Kurz, Strache, Kern – Österreich wählt

Gemessen an dem, was die Kandidaten zum Thema Einwanderung sagten, könnten alle außer Frau Lunacek von den Grünen miteinander koalieren. Nicht einmal sie widerspricht den Plänen der anderen ernsthaft.

© Georg Hochmuth/AFP/Getty Images

Gestern Abend in ORF die Schlussrunde der Spitzenkandidaten der derzeitigen Parlamentsparteien: Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Ulrike Lunacek (Grüne) und Matthias Strolz (Neos). Nicht dabei, weil der ORF so ist wie ARD und ZDF, Peter Pilz, der die Grünen verlassen hat und mit seiner eigenen Liste kandidiert. Pilz kommentiert die „Elefantenrunde“ pfiffig live zusammen mit Hellin Jankowski auf Die Presse online.

Verloren hat die Elefantenrunde der ORF. So spannend die Einzelduelle jede(r) gegen jede(n) auf ProSiebenSat.1 PULS 4 waren, so gähnend langweilig diese Elefantenrunde auf ORF. Es liegt weniger an den Kandidaten als am Sender. Dass der ORF sich für die eigentliche Attraktion hält und nicht die Kandidaten, zelebrierten seine Moderatoren Claudia Reiterer und Tarek Leitner zum Schluss mit Eigenlob, eine sachliche Runde moderiert zu haben. Ja, sachlich ging’s zu – und langweilig.

Ein letzter Blick in Österreichs Prognoselandschaft sieht so aus:

Das Rennen unter den ersten Drei in der Oberliga ist wohl genauso offen wie das unter den weit entfernten letzten Drei in der Unterliga. Gar nicht sicher, dass alle in der Unterliga es schaffen.

Kurz, Strache und Kern platzierten ihre Hauptbotschaft am Ende. Kern warnt vor einer schwarz-blauen Regierung, Strache vor einer erneuten Großen Koalition. Kurz verweist auf Gespräche zwischen Rot und Blau, die stattgefunden haben und der Möglichkeit, dass FPÖ und SPÖ auch dann eine Regierung bilden, wenn die ÖVP als erste durchs Ziel geht. Kurz mobilisiert besser.

TV-Wahlkampf in Österreich
Das Rennen Kurz, Kern und Strache ist offen
Gemessen an dem, was die Kandidaten zum Thema Einwanderung sagten, könnten alle außer Frau Lunacek miteinander koalieren. Nicht einmal sie widerspricht den Plänen der anderen ernsthaft. Da die Länderregierungen mit dem zentralen Punkt Einwanderung ins Sozialsystem verschieden umgehen, lässt sich in Österreich wie im Labor studieren, was wie wirkt oder nicht. Der Umstieg von Geldleistungen auf Sachleistungen hat zu einer Binnenwanderung von Immigranten nach Wien geführt, weil die SPÖ dort bei der Geldleistung blieb. Kern hört’s nicht gern und verteidigt es nicht. Strolz will oben drauf noch eine Residenzpflicht. Auch wenn im Kammerton findet ein Wettbewerb um den wirkungsvollsten Stopp der Zuwanderung statt.

Lunacek verdanke ich einen neuen Politbegriff: „Klimakrise“. Klima ist der wenigstens 30-jährige Wetterdurchschnitt. Was bitte ist eine Klimakrise? Jemand wird mir das schon noch erklären. Bei Kakaniens Nationalratswahl am Sonntag steht’s jedenfalls um diese Krise nicht kritisch.

Ansonsten wirkten die Teilnehmer der Runde so auf mich: Lunacek unkonkret, Strolz unstrukturiert, Strache konzentriert, Kern zurückgenommen, Kurz noch mehr. Kurz und Kern erkennbar darauf bedacht, in der Schlussrunde des TV-Wahlkampfs keinen Fehler zu machen. Dieses Ziel haben beide erreicht – mit einem Unterschied. Kern hatte seine Mimik und Körpersprache nicht immer unter Kontrolle. Es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen.

Dass der ORF, strukturell SPÖ-nahe, dem SPÖ-Kanzler das Schlusswort zuteilen würde, wusste jeder ORF-Kundige vorher. Dieser TV-Wahlkampf in Österreich fand nicht im Staatssender statt. Österreich sieht wohl in seiner Parteienlandschaft ebenso wie in der TV-Topographie nach dieser Nationalratswahl anders aus. Beides wünsche ich dem Land, in dem ich aufgewachsen bin.

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Kommentare ( 9 )

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Mylan
6 Jahre her

Leider ist die FPÖ bis auf die nationale Komponente sehr sozialistisch, wie sie gerade in der letzten Parlamentssitzung bewiesen hat. Migrationsmäßig hat sie zum Glück etwas bewirkt, aber sonst unterscheidet sie sich kaum von den Sozialisten. Ich befürchte eine rot-blaue Koalition, die für Österreichs Wirtschaft fatal wäre.

Hartwin Brückner
6 Jahre her
Antworten an  Mylan

Das sollte man abwarten. Zunächst setzen sie sie auch für die kleinen Unternehmen ein..Es geht aber immer um Geld, was man für die Migration ausgibt kann woanders nicht eingesetzt werden.
Hier heißt es nur, niemandem wird etwas weg genommen…was nur funktioniert, weil die Bildungsmisere in Deutschland voll wirksam wird

Ruhrpottlerin
6 Jahre her

Ach, was wär ich gerne Österreicherin.

Ralf Jörg
6 Jahre her

Wenn man Politiker aus Österreich, Schweiz aus Tschechien sieht. Egal ob links ob rechts, dann sieht man ganz normale Leute.
Unsere Politiker kann man nicht mehr zuhören.
Man könnte meinen die kommen alle aus dem Propellerland.
Was ist dort anderst ?

GuyT
6 Jahre her

Die Sprache der Populisten erklärt uns Ruth Wodak heute.

elio
6 Jahre her

Herr Goergen!
Haben Sie schon Entzugserscheinungen weil Ihnen das Gelabere von KGE, Roth, Seehofer, Merkel usw fehlt?
Oder könnte es daran liegen, daß in Österreich kein Haudraufklotz wie die AfD antritt?
ich fand’s wohltuend sachlich im Gegensatz zu deutschen Laber- und Lügenrunden.
Die braucht kein Mensch.

Illusionslos
6 Jahre her

Ich habe die Sendung bei Phoenix gesehen und war platt, dass Kurz sagen konnte, dass es in Österreichs Schulen mehr Kinder gibt die kein Deutsch sprechen, als einheimische Kinder. Bei uns ist das unsagbar und sofort rechts.
Die Offenheit, mit der da über Migranten und Asyl geredet wurde, ist immerhin erstaunlich und wäre auch bei uns wünschenswert.
Ich hoffe , Kurz wird Kanzler , damit Merkel noch mehr Gegenwind bekommt .

Ruhrpottlerin
6 Jahre her
Antworten an  Illusionslos

Nee, kam heute im WDR Rotfunkradio. Man verzweifelt an der Sprachunfähigkeit der Kinder der Neuen Mitbürger und das reißt jetzt alles runter. Glauben Sie nicht, ist aber so, ich schwör.
Auch dem Rotfunk gehen langsam die Argumente aus, ob der Tatsachen.

Michel Rieke
6 Jahre her

Eine Gewissheit haben die TV-Duelle uns schon jetzt gebracht, und zwar ganz unabhängig von der Koalitionsbildung in Österreich: Deutschland hat seinen letzten Verbündeten im Kampf um den humanitären Endsieg verloren. Jamaika wird die letzte Insel der Menschlichkeit in einem tückischen Ozean sein. An seiner Ostküste türmen sich mauerhohe Wellen des Populismus, im Norden tobt ein Sturm des Mißtrauens und die Berge im Süden bieten keinen Schutz mehr gegen die Winde vom Mittelmeer. Vom Westen her schallt Lob für unsere Standhaftigkeit, während man genau darauf achtet, dass die französischen Deiche immer ein kleines Stückchen höher sind, als die der beseelten Jamaikaner.… Mehr