Bei Illner: Die heroische Reise des Olaf Scholz

Olaf Scholz reist nach Kiew – zum Fototermin. Bei Illner verfallen alle in Glückseligkeit, so als hätte Scholz damit den Krieg im Alleingang entschieden. Es werden schon wieder „Zeichen gesetzt“.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Nu war er endlich drüben: Olaf Scholz hat sich eine Ukraine-Reise mit Freunden gegönnt (natürlich nicht nur für einen Fototermin). Warum nicht früher, fragt sich eigentlich jeder. Die einen waren empört, weil kein „Zeichen gesetzt“ wird, die anderen haben sich gefragt, was Putin gegen den Bundeskanzler in der Hand hat, dass er sich nun ausgerechnet bei diesem Thema so viel Ärger einhandelt. Oder hatte er vielleicht einfach Angst hinzufahren? Seine Fototerminausrede saß auch nicht so richtig. Olaf Scholz hätte sich einfach einen riesigen Gefallen getan, hätte er das alles nicht so lange hinausgezögert. „Reise nach Kiew – warme Worte oder echte Hilfe?“ lautet der Titel der gestrigen Ausgabe von Maybrit Illner.

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Ralf Stegner wird als „alter, erfahrener Außenpolitiker“ vorgestellt. Naja, zumindest ein Wort davon war richtig. Ob er den Zeitpunkt des Besuchs denn passend findet, wird er gefragt. Natürlich, sagt Stegner, rutscht dabei fast auf einer Schleimpfütze aus. Kevin Kühnert hat sich wohl nicht noch ein drittes Mal als Klatschheini für Olaf hergegeben. Auf die mangelnde deutsche Unterstützung bei all den warmen Worten angesprochen, sagt er: „Ich finde, dass wir, wenn man es nicht verengt auf die militärische Frage, sehr wohl die Ukraine nach Kräften unterstützen.“ Ja. bei einem laufenden Krieg so militärische Fragen zu stellen, das ist wirklich eine Verengung. Auf die Frage, warum Deutschland denn keine Waffen liefere, obwohl die Industrie lieferfähig wäre, fällt Stegner eine noch kongenialere Antwort ein: „Sie wissen schon, die Industrie entscheidet das nicht in Deutschland.“

„Ein Befreiungsschlag“

Man muss sich bei der SPD immer vor Augen halten: Olaf Scholz – Brechmittelolaf WirecardScholz aus CumExhausen – ist der beste, den sie hatten. Danach kommt nur noch Ralf Stegner. Der sitzt da, Augenbrauen verzerrt, der abfällige Blick ist so stehen geblieben. Meine Mutter hat mich früher immer ermahnt, wenn ich Grimassen gezogen habe, mit der Ansage: „Guck nicht so, das bleibt sonst so.“ Ich hab’ das damals nicht geglaubt, aber sie hätte mir einfach Ralf Stegner vorhalten sollen. Naja, Schluss mit den Lästereien, zurück zu seinem Auftritt. Also er sitzt da nun, mit diesem arroganten Blick, und da ist natürlich auch seine Stimme im Zugzwang, da jetzt noch mithalten zu können. Am Ende macht Stegner nichts besser, aber einiges schlimmer.

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Roderich Kiesewetter von der CDU findet den Besuch von Scholz natürlich auch total toll. Der Grund, weshalb Olaf so lange gewartet habe, ist ja nur, weil er das erstmal alles ausplanen musste: „Unterm Strich ein positives Signal“. Sie müssen das dem Kiesewetter verzeihen. Als CDU-Mann ist er gewöhnt, alles toll zu finden, was die Kanzlerin macht, und seit Merkel weg ist, fehlt ihm der Halt. Mummy Issues würde die Generation Z das nennen. Da füllt Olaf die Lücke ganz gut. Ein bisschen mehr Konkretes wünscht sich Kiesewetter dann aber schon: „Was wir direkt liefern könnten, wie ‚Marder‘ oder ‚Leopard‘, liefern wir immer noch nicht. Vier ‚Mars‘-Werfer wurden auf drei reduziert!“

Und dann geht es weiter mit deutscher Selbstbetrachtung. „Was wird dieser Besuch ausgelöst haben bei Putin?“, fragt Illner Katja Gloger, ihres Zeichens ehemalige Russland-Korrespondentin und Putin-Biografin. Putin schlottern bestimmt die Knie, bei so viel Händeschütteln. Gloger meint: „Die Ukraine hat eine europäische Perspektive. Das kann Putin nicht anders als eine große politische Niederlage interpretieren.“

Die ZDF-Studioleiterin Anne Gellinek untermauert weiter: „Es sind ja nicht irgendwelche Europäer, es sind die Gründungsmitglieder, drei große wichtige EU-Länder.“ Ja, Herr Selenskyj wird sich sicher sehr geehrt gefühlt haben. Gellinek ist nicht zu bremsen: „Ein Befreiungsschlag“ wäre das. Wenn die Sache so einfach wäre …

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Alles in allem muss man doch sagen, dass Illner mit dieser Sendung an den wichtigen Themen vorbeigeredet hat. Die echten Sorgen der Bürger wurden so gar nicht angesprochen. Auf Twitter ist in Folge des Besuches eine große Debatte über Kurzärmelhemden losgebrochen, weil Olaf Scholz in solchen Modellen abgelichtet wurde. Also das ist mal eine Diskussion, über die lohnt es sich zu sprechen. Das ist frisch, es ist kontrovers, es ist interessant, und niemand weiß, wie das Ganze am Ende ausgeht.

Bei Illner bleibt jedenfalls alles beim Alten. Ob Olaf Scholz nun „Zeichen setzt” und wie, das ist das zentrale Interesse der deutschen Öffentlichkeit. Der Realitätsbezug ist ohnehin längst verloren gegangen.

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Kommentare ( 42 )

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42 Comments
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abel
1 Jahr her

Ich denke auch daß die größte Umsturzgefahr im Land nicht von den Rechten oder dem gemeinen Volk droht.

abel
1 Jahr her

Mal ganz ehrlich. Das ganze Geld für die Ukraine ist so hart wie es klingt verpulvert. Ohne Flugverbotszone kann man die Waffenversorgung nicht absichern und mit einer Flugverbotszone haben wir den dritten Weltkrieg in Europa. Diplomatie ist sehr wichtig, leider oft aber auch ungerecht gegenüber Staaten die hilflos ausgeliefert sind.

H.Zoellner
1 Jahr her
Antworten an  abel

Na ja, man kann auch einen Zwischenschritt machen, Einsatz von AWACS-Flugzeugen um ein komplettes Frühwarnsystem in der luft zu haben. Es reicht, wenn die Maschinen über Polen fliegen.
Diplomatie läuft nicht, mit einem Hitler II kann man nicht verhandeln.

Endlich Frei
1 Jahr her

Mit dem Pfegefall „Ukraine“ als Anwärter der ohnehin schon am Abgrund stehenden EU dürfte jedem klar sein, dass sein Gespartes künftig in einer Fremdwährung besser aufgehoben sein wird. Denn die Euronen werden zusätzlich gedruckt werden müssen.

Endlich Frei
1 Jahr her

Die EZB wird das nötige Geld schon drucken und Deutschland mit der zwangsläufig steigenden Inflation in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Lachende Dritte sind der ClubMed, die das sinkende Schiff verlassen werden, während ihre Auslandsschulden abinflationiert werden.

Ruhrler
1 Jahr her

Und während die Heinis (und Hein*innen) Haltung zeigen und Zeichen setzen kommt die Klatsche aus Moskau: Scholz kündigt den Besuch an: Putin drosselt die Gaslieferungen. Scholz fährt tatsächlich: Es gibt noch weniger Gas. Sowas nenn ich ein starkes Zeichen, nicht eine Zugfahrt nach Kiew zum Fototermin mit Blafasel.

abel
1 Jahr her
Antworten an  Ruhrler

Ich denke Putin hat das schon ein paar Wochen zuvor angekündigt. Deswegen der Besuch der Drillinge in Kiew. Es kann nur noch schlimmer kommen. Die meisten Bürger glauben wirklich es geht nur um das Warmhalten der Wohnung im Winter. Ganze Industriebranchen werden uns um die Ohren fliegen. Mich würde nicht wundern wenn Russland für Katar ein paar Kunden mit Gas und Öl beliefert. Im Gegenzug Katar uns aber eine richtig saftige Rechnung für das Flüssggas und Öl schreibt und mächtig von den Preissteigerungen profitiert.

RMPetersen
1 Jahr her

Nein, „Scholz ist eindeutig „nicht gut“ für die Ukraine …“

Das ist allerdings auch nicht sein Auftrag. In seinem Amtseid 56 GG heisst es:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“
Von Ukraine oder USA steht da nichts, auch nicht von Einreisewillige aus Afrika.

RMPetersen
1 Jahr her

Was soll das Geschimpfe mit den „zu wenig“ Waffenlieferungen?
Haben die USA; Großbritannien oder Frankreich mehr ihrer modernen Kampfpanzer in die Ukraine geschickt als Deutschland? Nein.
Frankreich hat allerdings einige Haubitzen geschickt. Eine davon hat unlängst einen Markt in Donezk beschossen, es waren ja „Separatisten“. Das wird alledings nicht in ARD berichtet, es sind ja die falschen Opfer und die falschen Täter.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Schon wieder Zeichen. Das scheint mittlerweile eine fulltime-Geschäftigung zu sein. Zeichen setzen gegen alles und jeden. Passt in die oberflächliche Zeit zu oberflächlichen Menschen.

Julischka
1 Jahr her
Antworten an  ketzerlehrling

Genau, Zeichen setzen und solidarisch sein, zeichnet die heuchlerische und oberflächliche Gesellschaft in der wir leider leben aus! An Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten!

Ingrid Bieger
1 Jahr her

Elisa David rettet mir – wiedermal – den Tag – sonst würde ich wohl verrückt werden. Das „öffentlich-rechtliche“ Fernsehen, mit den immer gleichen Gästen – und das in einem Land mit 83 Millionen Einwohnern – ist weltfremd, provinziell – existiert in einer Filterblase vor sich hin – das kann man nüchtern nicht mehr ertragen.

Endlich Frei
1 Jahr her

Am Ende „für was?“ Machen wir uns nichts vor – am Ende wird und kann die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Denn während Russland beispielsweise auf Uralt-Bestände von T62-Panzern in Tausenden-Stückzahlen zurückgreifen kann, wird der Westen nicht bereit äquivalent seine modernen Panzer abzugeben.
Von der Ukraine wird nicht mehr als eine um seine Filet-Stücke reduzierter und nach wie vor hoch korrupter Rumpfstaat übrig bleiben, der als 60-Millionen-Bürger-Pflegefall nicht mehr als eine hohe Hypothek für die EU darstellen wird, die überwiegend von den bundesdeutschen Steuerzahlern zu pflegen sein wird.