„Der Vogel ist befreit“: Neuer Inhaber Elon Musk räumt bei Twitter auf

Tesla-Chef Elon Musk hat Twitter übernommen. Obwohl sich der Kauf seit einem halben Jahr anbahnt, hat ihn Musk wie einen Putsch inszeniert. Damit macht er deutlich: Er will Twitter nicht nur besitzen – sondern verändern.

IMAGO / ZUMA Wire

Eins versteht Elon Musk wie kein zweiter Unternehmer: sich zu inszenieren. Als er die Twitter-Zentrale betritt, hat er ein Waschbecken in der Hand. Damit gehören die Bilder schon mal ihm. Das Video dazu kommentiert er mit den Worten: Lass das sinken! Eindeutig und widersprüchlich zugleich. Er ist jetzt in den Köpfen der anderen drin. Und zumindest zeugt es von Humor.

Doch Musk ist nicht nur lustig und nett. Er hat seine eigene Entourage dabei, als er Twitter betritt. Dann lässt er den bisherigen CEO Parag Agrawal feuern, ebenso den Chefjuristen Sean Edgett und Vijaya Gadde. Sie war für den Bereich verantwortlich, der über die Entfernung unzulässiger Beiträge entscheidet – und gilt als die Frau, die eine lebenslange Twitter-Sperre über den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verhängt hat. Mindestens einer der drei wird von Sicherheitskräften aus dem Gebäude geführt, berichten amerikanische Medien.

Musks Leute sollen auch dafür gesorgt haben, dass kein scheidender oder frustrierter Mitarbeiter sich rächen kann, indem er die Codes des Unternehmens manipuliert. Als die Aktion abgeschlossen ist, twittert Musk: „the bird is freed“. Der Vogel ist befreit. Einerseits eine Anspielung an das Firmenlogo, andererseits auf den historischen Satz: „The Eagle has landed“. Der Adler ist gelandet. Der steht für die Landung von Apollo 11 auf dem Mond.

Musk kann martialisch. Aber auch sympathisch. Kurz davor zeigt ihn ein Bild auf Twitter, wie er mit den Mitarbeitern in der Kantine plaudert. Sie zeigen das gezwungene Lächeln, das man einem neuen Chef entgegenbringt, bei dem man um seinen Job bangen muss, genau den aber noch nicht aufgegeben hat. Geschossen hat das Foto Walter Isaacson. In den USA alles andere als ein Unbekannter. Er ist Autor der Biografie Steve Jobs’ und des Romans „The Code Breaker“, der sich mit der Frage beschäftigt, wie die Entschlüsselung des Gen-Codes das Leben auf der Erde verändert. Isaacson war auch drei Jahre lang Mitarbeiter in der Administration von Präsident Barack Obama.

Isaacson mitzunehmen, hat einen praktischen Nutzen. Es heißt, er arbeite an einer Biografie über Musk. Aber es ist auch ein Zeichen, solch prominente Begleiter auszuwählen: Musk ist nicht gekommen, um Twitter zu verwalten. Er will es umkrempeln. Schon im Vorfeld hatte die Washington Post berichtet, er wolle in dem Unternehmen 75 Prozent der Mitarbeiter entlassen. Einen Vorgeschmack darauf gibt er, als er das Führungstrio fristlos feuert. Nun hören ihm die Mitarbeiter in der Kantine ganz anders zu, lächeln gezwungen und hoffen, am Ende zu den glücklichen 25 Prozent zu gehören.

Zwischen hart und herzlich muss Musk fortan fliegend wechseln. Noch bevor er zu seinen neuen Mitarbeitern spricht, veröffentlicht er einen Appell auf Twitter. Der richtet sich an die Werbekunden des Unternehmens. Er erklärt ihnen seine Motivation, warum er Twitter gekauft hat: „It is important to the future of civilization to have a common digital town square.“ Er wolle der Menschheit also einen digitalen Marktplatz erhalten, auf dem sie sich treffen und austauschen können. Denn es bestehe aktuell die große Gefahr, dass die Gesellschaft in radikale linke und radikale rechte Flügel auseinanderfalle. Er wolle mit Twitter dazu beitragen, dass diese Spaltung nicht dazu führt, nicht weiter im Gespräch bleiben zu können.

Musk wendet sich nicht an die Werbekunden, um sich zu erklären – sondern weil er fürchten muss, dass sie das Unternehmen verlassen. Zum einen wegen der allgemeinen Marktlage. Zum anderen in Folge einer Kampagne. Für die woke Linke – in den USA wie Europa – ist Musk der Feind. Der Rechte. Der Unternehmer. So titelte der Spiegel „Die Gesetzlosen“ und zeigte dazu Milliardäre mit Musk in der Mitte – Bill Gates, von dessen Stiftung das „Sturmgeschütz der Demokratie“ Millionen erhält, ließ das Blatt dort weg. Wie gegen andere liberal-konservative Medien und Anbieter zuvor, starten die woken Linken nun eine Boykott-Kampagne gegen Twitter unter Musk.

Von Twitter unter Vijaya Gadde profitierten die woken Linken. Das soziale Netzwerk stand unter Gadde offen auf ihrer Seite. Zum Beispiel beim Thema Transsexualität. Skepsis an den Positionen transsexueller Aktivisten führte zu Bestrafungen durch Twitter. Schon der Hinweis auf die Tatsache, dass eine Frau und ein Mann zusammen ein Kind zeugen, konnte als Diskriminierung von Transsexuellen gedeutet werden und zu Account-Sperrungen führen. In die andere Richtung durfte freimütiger gekeilt werden. So sprachen Trans-Aktivisten Morddrohungen gegen die britische Autorin JK Rowling aus. Als sie diese Twitter meldete, antwortete das Team zynisch: Da könne es erstmal nichts machen. Aber sie würden sich darauf freuen, weitere Beschwerden von der Autorin und Mutter entgegenzunehmen. Verantwortet hat diese Politik Vijaya Gadde, die Musk gleich in der allerersten Welle feuerte. Für die Sache der Woke-Linken ein herber Verlust.

Musk steht nun vor einem harten Spagat. Einerseits muss er das Netzwerk wieder attraktiver machen und sein Versprechen umsetzen, einen faireren Austausch der Meinungen zu ermöglichen. Andererseits muss er gegen den Einfluss der woken Linken ankämpfen, für die ein fairer Austausch von Meinungen ein Ende ihres Monopols bedeutet. Wie allzu bereitwillig Unternehmen Konflikten aus dem Weg gehen, hat in Deutschland der Ravensburger Verlag gezeigt, als er nach dem ersten Anzeichen von woker Kritik freiwillig Winnetou-Bücher einstampfte.

Die Medien-Branche ist insgesamt in der Krise. Die Facebook-Mutter „Meta“ auch, wie der jüngste Geschäftsbericht zeigte. Doch die Zahlen Twitters sind noch einmal schlechter: Im zweiten Quartal machte das Unternehmen laut der Wirtschaftswoche 270 Millionen Dollar Verlust bei 1,1 Milliarden Dollar Umsatz. Dass der Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar überzogen war, hat Musk wohl mittlerweile selbst festgestellt. Aber andererseits ergibt sich aus der Krise auch eine Chance: An der bisherigen Richtung Twitters festzuhalten, wäre so oder so falsch gewesen. Also muss es komplett umgekrempelt werden. Und das ist nun wirklich etwas, das Elon Musk liegt.

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Kommentare ( 51 )

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Busdriver
1 Jahr her

Twitter war bis jetzt der bevorzugte Ort für woke, linke Hetzkampagnen . Gut, dass Elon Musk das ändern will. Der Anfang war vielversprechend.

LF
1 Jahr her

Das Esken Twitter verlässt, ist für mich ein weiterer Hinweis auf ihr demokratisches Verständnis.
Bisher habe ich Twitter nicht genutzt, jetzt überlege ich ob ich damit Musk unterstützen kann und hoffe das er es mit der Meinungsfreiheit ernst meint.

reconquistadenuevo
1 Jahr her

Dass mit Esken und Künast zwei linke Hetzer, Spalter und Ausgrenzer  Twitter verlassen, kommt Elon Musks Ziel, für mehr Ausgewogenheit und Meinungsfreiheit bei Twitter zu sorgen, sehr entgegen. Das ist doch schon einmal ein guter Anfang. Hoffentlich folgen auch bald die anderen linken und grünen Hetzer.

Samuel B
1 Jahr her

Musk versicherte, dass Twitter kein Ort werde, wo alles ohne Konsequenzen erzählt werden dürfe („Twitter obviously cannot become a free-for-all hellscape, where anything can be said with no consequences!“). Es wird sich zeigen, wie Meinungsfreiheit à la Musk aussehen wird. Immerhin: Die Hysterie gewisser Gruppen ist so amüsant wie die während Trumps Präsidentschaft.

Maunzz
1 Jahr her

Vijaya Gadde machte als Twittervorstand eindeutig Politik mit ihren Tweets statt das Unternehmen zu führen. Es sei denn, Twitter wurde als einseitig, politisches Unternehmen gegründet. Immerhin wurden die Twittervorstände vorschriftsmäßig gut entlohnt entlassen.

lkempf
1 Jahr her

Rechtzeitig vor den Zwischenahlen in den USA wird ein erheblicher Einflussfaktor der Woke-Community und linksgedrehten Demokraten auf die Meinungsfreiheit eliminiert. Beste Werbung für Elon Musk vorerst.
EU-Funktionäre, -Politiker und -Fake-Account Nutzer schauen ziemlich dumm auf ihren Spieltischen herum. Rein ne va plus.
Musk wird, und das ist entscheidender, Twitter als Geschäftsmodell neu aufstellen und ausrichten – dann wissen wir, inwieweit $44Mrd. eine gute und sinnvolle Investition für seine Tesla-Flotte war.

Waldorf
1 Jahr her

Geradezu bedrückend war eine Antwort bzw. ein Zitat-Retweet eines EU-lers, auf Musks Tweet „der Vogel sei befreit“. Der Tafelritter der Woken twitterte: in der EU sei der Vogel nach den EU-Regeln frei. Geht es noch erbärmlicher, seine mickerige Möchtegernmacht noch ins Schaufenster zu stellen? Ich denke nicht! Musik hat nie gesagt, er wolle Twitter zu einem rechtsfreien Raum machen, in dem jedes mobben, hetzen oder beleidigen möglich, erlaubt oder gar erwünscht sei. Ganz im Gegenteil, er will die Balance, die Mitte stärken, weder wie bisher den linken Rand, noch künftig den rechten Rand. Aber natürlich deuten das die bislang krass… Mehr

Weisheitszahn
1 Jahr her
Antworten an  Waldorf

Leider reagieren immer noch zu viel zu wenig Normale mit Zurückweisung auf diese woke Dauerindoktrination. Derweil frage ich mich, ob es überhaupt noch einen arbeitslosen Schwarzafrikaner in D geben kann. Die müssten doch alle einen Job beim Werbefernsehen haben, bei der dort vorhandenen Überproportionalität gegenüber dem statistischen Bevölkerungsduchschnitt.

herman32
1 Jahr her

Mal sehen. Aber wenn Linke/Grüne jetzt besonders darüber heulen, dann ist völlig klar, wie die Sache bisher gelaufen ist und sie befürchten, ihr linkes Medium gerade zu verlieren. Wie sie alle Angst vor Meinungsfreiheit haben. Spezialität der auch geschassten Zensor-Chefin wurden in Klagen von Twitter-Usern geäußert, dass sie bestimmte Tweets selbst dann nicht sehen, wenn sie den Tweets „folgen“. Einer beim WDR jammert, man habe es versäumt, Twitter in „sichere Hände“ zu bringen.
„Sichere Hände“ bedeutet für Grüne und WDR-Transen, dass sie die Kontrolle über alles haben.

Ein Mensch
1 Jahr her

Was jetzt wohl die ganzen IM’s machen, müssen sich jetzt wohl ein neues Feld zum denunzieren suchen.

Kaltverformer
1 Jahr her

Zuerst einmal ist meine erste Emotion: Yeaaaah, Huhuuu!!!
Zumindest hier dürfte der Linksozialismus in seine Schranken verwiesen worden sein.
Warten wir einmal ab, wie sich Hr. Musk positioniert.
Wie auch immer. Im Moment fühlt es sich als richtiger Schritt, weg von den Sozis an und das ist ein sehr, sehr gute Nachricht!