den späten Achtzigern zusammen mit 4 weiteren frankophonen Ländern ein eigenes, auf die Bewahrung der französischen Sprache ausgerichtetes Auslandsprogramm produzieren. Es werden viele Kurzfilme aus französischer Produktion gezeigt, daneben aber besonders Reportagen und Berichte die darauf angelegt sind, dem Betrachter das Bild starker, leistungsfähiger und dynamischer Gesellschaften im westlichen französischen Sprachraum zu vermitteln.

Erwähnenswert sind kürzlich ausgestrahlte, geradezu euphorisch präsentierte Geschichtsserien zu den französischen Königshäusern mit prunkvollen Bildern, Reportagen über Hightech in den nordfranzösischen Werften und eine brilliant gemachte Serie über modernes Bauen mit eindrucksvoll inszenierten Streifen aus den Wohnungen mit stolzen Hausherren und Architekten. Überhaupt verwenden die Franzosen, und nicht nur sie, viel Mühe auf die Darstellung der in den Reportagen erscheinenden Personen. Auch wenn sie abseits der Handlung nur Nebenrollen innehaben, so legt der Filmemacher immer auch grossen Wert darauf, deren Haltung, Erscheinungsbild und Auftreten ins beste Licht zu setzen. Es geht hier nicht nur um eine gut erzählte Geschichte, sondern auch um die Darstellung von Figuren, die eindrucksvoll positiv beim Betrachter ankommen und ihm im Gedächtnis bleiben sollen. Das wird bei den (neben CNN) wichtigsten nordamerikanischen Auslandssendern deutlich, die aber beide nicht als solche daherkommen und das auch nicht nötig haben.

Die Zielstrebigkeit, mit der sich der „Discovery Channel“ und „National Geographic“  in den letzten Jahren als wohl erfolgreichste und meistgesehene Auslandssender etabliert haben, ist erstaunlich. Dahinter stecken viel Professionalität (Schnitt, Maske und Bühnentechnik sind fast fehlerlos) ein Gespür für die richtige story und die entsprechende Nachbereitung und Verfügbarkeit der Inhalte im Internet. Es werden bis ins Detail ausgefeilte, fesselnde Geschichten (Reality TV) erzählt, die den Zuseher wegen ihrer scheinbaren Authentizität, der mit geschickten Schnitten aufgebauten Spannung und den obskuren Themen immer wieder neu faszinieren. Ob in der Arktis, auf oder unter den Ozeanen, im Dschungel, der Werkstatt, auf fremden Eilanden oder im Polizeiauto, immer sind  attraktive, bärbeissige Englischmuttersprachler dabei, irgendwie die Welt zu retten. Einzig der Hang zu weniger Bekleidung in einigen der Shows lässt vermuten, dass dieser kulturellen Aushängelokomotive der Dampf langsam ausgehen könnte.

Langweilige DW

Betrachten wir kurz das, was unsere Deutsche Welle dagegen setzt. Eine Reportage von einem Seenotrettungsboot in der Nordsee lässt hoffen, bevor der Auftritt des mittfünfziger Kapitäns mit Bauchansatz die halbherzig aufgebaute Spannung wieder in sich zusammenfallen lässt. Eine Praktikantin, mit der der Chef zotige Albernheiten reisst, kann die Sendung nicht retten. Der Finger geht endgültig zum Programmwechselknopf, als die Crew zu einem „Notfall“ ausläuft, der sich als im Wasser treibende Tonne entpuppt. Ganz ähnlich entwickelt sich eine Reportage, in der DW einen Teenager begleitet, der auf der Suche nach dem richtigen Beruf bei einem Huf- und Kunstschmied ein Praktikum macht. Die Ausbildungsstätte und der Ausbilder sind einigermassen pittoresk, der Meister streng, die Arbeit hart. Die Funken fliegen, es gibt Streit, bis dahin alles, wenn auch nicht auf wahnsinnig attraktivem, aber doch brauchbarem Niveau. Dann kommt der Moment, in dem die US-Regie alles anders gemacht hätte: der Junge geht nicht mit fliegenden Fahnen durchs Ziel und wird der beste seines Schmiede-Jahrgangs, sondern er resigniert, geht enttäuscht über einen verregneten mecklenburgischen Radweg ins Off.

Das, liebe Deutsche Welle, ist der Grund, warum ihr nur etwas über 200.000 „likes“ habt, obwohl ihr behauptet, 90 Millionen Menschen zu erreichen, und der Discovery Channel 37 Millionen. TV5 Monde hat übrigens über 2 Millionen, der niederländische bvn (Beste von den Niederlanden) immer noch stolze 23.000. Neben einer Direktion, die scheinbar den Anspruch erhebt, ein „Welt-Programm“ zu gestalten und dabei bloss niemanden zu vergessen, sich damit aber heillos verzettelt, haben die Handwerker des DW-Programms eines verlernt oder wollen es nicht wissen : wie man fesselnde und besonders für junge Leute attraktive Filme macht. Ist das wirklich so schwer ? Gibt es keine Privatsender in Deutschland, von denen man etwas abkupfern könnte ?

Es muss ja nicht das Pathos z.B. des chinesischen Staatsfernsehens sein, das gerne schnulzige Geschichtsdramen vor flatternden Fahnen mit patriotischen Hymnen ausstrahlt, aber eben bitte auch nicht diese altbackene Provinzialität, bei der das Leben ums Verrecken immer genauso dröge dargestellt wird, wie es – Hachjaa – ist. Offene, biedere Ehrlichkeit ist sympathisch und vielleicht in Deutschland (genauso wie Höchstleistung und Können) vorherrschend, aber todsterbenslangweilig. Wenn man die erste Adresse eines Landes sein möchte, das für leistungsstarke und anspruchsvolle Menschen attraktiv sein soll, dann muss man sich zumindest ab und zu den Superheldenumhang überwerfen.

Emil Kohleofen ist freier Publizist.

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