Illners Dauerwerbesendung: „Kommt Merkels Notbremse zu spät?“ – keine Ausgangssperren wären „ein Verbrechen“

Jeder Deutsche - glaubt Illner - hoffe darauf, dass das Verfassungsgericht Merkels Gesetzentwurf nicht kippt. Rechtfertigen muss sich nur Christian Lindner - der um Verfassungskonformität bittet. Lauterbach findet solche Debatten albern.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

„Hurrah, die Notbremse kommt!“, so beginnt einer der Einspielfilme bei Illner. Das ist wohl dieser objektive Journalismus, von dem immer alle sprechen. Dieses Motto zieht sich durch die ganze Sendung. Denn während Merkel den Föderalismus für eher lästig hält, die Länder mit einem neuen Infektionsschutzgesetz entmachten will und mit der B-Notbremse das ganze Land lahmlegt, ist es natürlich nun am ÖRR, die richtigen Fragen zu stellen. Was dabei rauskommt, ist wohl etwas anders, als man sich das vorgestellt hat. So lautet der Titel der gestrigen Sendung: „Kommt Merkels Notbremse zu spät?“

Ich hatte zu Beginn wenigstens die – wenn auch sehr sehr unwahrscheinliche – Möglichkeit in Betracht gezogen, dass diese Fragestellung vielleicht eine Art selbstironischer Scherz sein könnte, doch dann habe ich gesehen, dass Karl Lauterbach zu den Gästen zählt … Zwar wird in der Sendung nicht NUR die Frage gestellt, ob die Notbremse zu spät kommt, sondern auch ob sie gerechtfertigt ist, aber die Einstellung der Redaktion ist ziemlich eindeutig. Dieser Verdacht erhärtet sich, als Illner folgender Satz zum Thema Gesetzesentwurf rausrutscht: „Ich glaube jeder Mensch in diesem Land drückt den Daumen, dass das jetzt nicht auch noch vor dem Verfassungsgericht scheitert“.

„An einigen Punkten fachlich problematisch“
Selbst im Kanzleramt wird nun bezweifelt, ob Merkels Bundeslockdown verfassungskonform ist
Karl Lauterbach beantwortet die Titelfrage natürlich mit einem eindeutigen Ja – die Notbremse hätte viel früher kommen müssen. Sie müssen Lauterbach verstehen, ihm geht es doch um „jeden einzelnen“ – also so nach dem Motto „Ich liebe euch doch alle“. Zu diesem „alle“ gehören allerdings nicht die Opfer der Maßnahmen, aber das ist ja klar.

Apropos DDR, damit dass es zu diesem ganzen Thema Notbremse und Maßnahmen und so, so lächerliche Debatten gibt, ob das denn auch alles Rechtens ist blabla, kann Lauterbach gar nichts anfangen. Er kritisiert, dass wir so viel Zeit verlieren „für etwas, was so selbstverständlich ist“ – mit „etwas“ sind hier Verschärfungen gemeint. Davon dass ca. fünf Minuten vorher noch juristisch analysiert wurde, warum Ausgangssperren nicht verfassungsgemäß sind, lässt er sich auch gar nicht beirren, als er sagt, er würde es sehr begrüßen, wenn mehr Bundesländer die Ausgangsperre noch verlängern würden, gerne schon vor zehn Uhr. Vielleicht, weil ihm leere Straßen den Weg zur nächsten Talkshow um kurz nach zehn erheblich erleichtern würden?

Diese Sendung ist jetzt meine genau zwanzigste Illner-Rezension und in fast allen ging es um Corona – jetzt ist zum ersten mal jemand auf den Gedanken gekommen: Wir könnten doch eine Juristin einladen (es sind ja nur die härtesten Grundrechtseingriffe ever in der bundesrepublikanischen Geschichte). Die Professorin Anna Leisner-Egensperger schlüsselt dann tatsächlich auf, warum vor allem die Ausgangsperre nicht verfassungsgemäß ist. Doch wie schon angesprochen – es interessiert die meisten Gäste herzlich wenig.

„Ich akzeptiere, dass man anderer Meinung sein kann“

Karl Lauterbach ist da nicht alleine, auch Olaf Scholz lässt sich von so etwas nicht beeindrucken. „Natürlich gibt es bei solchen Sachen immer zwei Meinungen“, aber wenn man wegen solcher Sachen jetzt gar nichts mehr machen darf, dann wäre das seiner Meinung nach sehr problematisch. Ich finde sehr interessant, dass es ausgerechnet beim Grundgesetz laut Scholz „zwei Meinungen“ geben kann. Bei der Griechenlandrettung, bei der EU, bei der Flüchtlingskrise, beim Klimawandel, bei Corona und so weiter gibt es sonst überall nur eine richtige Meinung. Aber zur Frage der Grundrechte – da herrscht Meinungspluralismus.

Scholz kann auch beruhigen: „Ich akzeptiere, dass man anderer Meinung sein kann“ (wie überaus gütig von Eurer Majestät) – es wäre allerdings ein „Verbrechen“ die Ausgangssperre nicht in Betracht zu ziehen. Also anderer Meinung sein darf man schon, dann begeht man halt ein „Verbrechen“ – aber die Entscheidungsfreiheit liegt da ganz bei Ihnen. Oder um es mit Idi Amin zu sagen: “You have freedom of speech. It is freedom after speech that I cannot guarantee.”

Kanzleramt überspringt Verfassungsgrenzen
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Mein persönliches Highlight war allerdings Scholz‘ Satz: „Angst ist kein guter Ratgeber“. Diesen Satz bezieht er nicht etwa auf die Tatsache, dass wir 80 Millionen Menschen seit einem halben Jahr einsperren, weil eine winziger Prozentsatz mit einem Virus erkrankt ist, das bei vielen nicht mal Symptome hervorruft. Nein, das wovor er keine Angst hat und auch anderen rät, nicht ängstlich zu sein, ist die Befürchtung, dass die Maßnahmen der Bundesregierung möglicherweise vom Verfassungsgericht gekippt werden könnten. Na dann ist ja jetzt alles klar.

Es ist schon traurig, dass Christian Lindner nach dieser Sendung im Abspann ganz selbstzufrieden grinst, weil er wohl glaubt, richtig ausgeteilt zu haben. Immerhin hat er angekündigt, Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einzulegen, wenn das Gesetz so durchgehen würde und pochte auf Verfassungskonformität. Man muss sich mal vorstellen, dass es in diesem Land schon als oppositionell gilt, wenn man Wert darauf legt, dass neue Gesetze doch bitte verfassungskonform sein sollen. Um inhaltliche Debatten ging es da noch nicht mal.

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Kommentare ( 91 )

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moorwald
3 Jahre her

„Farbanschlag auf Lauterbachs Auto“… dazu ein Bild – nicht vom Auto, sondern von Lauterbach mit Maske. Macht ihn sofort erträglicher.

moorwald
3 Jahre her

Wenn in dem Gesetzentwurf noch viel geändert wird, ist das eine weitere Niederlage Merkels. Denn solche Möchtegern-Autokraten kennen nur das Alles- oder-Nichts.
Merkel schwebt wahrscheinlich eine Art von Theokratie vor, in der sie Göttin und oberste Priesterin zugleich wäre.

Anti-Merkel
3 Jahre her

Wenigstens für eins war diese Sendung gut: Vorher habe ich Scholz noch für einen von den weniger extremistischen Freiheitsgegnern gehalten. Jetzt steht er für mich auf der gleichen Ebene wie Söder und Lauterbach.
CxU, SPD und Grün*innen müssen unbedingt unter 5% gebracht werden. Das – und nicht AfD und Linke – sind die wahren Gegner von Demokratie und Verfassung.

Michael M.
3 Jahre her

Was Illner, (K)La(ba)uterbach und Konsorten glauben ist mir mittlerweile völlig Banane, denn ich weiß eines ganz sicher, es wird Zeit, dass wir diese Nichtskönner endlich aus ihren Ämter jagen und zeitnah vor Gericht stellen.
Wer diesen Leuten immer noch glaubt gehört eindeutig zu den hoffnungslosen Fällen !!!

Henni Gedu
3 Jahre her

‚Dauerwerbesendung‘ trifft es nicht. Die müsste Merkel als Hersteller des beworbenen Produkts bezahlen. Hier aber löhnt der Gebührenzahler, der Illner Merkels Politik abkaufen soll.

So ginge Illner für Merkel auf den Strich und bekommt branchenüblich einen Teil des Umsatzes. Nein, ich denke, Illner und Merkel sind ein Paar und erziehen uns Deutsche gemeinsam.

chino15
3 Jahre her

Was für Idioten! Wir haben jetzt 24 Wochen Lockdown und mehr als ein Jahr Grundrechtseinschränkungen hinter uns, die Kosten für den Lockdown werden auf 3,5 Milliarden Euro pro Woche geschätzt. Somit haben wir bereits 84 Milliarden Euro verpulvert und NICHTS erreicht. Nach Lauterbach, Merkel, Söder, Scholz, KGE usw. soll das jetzt vermutlich für den Rest des Jahres so weitergehen. Hätte man nur einen Teil dieser Summe in (ergebnisoffene!) epidemiologische Studien, (von der Pharmaindustrie unabhängige) Medikamentenstudien, Impfstoffbeschaffung und effektive Verteilung (nein, die Impfzentren arbeiten NICHT effektiv) sowie den Ausbau des Gesundheitssystems verwendet, könnte man schon wesentlich weiter sein und müsste nicht… Mehr

Anti-Merkel
3 Jahre her
Antworten an  chino15

Wenn Lauterbach und seine Freunde feststellen, dass ihre Ausgangssperre nichts bringt, wird sie weiter verschärft.
Ausgangssperre von 0 bis 24 Uhr, ohne Ausnahmen für gute Gründe. Auch die Lebensmittelläden müssen schließen, und Lieferungen werden natürlich auch verboten, weil der Postbote ja auch Viren übertragen könnte.
Dass wir dann alle verhungern ist egal, im Gegenteil, das ist sogar gut, weil ein an Hunger verstorbener ja keine Viren mehr übertragen kann.
Wenn das Land ausgestorben ist, ist dann auch endlich die Inzidenzzahl 0 erreicht.

josefine
3 Jahre her

Der „normale“ Bürger und Wähler versteht wohl nicht, dass hier der Bundesrat bzw die Kompetenz der Länder eingeschränkt und letztlich abgeschafft werden soll. Da wird in fast allen Medien dieser totale Lookdown als Retter aus der Not „gefeiert“ und gefordert. „Hurra, die Notbremse kommt!“ Aber es geht um die Einschränkung eines Organs der Gesetzgebung, was gegen unsere Verfassung gerichtet ist. So gesehen, wird die Gesetzesvorlage wohl wenig Bestand haben. Die Bundesrepublik Deutschland ist als föderalistische Staat angelegt worden und darf nicht auf Verlangen einer Person abgeschafft werden, um leichter regieren zu können (eine Kammer würde bei der Gesetzgebung fehlen). Nebenbei… Mehr

Mugge
3 Jahre her

Ich wäre Befürworter einer G-,E-,Z-Notbremse!

Riffelblech
3 Jahre her

Lauterbach ist einer der allerschlimmsten Brunnenvergifter in diesem Lande . Er schämt sich nicht ,seine ärztlichen Approbation zur Volksverblödung zu gebrauchen . Er schämt sich auch nicht seinAbgeordnetenmandat zu mißbrauchen ,ständig unter falscher Flagge ( Epidemiologe) durch die Talkshows zu tingeln. Ich habe den Eindruck ,Illner weiß das ,stellt ihn aber trotzdem so vor . Nach dem Motto ,wenn schon Riesenlügen ,kommt es auf so eine kleine ? auch nicht mehr an . Wenn 0;3 % der Bevölkerung Träger der Viren sind ist das noch lange keine Pandemie . Hier spielen die Durchsetzung des Great Reset ,die gesellschaftliche Umstellung von… Mehr

pbmuenchen
3 Jahre her
Antworten an  Riffelblech

Er ist leider nicht der einzige der hinter Schloss und Riegel gehört.

Anti-Merkel
3 Jahre her
Antworten an  Riffelblech

Lauterbach ist tatsächlich sogar ein Mörder.
Dass es den Nocebo-Effekt – das Gegenteil vom Placebo-Effekt – gibt, kann man nicht abstreiten.
Viele der schwersten Covid-1984-Verläufe wären leichter gewesen, wenn die Betroffenen gedacht hätten, dass sie eine leichte Erkältung haben, und nicht, dass sie an einer tödlichen Killervirus-Seuche leiden.
Damit ist derjenige, der vom ersten Tag an gegen alle Tatsachen die letztere Theorie verbreitet hat, an vielen schweren Verläufen mit Todesfolge schuld.
Wenn ich Staatsanwalt wäre, müssten sich Lauterbach, Illner, Will, Merkel und Söder verantworten.

Dr. Rehmstack
3 Jahre her

Warum bereiten sich die Teinehmer nicht besser vor: daß Lindner immerhin noch mit einer Studie Klabauterbach entgegnen konnte war schon mal lobenswert, aber warum hatte er die Lancet Studie nicht parat, die den eindeutigen Nachweis erbrachte, daß die englische Variante nicht tödlicher ist als die ursprüngliche. Wofür bezahlen die ihren riesigen Mitarbeiterstab? Die wichtigere Sendung war aber bei Lanz, der eine der stellvertretenden CDU Parteivorsitzende derart auseinander nahm wie ich es beim deutschen TV noch nicht erlebt habe: die Prügel galten aber Markus Lanz, der rücksichtslos um seiner Ziele willen, der CDU/CSU massiven Schaden zufügt. Da fragt man sich cui… Mehr

chino15
3 Jahre her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Es gäbe so viele Studien, die man gegen den Regierungsirrsinn anführen könnte. Bei ScienceFiles werden etwa 20 Studien gelistet, die den Nutzen eines harten Lockdowns widerlegen. Aber man könnte ja auch mal mit der WHO-Erklärung vom 20.1.21 anfangen, die PCR-Test bei Syptomlosen als nicht geeignet zum Infektionsnachweis erklärt. Damit allein wäre die gesamte „Inzidenz“-orientierte Lockdown-Politik als nicht haltbarer Schwachsinn überführt. Immerhin gab es heute bei welt.online einen entsprechenden Kommentar.