Maybrit Illner: Ein Provinz-Zirkus ohne Löwen und Clowns

"Hereinspaziert, hereinspaziert! Hier sehen Sie garantiert zum allerersten Mal alle Gruseligkeiten zum Brexit. So haben Sie das noch nie gesehen, Herrschaften! Hereinspaziert ...

Screenshot ZDF Mediathek

Wir präsentieren Ede, den Untoten der CSU, die biegsame Wortakrobatin Sahra mit den vielen Geschichten und der einen These, sowie eines der seltenen Exemplare der fast ausgestorbenen FDP. Wer hier nicht dabei ist, ist selber schuld!

Natürlich wurden wir wieder hereingelegt! Wer nicht schon nach einer halben Stunde weggedämmert ist, hat folgendes verpasst: Auch Maybrit Illner wollte im Rahmen hundertprozentiger Planerfüllung das offenbar noch vor ihrem Sommerurlaub angesetzte Thema „Planlos nach dem Brexit – Wie weiter in Europa?“ abfahren, und noch einmal deutlich machen, was auch sie von den doofen Briten und dem Brexit hält – nämlich gar nichts.

Jetzt haben die Engländer also ihren „Mayday“, kalauerte sie (Theresa May, Sie verstehen? hahaha), dann hatte ihre Redaktion doch tatsächlich herausgefunden, dass die Brexit-Fraktion ganz viel gelogen hat. Etwa, weil die Briten nicht 350 Millionen Pfund pro Woche nach Brüssel überweisen, sondern nur 180 Millionen. Nur! Wo das ZDF die Zahlen her hat, wurde nicht gesagt, das lassen wir mal so stehen, glauben tun wir es nicht. Dann „überlegt“ Vodafone, seine Zentrale aus GB abzuziehen.

Also auch zwei Wochen nach dem Brexit ist nichts klar. Und um den sachlichen Teil hiermit zu schließen und endlich mit dem Unterhaltungsprogramm beginnen zu können, sei Stephan Eilers von der Wirtschaftskanzlei Freshfields dramaturgisch vorgezogen mit seinen Worten: „Das Licht in London geht nicht aus.“ Die Sache sei halt ärgerlich wegen der fehlenden Planungssicherheit für Unternehmen. Entscheidungen zu treffen sei derzeit schwierig. Nett seine Zustandsbeschreibung, der Brexit sei „wie eine Scheidung ohne Scheidungsrecht und Richter.“

Ansonsten spielte Illner die launige, erfahrene Dompteuse, nur leider ohne Löwen. Stattdessen saß Edmund Stoiber da, der mit zunehmendem Alter immer sympathischer wird. Hängen blieb, dass die Eliten das Volk in ganz Europa zurückgelassen haben, und dass man das schleunigst ändern muss. Gerne auch mit Referenden. „Wir in Bayern“, sagte er zu Recht, „haben eine parlamentarische Demokratie plus Referenden, bei Themen, die dem Bürger besonders wichtig sind“.

Der Volksmund weiß: Keine Feier ohne Meyer und jeder Talk ist schlecht, ohne Sahra Wagenknecht. Die wartete brav, bis sie schließlich ihr Arsenal abfeuern konnte: Schäuble, rück die Kohle raus! Frisches für alle, außer für die Banken, die kranken. Ihre ganz große Stunde wird ja demnächst kommen, wenn es wieder heißt: Nach den Griechenland-Trillionen erfordert die Lösung der Italien-Krise wohl Fantastillionen.

Warum saß Annegret Kramp-Karrenbauer in der Runde? Hier gibt es einige Theorien. Sie ist eine Frau. In der CDU. Auf Merkel-Kurs. Gewählte Ministerpräsidentin des Saarlands, das direkt an Frankreich angrenzt. Sie hatte ein paar Anekdoten zum kleinen Grenzverkehr, die aber unseren Erzählrahmen sprengen würden.

Sie dachten, dass die FDP nur noch eine Randnotiz der deutschen Geschichte ist? Dass es die eigentlich gar nicht mehr gibt? Falsch! Der Beweis ist Alexander Graf Lambsdorff, seines Zeichens eher zurückhaltender Vize von EU-Poltergeist Schulz. Er bestätigte die ZDF-„Lügen“-These der Brexiter, allerdings ohne Belege, und sagte noch, dass die „deutschen Landesgrenzen jetzt die griechischen Inseln“ seien. Und Mallorca. Und die Kanarischen Inseln, möchten wir hinzufügen. Wie schön.

Dann hatte die Redaktion Sabrina Huck ausgegraben als Beweis, dass die jungen Briten alle pro EU waren, und nur die verkalkten und schrecklich unmodernen Opas und Omas austreten wollten. Fräulein Huck, 26, ist allerdings Deutsche, engagiert bei „Young Labour“ und weiß nicht, ob sie in ein paar Jahren rausgeschmissen wird. Die zweite Fraktion wurde wieder mal von Anna Firth, der Brexit-Lady der Torys, vertreten, zugeschaltet und frei übersetzt. Sehr frei, denn die Übersetzerin weigerte sich zu berichten, dass Britannien nun 10 Milliarden Euro pro Jahr einsparen kann. Sie blieb bei 10 Millionen.

Die Sendung war so vorhersehbar wie ein Sonnenschein in Spanien und so spannend wie Regen in Großbritannien.

Aber wir wollen zwei Politikwissenschaftler nicht unterschlagen, die verschiedener nicht sein können. Ulrike Guerot, die, wie Illner einleitend bemerkte, das europäische Werden „mit Eifer und Herz“ begleitet. Kein Wunder, müssen wir hinzufügen, denn die EU bezahlt ihr Wirken mehr als fürstlich. Denkfabrik „European Democracy Lab“ nennt sich das, wo die Professorin mit einer Begeisterung wirkt, wie man sie früher nur vom Fanclub Michael Jackson kannte. Ihr Michael heißt Schulz und wie er will sie eigentlich alle europäischen Staaten abschaffen. Wie bei Cicero, rief sie aus, haben alle im neuen Reich die gleichen Rechte, Renten, Flüchtlinge, Schulden, Urlaubstage undundund. Was sie bei ihren Studien wohl übersah: Im Römischen Reich sprach „man“ eine Sprache (Latein) und der Bürger in Gallien hatte so wenig Einfluss auf den Senat wie der aus Thrakien oder Germanien.

„Eine Utopie“ befand denn auch Professor Herfried Münkler mit sanfter Stimme. Er beschreibt die nahe Zukunft der EU anhand eines Bildes von Kreisen, Ellipsen und einem Zentrum. In der Mitte hockt Merkel und die Kreise und Elipsen stehen für bi- und trilaterale Einigungsprozesse. Schönes Bild.

Aufmerksame politische Beobachter werden fragen: Wo bleibt die SPD, die große deutsche Forderungspartei? Da alle Leitungsmitglieder mit dem Aufspüren von Hasspostings bei Facebook beschäftigt waren, mussten wir uns mit einem älteren Einspieler begnügen: Sigmar Gabriel, unter Bäumen in Szene gesetzt wie ein US-Präsident vor seiner Sommerresidenz, forderte irgendetwas, was wir aber leider schon wieder vergessen haben. Was egal ist, er fordert es morgen bestimmt nochmal.

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