Bei Maischberger: Kann Wagenknecht die fröhlichen Countrybrüder Steinhöfel und Röttgen zähmen?

Yildiz hält die Absage an Erdogan für deutschen Wahlkampf und Einschränkung der Meinungsfreiheit. „Es hat einen gewissen Charme, dass jemand Meinungsfreiheit einfordert, die er gerade bei sich eliminiert“, grinst Steinhöfel den besten Satz des Abends.

Screenshot: ARD/Maischberger

„Gipfel der Nationalisten: Kann Merkel Trump und Co. zähmen?“, es ist, wie so oft, der Titel der Sendung erzählt bereits, wo es lang gehen soll nach dem Willen der Redaktion. Mitunter aber noch mehr: Denn wer genauer liest, stellt fest, dass Merkel hier von der Redaktion immerhin schon aus dem Kreis der für ihre Nationen verantwortlichen Politiker gestrichen wurde: Make America great again vs. Refugees Welcome. Co. meint übrigens Putin, Xi Jinping usw. und wohl auch Erdogan. Weltspiegel extra titelt zuvor: Machtpoker G-20. Und das war dann fast schon ein Mini-Kampfschrei für die Gipfel-Gegner.

Die größten Industrienationen und Schwellenländer versammeln sich am Wochenende in Hamburg. Bei Maischberger diskutieren ihre Gäste, was sein wird, könnte oder nicht sein darf. Mit dabei: Dieter Kronzucker (Fernsehmoderator), Sahra Wagenknecht (Fraktionsvorsitzende Partei Die Linke), Norbert Röttgen (Außenpolitiker der CDU), Joachim Steinhöfel (Rechtsanwalt und TE-Autor), Haluk Yildiz (BIG-Partei) und Rolf Becker (Schauspieler und bekennender G20-Gegner) per Skype.

Rolf Becker wird nur kurz zugeschaltet, als wäre ihm die Zeit knapp und er ein hoher Staatsgast. Man weiß nicht recht warum, er weiß es aber offensichtlich auch nicht. Dann passt es wieder. Man hätte auch jeden anderen Hamburger nehmen können. Wahrscheinlich ging’s hier um den Dialekt. Die Argumente, die fallen, sind schon weitestgehend ausgetauscht. Ja, wozu G20, G7, wenn es die UNO gibt? Und schon wird er weggeschaltet und kann weiter tüfteln an seinem Schlauchboot oder mit welchem Gerät immer er den Gipfel alterslos, aber doch schon älter nun am Wochenende sabotieren will, wenn gesundheitlich nichts dazwischen kommt.

130 Millionen, ist das gut investiertes Geld? Was ist die Alternative, fragt Röttgen? Nicht zu reden? „An dem Ort entsteht der Zwang, mit einander zu reden, ein Gesprächsformat. Keiner will sich isolieren!“ Wirklich keiner? 2/3 der Weltbevölkerung wären vertreten. Und 4/5  der Wirtschaftskraft.

Auch Sahra Wagenknecht hat nichts gegen Gespräche, aber diese Entourage der Staatschefs sei nicht verhältnismäßig. Und fast gesamt Afrika säße nicht am Tisch. Die UNO wird hier ebenfalls immer weiter rausgedrängt. Joachim Steinhöfel betont – auch als Anwalt der ihm zugedachten Rolle –  , dass es sich beim Treffen in HH um die wichtigsten Führer der Welt handelt. Und die befände sich am Rande eines Weltkrieges. Es sei höchste Zeit, was interessiere da, was Demonstranten wünschen oder so ähnlich.

Ist Merkel die Dirigentin? Nein, glaubt Sahra Wagenknecht. Deutschland wäre gut beraten, sich keine Führungsrolle aufdrängen zu lassen. Merkels Vorgänger waren sehr darum bemüht, eine Eskalation beispielsweise mit Russland zu vermeiden. Unter Merkel hat sich das massiv verschlechtert. In Syrien trage das gefährliche Früchte. Trump wäre bereit, Syrien anzugreifen, und damit befänden sich die USA im Krieg mit Russland.

„Schubsen, rüffeln, prügeln, was haben die G-20-Partner von Trump zu erwarten?“, fragt ein Einspieler. Wir müssen mit ihm auskommen, weiß Kronzucker. Das wussten vor ihm schon etliche Talkshow-Gäste in etlichen Talk-Shows. Schön, dass es jetzt noch mal gesagt wurde.

Steinhöfel geht Wagenknecht rüde an. Kurzes Geplänkel, aber die Lage entspannt sich dadurch, dass Maischberger Steinhöfel für den Moment auf Eis legt, so dass er den Vorwurf, Absurdes zu reden, nicht direkt parieren kann. So ist das in Talkshows, dann sackt es ein beim Zuschauer. Später wiederholt sich der Fight noch einmal, als Steinhöfel Polens Nato-Beitritt als souveräne Entscheidung sieht, während Wagenknecht zu wissen meint, dass US-amerikanische Nato-Größen diese Erweiterung heute schon reuen würde.

„Es gibt keine Maxime, kein Konzept, keine Berechenbarkeit der amerikanischen Außenpolitik“, weiß nun Röttgen. Überragende Bedeutung hätte immer die Innenpolitik. Es ginge Trump dabei längst schon um die Wiederwahl, während viele sich noch fragen würden, wann er endlich abgesetzt wird.

„Russland hat in Syrien viel erreicht“, meint Röttgen. „Sie sind wieder da und ein unverzichtbarer Partner, wenn es um irgendwelche Lösungen geht.“ Die Amerikaner sollten unbedingt herausfinden, ob es mit Russland eine Lösung gibt. Ja, das stimmt. Ist aber so banal wie kompliziert und wohl Aufgabenstellung noch jedes ernsthaften Konfliktes.

Action an der Alster
G20 in Hamburg ist eine tolle Sache. Aus vielerlei Gründen.
Wo es anfangs noch um den Gipfel in Hamburg ging mit der Zuschaltung eines Schauspielers, der Hamburgisch sprechen kann, eiert man jetzt durch alle Krisen der Welt und verhakt sich ein bisschen in die  Krisenteilnehmer. Steinhöfel und Röttgen verstehen sich offensichtlich prächtig, obwohl ersterer ziemlich deutlich macht, was er von Röttgens Kanzlerin hält. Aber Steinhöfel weiß um den Wert von Waffenbrüderschaften und beendet Röttgens Redebeitrag jetzt mit einem „Das stimmt.“ Was genau stimmt, geht ein bisschen unter, aber gegen solche Männerfreundschaftsreflexe kann eine Wagenknecht schlecht anstinken, denn so was lernt man auf Stube und Sahra hat ja nie gedient. Oder ist Steinhöfel ein Verweigerer und hat seine militärischen Kenntnisse angelesen oder gar aus Platoon oder Deer Hunter? Kaum vorstellbar. Aber der Mensch ist wandelbar. Bei Nationen ist es schwerer.

Wagenknecht sieht die USA als hauptsächlichen Faktor der Destabilisierung in Syrien. Der Irak-Krieg wäre noch schlimmer mit hunderttausenden zivilen Opfern. Da stimmt ihr Röttgen sogar zu.

Was erwarten Sie von der Begegnung Trump/Putin, fragt Maischberger? Kronzucker ahnt, dass so ein Treffen von beiden Seiten akribisch vorbereitet sein muss. Es wird also wohl eher ein Kompromiss als eine Konfrontation geben. „Man kann mit Putin ein sinnvolles Verhältnis haben“, weiß Sahra Wagenknecht ein bisschen zu schlau.

Dann kommt schon die unvermeidliche Erdogan-Frage: Soll er reden dürfen in Deutschland oder nicht? Gast Haluk Yildiz findet ja. Es seien ja Millionen seiner Bürger, die hier leben und ihn hören wollen. Yildiz hält die Absage an Erdogan für deutschen Wahlkampf, die Parteien seien sich da ziemlich einig. Er spricht von der Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn Erdogan hier nicht reden dürfe. „Es hat einen gewissen Charme, dass jemand die Meinungsfreiheit einfordert, die er gerade bei sich eliminiert“, grinst Steinhöfel den besten Satz des Abends in die Runde. Auch vom Vortrag her. Ja, den Jungen möchte man nicht zum Feind haben vor Gericht. Da braucht es schon eine linkssozialisierte Richterin mit starken feministischen Reflexen, die sich gegen jeden richtet, der zu burschikos daherkommt.

„Erdogan ist kein Bürger mit Grundrechten“, weiß Röttgen. „Die Grundrechte sind dafür da, dass Bürger ihrem Staat die Meinung sagen, nichts anderes.“ Klasse. Röttgen und Steinhöfel funktionieren auch nach einer Stunde noch perfekt. Ein kleines Uhrwerk. Da wird anschließend sicher ein kleiner Umtrunk fällig. Die beiden werden todsicher ein paar Dosen knacken.

Hatte Sahra Wagenknecht bisher immer profitiert von den unterschiedlichen Auffassungen ihrer Mitdiskutanten, wird es bei den Sofazwillingen schwieriger und das wirkt sich dann auf die Verschärfung ihrer Beiträge aus. Angriff ist die beste Verteidigung. „Nach wie vor liefert Deutschland der Türkei Waffen“, erinnert sie noch einmal. „Wir sind viel zu devot gegenüber Herrn Erdogan. Wäre nicht Wahlkampf, wäre nicht einmal das Auftrittsverbot ausgesprochen worden.“, mutmaßt Wagenknecht.

Jetzt sind wir bei Deniz Yücel angekommen. Haluk Yildiz sagt: „Vorsicht, möglicherweise ist Yücel doch ein Terrorist, das soll man doch der türkischen Justiz überlassen.“ Ok, so was Obszönes schweißt nun auch noch Sahra Wagenknecht hinüber auf das Steinhöfel-Röttgen-Sofa. Aber näher zu Röttgen, den Herrn Steinhöfel betrachtet sie immer noch wie etwas ein bisschen Unheimliches.

Yildiz nennt die Gülen-Bewegung als Putsch-Verursacher. Röttgen zweifelt die Beweise an. Ein Patt. „Erdogan ist beratungsresistenter als selbst der Trump“ schmunzelt Kronzucker. Auch das sei eine Berechtigung für die G-20 und zwingende Gespräche, sagt er, und spielt damit auch ein bisschen Moderator, indem er die Gesprächsrunde auf ihr Thema zurückzuführen versucht.

Alles sind gespannt auf das Abschlusskommuniqué und man hofft wieder gemeinsam, dass die Demonstrationen nicht eskalieren. Nun gut. Aber noch mal zurück zur Eingangsfrage: „Gipfel der Nationalisten: Kann Merkel Trump und Co. zähmen?“ Die hätte heute Abend auch heißen können: „Gipfel der Trumpisten: Kann Sahra die fröhlichen Countrybrüder Steinhöfel und Röttgen zähmen?“ Schwer. Dafür brauchte es dann schon einen unverbesserlichen Erdoganfan vom Kaliber eines Haluk Yildiz.

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Kommentare ( 32 )

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32 Comments
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Mabell
6 Jahre her

Sind sie da so sicher? Vielleicht hat Röttgen ja auch weiterreichende Ambitionen gehabt. Die Raute neigt ja doch dazu, ev. Konkurrenz ganz schnell wegzubeißen. Gruß, Mabell.

Gregor
6 Jahre her

Herr Yildiz war sich seiner Sache offenbar sehr sicher, dass er im Namen Erdogans die answesenden Gäste auf die Türkei und ihren neuen Machthaber einschwören könnte. Was erlauben sich Türken denn bei uns? Wer Türke ohne deutschen Pass ist, hat neben den gesetzlichen Vereinbarungen, die ausländische Bürger gelten, keine Forderungen an dieses Land zu stellen. Da nutzen ihm seine glatt polierten Lackschuhe auch nichts.Herr Erdogan ist Staatsgast, mehr nicht. Er wird mit der Höflichkeit behandelt, die er erwarten darf. Wie wäre es, wenn Frau Dr. Merkel sich ständig und überall in der Türkei bei Besuchen derart positionieren wollte, weil Deutsche… Mehr

Reinhard Aschenbrenner
6 Jahre her

„Steinhöfel und Röttgen verstehen sich offensichtlich prächtig, obwohl ersterer ziemlich deutlich macht, was er von Röttgens Kanzlerin hält.“ Möglicherweise gerade deswegen….

malnachfragen
6 Jahre her

Ach Herr Yildiz, Ihr Erdoganisten redet euch aber auch um Kopf und Kragen. Wenn in Neubuntland ganz viele von „Erdogans Anhängern“ leben, die ihn gerne hören wollen, dann sollen die bitte wieder zurück in die Türkei ziehen, wo sie offenbar in Deutschland ja nichts verloren haben (daran u.a. erkennt man gegenwärtig einen Deutschen, mithin einen Europäer: er kann nicht für Erdogan sein. Punkt.). Genau so eine „aber hier warten seine ganzen Fans auf ihn!“-Argumentation ist ein weiteres Argument, warum wir ihn hier nicht auftreten lassen sollten: wir sind nicht die Bühne für türkischen Wahlkampf, das muss ganz einfach klar und… Mehr

Tom
6 Jahre her

Ich würd es mir gerne ansehen. Aber das geht schon lange nicht mehr. Politiker wie Röttgen kann ich nicht mehr hören. Kronzucker? Na ja … was Herr Steinhöfel denkt, kann ich hier besser nachlesen. Ich hätte es kaum gedacht, aber die meisten Talkshows tun einem richtig weh. Das ist so wie die Nachmittagsfalks von früher „ich hab ihn mit meiner besten Freundin im Bett erwischt“. Einfach nur unerträglich. Vor allem stört mich (ohne diese Sendung gesehen zu haben), dass berechtigte Argumente immer „überhört“ werden, um stattdessen zu betonen, was man selbst gut oder die anderen schlecht gemacht haben. Antworten gibt… Mehr

Daniela Gmeiner
6 Jahre her

Wer heute die Rede von Donald Trump in Warschau erleben konnte, der muss das in den ÖR gezeichnete platte Bild des amerikanischen Präsidenten, als primitive Propaganda entlarven. Frau Maischberger ist halt auch nur eine aus dem System Merkel.
Ich empfehle heute um 22.15 Uhr, Talk im Hangar 7 auf Servus TV.
Da zählt noch die Realität. Heutiges Thema ist der G 20 Gipfel.

Horst Stamm
6 Jahre her

Steinhöfel, Röttgen, Männerfreundschaft ? Wenn Steinhöfel dem werten Herrn Röttgen, diesem grünen Linksausleger der CDU, an den Kopf geworfen hätte, dass Deutschland nach drei Generationen offensichtlich selbst wieder reif ist für eine Diktatur, dann wäre das schon eher eine angesagte Richtung gewesen, anders als „so in die Runde“. Hat Steinhöfel das, oder hab ich was verpasst? Die deutsche Diktatur kommt ein bisschen subtiler daher als die eines Erdogan oder anderer Potentaten. In den Überwachungsstaat aber führen beide Wege.

frederike
6 Jahre her
Antworten an  Horst Stamm

Wollen wir hoffen, dass dieses maasche Gesetz irgendwie doch noch gekippt wird!

malnachfragen
6 Jahre her
Antworten an  frederike

dann wird halt die nächste Nummer aufgelegt. Diese Leute werden schon zu ihrem Ziel kommen, Demokratie hin, Pöstchen rettenden Fraktionszwang her.

Peter Gramm
6 Jahre her

Röttgen wurde ehemals von der Kanzlerin abgewatscht und aus der Regierung gedrängt. Jetzt versucht er sich mit völlig wirren Behauptungen wieder lieb Kind zu machen. Die scheinbar völkerrechtswidrige Vorgehensweise der Russen in der Ukraine ist für ihn immer wieder ein Thema, wobei er völlig unterschlägt dass es sich bei den Vorgängen in der Ukraine um keine Annexion sondern um eine Sezession handelte. Das permanent völkerrechtswidrige Vorgehen der Amerikaner in Nahost scheint ihn nicht zu stören. Niemand hat die Amerikaner (übrigens auch völkerrechtswidrig) nach Syrien gebeten, hingegen Russland auf Assads Wunsch sich in diesem Land aufhalten. Die Einseitigkeit Röttgens kann nur… Mehr

Rainer Franzolet
6 Jahre her

Die Sendung war schlicht überflüssig. Wieso Steinhöfel den Schulterschluss mit Röttgen suchte ist mir schleierhaft.
Am Ende der Sendung war man nur noch Ratlos und fragte sich was der ganze Kram eigentlich sollte?

Illusionslos
6 Jahre her

Machtpoker G 20 trifft es meiner M.n. genau, es geht weniger um Ergebnisse als wer gegen wen. Kann Merkel Trump und Co zähmen ? Ist der G20 Gipfel ein Zirkus und Merkel die Domteuse ? Was für eine Anmassung Regierungschefs anderer Länder zähmen zu wollen ! Bei diesem Angang an diesen Gipfel kann ja nichts Vernünftiges bei herauskommen. Eine Begegnung auf Augenhöhe und Respekt ist das nicht . Ich bin im übrigen der Meinung, dass bei solch einem Gipfel schon im Vorfeld die Themen soweit herausgearbeitet sein sollten, das greifbare Ergebnisse möglich sind, und zwar mit Rücksicht auf jedes Teilnehmerland,… Mehr