Selenskyj fordert von Deutschland eine „Führungsrolle“

Caren Miosga hat in ihrer zweiten Sendung Wolodymyr Selenskyj interviewt. Der fordert von Deutschland eine „Führungsrolle“ und warnt vor einem Dritten Weltkrieg, wenn Deutschland die Ukraine nicht weiter – und noch mehr – unterstützt.

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Miosga ist in die Ukraine gereist, um Wolodymyr Selenskyj zu fragen, ob die Ukraine den Krieg noch gewinnen könne und welche Rolle Deutschland dabei spiele. Der ukrainische Präsident äußert seinen Dank, dass westliche Journalisten „die Wahrheit in die Welt tragen“. Die „Wahrheit“, die er mittels dieses Gesprächs mit Miosga in die Welt zu tragen versucht: „Putin ist nicht nur ein Name, sondern eine Bedrohung – nicht nur für die Ukraine.“ Er könne nicht sagen, welches Nato-Land Wladimir Putin als erstes angreifen werde, aber es werde geschehen. Und dann gebe es einen Dritten Weltkrieg, sagt er. Manchmal liegen Wahrheit, Warnung und Drohung nah beieinander.

Einer der Gründe für seine „Warnung“: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) weigert sich, einige Waffen an die Ukraine zu liefern, weil er genügend Mittel behalten möchte, um Deutschland verteidigen zu können. „Wir können nicht alles liefern“, sagte er jüngst. Selenskyj sagt allerdings, dass Pistorius seine Waffen im Falle eines Angriffs von Russland nichts mehr nützen würden, und meint damit, dass dann ein Atomkrieg ausbräche.

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Über das aufgezeichnete Interview mit Selenskyj spricht Miosga im Live-Gespräch unter anderem mit der Osteuropa-Expertin Sabine Fischer. Die berichtet davon, wie die Ukraine im Zuge der anfänglichen Kriegspropaganda mit einer „Nukleardrohung“ gespielt habe. Dass Selenskyj mit genau diesem Mittel weiterhin arbeitet, erwähnt sie dabei nicht. Allerdings hält sie Selenskyjs Warnungen entgegen, dass Russland in den letzten zwei Jahren nicht Richtung Westen eskaliert sei.

Selenskyj hingegen glaubt, dass Deutschland in Gefahr sei. Und er glaubt, dass Olaf Scholz nun ebenfalls einsehe, dass das deutsche Volk bedroht ist. Scholz und Selenskyj sind derzeit offenbar auf dem Weg, enge Freunde zu werden: Selenskyj bezeichnet „Olaf“ – wie er den deutschen Kanzler nennt – als „Leader“. Die Schritte, die Scholz gehe, seien „die Schritte eines Leaders“, sagt er mit freundlichem Lächeln. Deshalb sei er auch nicht von Scholz persönlich enttäuscht, sondern von der deutschen Politik insgesamt: Deutschland als „starkes Land“ hätte mehr gegen den Angriffskrieg Russlands tun müssen, meint er. Er wünscht sich eine „Führungsrolle“ von Deutschland. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil findet ebenfalls, dass Deutschland eine „Führungsrolle“ einnehmen solle, aber er sagt auch, dass Deutschland bereits viel tue: Immerhin sei Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant an die Ukraine. Außerdem seien für den diesjährigen Haushalt der Bundesrepublik 7,5 Milliarden Euro militärische Hilfe für die Ukraine angedacht.

Aber all die Waffen und Milliarden scheinen nichts wert zu sein, wenn Deutschland nicht zusätzlich „Taurus-Waffensysteme“ liefert: Der Taurus ist ein unbemannter militärischer Lenkflugkörper, der durch gegnerisches Gebiet fliegen und hinter der Front Schaden anrichten kann. Laut dem Leiter des ARD-Studios in Kiew, Vassili Golod, würde diese Waffe helfen, die russische Logistik zu zerstören und Russland somit zu schwächen. Klingbeil macht darauf aufmerksam, dass bezüglich des Taurus ähnlich argumentiert werde wie im letzten Jahr über die Leopard-Zwei-Panzer: Er finde es nicht richtig, jedes einzelne Waffensystem als „Game-Changer“ für den Krieg in der Ukraine darzustellen. Golod nutzt die Propaganda-Schleuder: Bei dem Krieg handele es sich um kein „Game“, deshalb kann der Taurus auch kein „Game-Changer“ sein.

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Golod sagt zudem, dass zu einem Krieg nicht nur die Front gehöre, sondern auch Logistiker, Fahrer und Mechaniker. Damit unterstützt er Selenskyj, der die ukrainischen Männer im wehrpflichtigen Alter, die geflüchtet sind, auffordert, zurück in die Ukraine zu kommen: um zu arbeiten und die Ukraine somit wieder aufzubauen. Nicht, um an die Front zu gehen, denn die Ukraine habe eine „millionenstarke Armee“ und entsprechend keinen Personalmangel, behauptet er im Gespräch mit Miosga. Selenskyj findet es gerecht, dass diese Ukrainer zurück in die Ukraine kommen, dort arbeiten und Steuern zahlen: Dass sie die Ukraine verlassen haben, sei rechtswidrig gewesen, sagt er.

Golod fordert aber auch Gerechtigkeit von Selenskyj: Immerhin seien einige ukrainische Soldaten seit mittlerweile 700 Tagen pausenlos an der Front. Manche Frauen auf dem Maidan demonstrieren laut Golod und fordern Front-Urlaub für ihre Männer. Denn würden die Soldaten die Schützengräben einfach verlassen, dann drohe ihnen eine Freiheitsstrafe. Letzteres wird von der Gesprächsrunde so stehengelassen, während Fischer betont, dass die Ukrainer die Möglichkeit haben zu demonstrieren, weil sie in einer Demokratie leben. Die russischen Soldaten seien ebenfalls kriegsmüde, so Fischer, aber sie würden es schwerer haben, dies auszudrücken. Eine Art und Weise, wie einige Russen ihre Kriegsmüdigkeit zeigen, ist laut Fischer, dass sie den russischen Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin mit ihrer Unterschrift unterstützen. Wenn der selbsterklärte Kriegsgegner 105.000 Unterschriften zusammenbekommt, könnte er zur Präsidentschaftswahl zugelassen werden, wie der Tagesspiegel berichtet.

Ebenfalls wird der Präsidentschaftskandidat aus den USA, Donald Trump, zum Thema an diesem Abend: Selenskyj ist der Meinung, dass nicht nur die Demokraten, sondern auch die Republikaner die Ukraine unterstützten. Er sei außerdem offen für Trumps Vorschläge: Wenn Trumps Plan, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, tatsächlich funktioniere und Frieden bringe, dann sei Selenskyj ein „sehr glücklicher Präsident“. Sollten die USA allerdings ausfallen, wenn Trump Präsident wird, hoffe er auf eine „Führungsrolle“ Deutschlands. Sein Freund Scholz hat allerdings andere Vorstellungen: Ganz nach dem Motto von Helmut Schmidt möchte er, dass Deutschland eine „Mittelmacht“ bleibt.

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Kommentare ( 61 )

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Magdalena
3 Monate her

Deutschland hat die „Führungsrolle“ doch längst übernommen…Und zwar die Führungsrolle im Dienen. Ganz so wie Habeck das vor fast genau zwei Jahren seinen Herren in Washington gegenüber geäußert hat. Und auch Selenski macht doch gewiss keinen Rülpser, ohne die USA um Erlaubnis zu fragen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass sowohl das Geschwurbel (von wegen „Olaf der Leader“) als auch die kaum verhohlenen Drohungen des ukrainischen „Heros“ und „Kämpfers für die westlichen Werte“ dem Drehbuch aus der Deep-State-Werkstatt in Washington stammen.

Rene 1962
3 Monate her

Was ist denn wenn Russland mal richtig Raketen bis nach Kiew schickt?
Bisher spielt sich der Krieg in der Südostukraine ab.

Last edited 3 Monate her by Rene 1962
Montgelas
3 Monate her

Führungsrolle? Haben wir schon, die Politik der Ampel führt direkt ins Verderben!

Haba Orwell
3 Monate her

> Nicht, um an die Front zu gehen, denn die Ukraine habe eine „millionenstarke Armee“ und entsprechend keinen Personalmangel, behauptet er im Gespräch mit Miosga.

Wieso gibt es dann regelrechte Razzien nach Wehrpflichtigen auf den Straßen?

In Deutschland wurden einige Teile herausgeschnitten, die Ukro-Glotze brachte wie die Forderung, die Sozialhilfe für die Ukros doch besser gleich nach Kiew zu überweisen. Angeblich soll die Mediathek die volle Version anbieten.

Adorfer
3 Monate her

Führungsrolle? Der Wahnsinn wird immer ekliger. Da hatte ich wengistens die Hoffnung wir können die Flak-Dummermann nach Kiew zur Truppe wegloben. Pustekuchen.
Sie will sich noch eine Million in Brüssel genehmigen. Schade.

Thomas
3 Monate her

Ich habe bisher noch keinen einzigen Grund gehört warum Russland Deutschland angreifen (oder sogar besetzen?) wollte. Ausser einen Präventivschlag gegen US Basen/Raketen in Deutschland. Faktisch kämpft Russland in der Ukraine gegen Nato und trotzdem Russland gewinnt kostet Russland die SMO in der Ukraine schon sehr grosse Anstrengungen und Opfer. Was ich denke ist, daß Russland versuchen würde, bekäme es die Gelegenheit, Deutschland und Europa in seine Einflusssphäre zu bringen (so wie es der Westen mit Weissrussland, Ukraine und Russland auch versucht). In der Aussen- und Geopolitik gibt es keine Guten und keine Bösen. Es gibt nur Interessen. Das Narrativ Selensky… Mehr

Last edited 3 Monate her by Thomas
pcn
3 Monate her

Dieser Kriegsrhetorik ist einfach intellektuell schon deswegen unterirdisch, weil Putin niemals einen Atomkrieg riskieren wird, da es keinen Gewinner geben wird. Putin hält die Tür der diplomatischen Lösung des Kriegs in der Ukraine weit offen. Zu Deutschland hat er eine besondere Beziehung, die er (mal wieder) mit einem Angebot wieder zu uns Gas zu liefern unter Beweis gestellt hat, nachdem Biden uns 2025 den Gashahn zudrehen möchte. Berechtigte Hoffnung besteht zu einer Politikänderung auch in Deutschland, wenn Donald Trump Präsident in den USA wird, und die Vernunftresistenten der deutschen Politnomenklatura zu Vernunft gezwungen werden. Es wird Zeit, dass die AfD… Mehr

Last edited 3 Monate her by pcn
Ananda
3 Monate her

Mit welcher Selbstverständlichkeit uns Selenskij in einen (3.Welt) Krieg hinein ziehen möchte macht Angst. Noch mehr Angst machen mir unsere Pseudo „Politiker“, die das auch noch mitmachen könnten.
Mit den Taurus Raketen kann Selenskij dann das 500 km entfernte Moskau beschießen. Den Wunsch hat er ja bereits mehrfach geäußert.
DANN stehen die Chancen wirklich „gut“, dass Putin das „wir liefern Waffen, sind aber keine Kriegspartei“ Theater der Deutschen mit mehr als nur „feindlich gesinnt“ bewertet.
Dann kracht es wahrscheinlich.

Haba Orwell
3 Monate her

Die waren schon immer extrem unverschämt. Ich erinnere mich noch, wie Melnyk sich wie ein schlecht gelaunter Statthalter aufführte. Nicht einmal seine Abberufung ging von Deutschland aus – seine Bandera-Begeisterung hat Polen aufgebracht.

gmccar
3 Monate her

Ich wolle, sie täten es erfolgreich und würden die Ampel nebst Schwarz abschalten. Ein Ausflug nach Workuta für den Tross wie Graichen, EU-Freund/Grüne, diverse Aufpasser-Staatssekretäre und vorwitzige Mitläufer wäre dann gewiss.