Wie unsere Sprache unsprechbar zu werden droht

Das neue Buch von Peter Hahne „Seid ihr noch ganz bei Trost!“ beschäftigt sich nicht nur mit der politisch korrekten Sprache. Es sucht auch nach deren ideologischen Gründen. Von José García

imago images / STAR-MEDIA

Sprache ist etwas Lebendiges und deshalb Veränderung unterworfen. Ob sich beispielsweise das zurzeit allgegenwärtige „Alles gut!“ (für „in Ordnung!“) durchsetzen oder nach einiger Zeit als vorübergehende Modeerscheinung ähnlich dem vor einigen Jahren weit verbreiteten „kein Thema!“ (für „kein Problem!“) wieder verschwinden wird, bleibt abzuwarten. Sprache müsse aber auch „sprechbar bleiben“, stellt Peter Hahne, ZDF-Fernsehmoderator, Autor und den Lesern der „Tagespost“ als Kolumnist bekannt, in seinem aktuellen Buch „Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror“ fest. Die Gefahren für die Sprechbarkeit der Sprache sieht Hahne allerdings nicht in Modeerscheinungen, sondern eher in „Sprachpolizei und Bürokratenterror“, so der Untertitel seines Buchs. Denn „der ideologische Genderismus ist Selbstmord an einer lebendiger Sprache“.

Im Kapitel „Von redenden Pulten und der Bürger*innenmeister*innenwahl“ liefert der Autor ein Beispiel aus Niedersachsens Hauptstadt: Hannover mache sich zum Vorreiter „einer Sprache, die sich offiziell ,geschlechtsneutral‘ nennt, beim (vor allem lauten) Lesen jedoch eher nach Comedy klingt. Damit setzen sich die Stadtverwaltenden in Hannover nicht nur viel Spott und Häme aus, sondern auch an die Spitze der Gender-Bewegung.“ Weil die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ den Faktor „divers“ außer Acht lasse, wird einfach verordnet: „Für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache ist die Bezeichnung Herr/Frau in der Regel überflüssig.“ Die Bezeichnungen „Studierende“ oder „Mitarbeitende“ haben sich im amtlichen Sprachgebrauch inzwischen durchgesetzt. Peter Hahne bereitet den Leser aber auf die Ausweitung der Kampfzone durch die offizielle Durchsetzung des Partizip Präsens vor: „Backende, Schlossernde, Zimmernde heißen die neuen sprachpolizeilich verordneten Berufsbezeichnungen.“

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Dem Autor geht es allerdings nicht nur darum, auf die Verhunzung der Sprache hinzuweisen. Denn durch den Neusprech – um den von George Orwell in „1984“ eingeführten Begriff zu verwenden – soll, wie in Orwells dystopischem Roman, die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten und damit die Freiheit des Denkens beschränkt werden. Hahne führt dazu Beispiele von Professoren aus US-amerikanischen Universitäten an, die sich weigern, den Neusprech zu gebrauchen, weswegen sie zur Zielscheibe von „regelrechte(n) Hexenjagden“ werden: „Wer etwas gegen Gender oder den Islam hat, kann auch nicht mehr Mathematik oder Sinologie lehren.“ Die „Meinungsdiktatur“, so der Verfasser weiter, führe dazu, dass auf den Index komme, „was und wen wir nicht akzeptieren“.

„Wer tosenden Applaus bekommen wollte, musste nur Gender oder
Greta sagen und ,Fridays for Future‘ über den grünen Klee loben.
Gegenpositionen hatten es nicht nur schwer, sie wurden gar nicht erst gehört“
Peter Hahne über den Dortmunder Kirchentag 2019

Auch mit dem Politsprech beschäftigt sich „Seid ihr noch ganz bei Trost!“. Autor Peter Hahne illustriert anhand mehrerer Beispiele, wie unverständlich die Sprache etlicher Politiker (politisch korrekt: Politikerinnen und Politiker) geworden ist. Statt Klartext zu reden, greifen sie auf Floskeln zurück. Für den Autor geschieht dies „aus lauter Angst, als Populist verschrien zu werden, wenn man popular redet“. Die höchste Kunst der Kommunikation bestehe aber darin, „komplexe Sachverhalte in verständliche Worte zu übersetzen“. Nebenbei entlarvt Hahne auch die Heuchelei mancher Politiker, die in Umweltfragen Wasser predigen und Wein trinken. Wird in letzter Zeit immer häufiger auf die Umweltschäden durch das Fliegen hingewiesen und dagegen das Bahnfahren empfohlen, so hat der Autor herausgefunden, dass im Jahr 2018 Regierungsbeamte zwischen Bonn/Berlin 109 422 Flugtickets, aber nur 26 661 Bahnfahrkarten lösten.

Hinter einer politisch korrekten Sprache stehen freilich ebenso politisch korrekte Auffassungen, zurzeit insbesondere in Sachen Gender und Klima. Dass auch die Kirchen kräftig mitmachen, belegt der Verfasser anhand des Dortmunder (Evangelischen) Kirchentages 2019: „Wer tosenden Applaus bekommen wollte, musste nur Gender oder Greta sagen und ,Fridays for Future‘ über den grünen Klee loben. Gegenpositionen hatten es nicht nur schwer, sie wurden gar nicht erst gehört.“ Deshalb sind für Peter Hahne die Kirchen „kein Bollwerk mehr gegen eine Inflation des Zeitgeistes. Ihre Botschaft ist beliebig und belanglos geworden, verwechselbar und konturenlos. Wenn alles gleich gültig ist, wird bald alles gleichgültig.“

In seinem neuesten Buch weist Hahne zwar auf Missstände hin. Aber er resigniert nicht, sondern ruft den Leser auf, das in der Hand eines jeden Stehende dagegen zu leisten, vor allem auf die Wahrheit zu setzen: „Gegen die Diktatur des Relativismus brauchen wir eine neue Leidenschaft für die Wahrheit. Dann muss ich niemanden mehr ausgrenzen, denn die Wahrheit macht uns frei.“ „Seid ihr noch ganz bei Trost!“ ist ein teils vergnüglicher, auf jeden Fall nachdenklich machender Überblick über die Verunstaltung der Sprache aus ideologischen Gründen.


Dieser Beitrag von José García ist zuerst bei Die Tagespost erschienen.


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Kommentare ( 14 )

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14 Comments
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Rainer mit ai
4 Jahre her

Neben den Geschlechtern müsste konsequenterweise auch rechte Sprache abgeschafft werden. Eigentlich sind es regellinke Hexenjagden. Der Rechtsanwalt wird zum Linksanwalt, der sich um Link und Gesetz kümmert. Im Straßenverkehr gilt ab sofort Links vor Rechts und es wird Linksverkehr eingeführt. Oder doch nicht, denn den haben die bösen Brexitbriten ja auch. Nur das Internet ist politisch korrekt, denn hier klickt man bekanntlich auf Links! Ebenso nervtötend wie das Gendergedöns empfinde ich das ewige Geduze. Ob in der Werbung, beim Friseur oder im Supermarkt an der Kasse. Überall erlebe ich dieses schleimige Heranwanzen an meine Person, so als ob wir alle… Mehr

Peter Mueller
4 Jahre her

Meine Tochter meinte auch vor einiger Zeit, ich solle doch Oma in der Trauerrede nicht als Flüchtling bezeichnen. Geflüchtete höre sich besser an. Diesen Einwand habe ich mir kategorisch verbeten. Meine Mutter war noch ein richtiger Flüchtling. Sie ist nicht wie Millionen junge Männer aus wirtschaftlichen Gründen durch -zig sichere Länder migriert, sondern sie ist mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und ihren Großeltern im Januar 1945 vor der herannahenden Ostfront geflohen. Eine Verunglimpfung und Gleichsetzung mit „Geflüchteten“ verbitte ich mir.

Rainer mit ai
4 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Meine Oma auch, 1940 aus Bessarabien zwangsumgesiedelt, dann 1945 mit Pferd und Wagen aus Westpreußen geflohen. Der Russe war schon zu hören, und wäre die Weichsel nicht zugefroren gewesen, säße ich heute nicht hier. In Westdeutschland haben sie dann aber nicht, wie die heutigen Neuankömmlinge vom Staat gelebt, sondern haben beim Bauern für wenig Lohn auf dem Feld gearbeitet, auch die Kinder. Die heutigen „Geflüchteten“ sind Heuschrecken. Wenn sie ein Land kahlgefressen haben, ziehen sie weiter. Die denken nicht daran, etwas für unser Land zu tun, sondern glauben, wir Deutschen hätten die Pflicht etwas für sie zu tun. Aber Integration… Mehr

keinerda
4 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Leider kann ich Ihnen Herr Mueller nur einen „Daumen up“ geben.
Von mir Jahrgang 1938 bekommen Sie 1, 000 !!! Danke fuer Ihren Beitrag.

Wolfgang Richter
4 Jahre her

Das Neugeschreibsel ist auch sachlich falsch, denn ein Student ist ein solcher auch in der Badewanne samstags, als Studierender aber nur, wenn er seine Fachbücher auswertet oder das Ergebnis dazu verfaßt. Und als Schlossernder ist der Schlosser nur in seiner Werkstatt, wenn er dort aktiv werkelt. Alles andere ist Sprachpanscherei, die der Sprache das Korrekte und die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten nimmt. Aber das ist bei den zunehmend rum posaunenden Simpeln offenbar gewünscht und Programm.

Johanna
4 Jahre her

Gendergerechte Sprache ist eher geschlechtskrank als geschlechtsneutral.

usalloch
4 Jahre her

„Wer etwas gegen Gender oder den Islam hat, kann auch nicht mehr Mathematik oder Sinologie lehren.“ Die falschen Apologeten dieser Ideologie müssen damit rechnen, das ihre Fälschungen eines Tages auf dem kleinen “ Dienstweg” geklärt werden. Der Grund ist ziemlich einfach. Es hat niemand mehr die Zeit und Lust über solch einen Nonsens zu diskutieren. Wir haben wahrlich größere Probleme.

Thomas Holzer
4 Jahre her

Sollte wohl eher heißen: „Veranstaltung durch! Ideologie“, meiner bescheidenen Meinung nach.
Außerdem: Wie werden die anderen -angeblich – 64 „Geschlechter“ dann „korrekt“ „angesprochen“?!
Es gibt ja sonst keine Probleme in dieser Welt

Andreas aus E.
4 Jahre her

Es sollte für Politikende (nicht Politikerinnen und Politiker!) klar sein, daß ausgrenzende Sprache gar nicht geht. Das ist den meisten Autorenden, der höheren Wesenheit, die von Verehrenden verehrt wird, sei Dank, längst klar und sie schreiben mutig an gegen die Übermacht der Hassenden aus dem Umfeld der Rechtspopulistenden und Hetzenden. Besonders erfreulich ist zu vermerken, daß Evangelischkirchentagende sich deutlich als Haltungende erwiesen haben. Denn hier waren vielfach auch Jugendlichende Anwesende zugegen gewesen, die sich geschlossen als sich als progressivende Kämpfende weltoffen gegen Rechts positioniert hatten, um alten weißen Männern, also den typischen Klimaleugnern, ein klares Sinal zu setzen: Stop! Kein… Mehr

Babylon
4 Jahre her

Die Kulturmarxisten haben sich von dem Dogma ihrer Altvorderen verabschiedet „Das Sein bestimmt das Bewußtsein“ und setzten heute auf „Das Bewußtsein bestimmt das Sein“
Da Bewußtsein nun mal etwas mit Sprache zu tun hat, ist die Festlegung neuer allgemeingültiger normativen sprachlichen Vorgaben als kategorischer Imperativ Voraussetzung dafür, das „Sein“ zu verändern im Sinn dieser manipulativen Gesellschaftsingenieure und Bastler.
Neue Sprache – neuer Mensch – neue Gesellschaft.

Neue Sprache – neuer Mensch – neue Gesellschaft.

AJMazurek
4 Jahre her

Herr Hahne hat Recht. Die Sprachverwirrung macht übrigens jeden Gedankenaustausch, Dialoge unmöglich. „Ein jeder ist Maß aller Dinge“, meinten bereits die Epikureer, im Gegensatz zu Platon, Aristoteles und Seneca wie Cicero. Wir sind aber gewarnt, siehe den Turmbau zu Babel. Was die Kirchen angeht, hat er auch Recht: Wem der Zölibat & Vatikan nicht gefällt, hat die Wahl unter tausenden protestantischer „Kirchen“, konvertiere! Die Revolution des Nihilismus predigt und erzwingt eine Scheinvielfalt in eiserner und tödlicher Einfalt.

Thomas Hellerberger
4 Jahre her

Netter Beitrag über ein lesenswertes Buch. Meine Gegenfrage an die Redaktion von Tichys Einblick: Warum verwendet Ihr brav und exakt die neue Rechtschreibung, obwohl sie genau den gleichen Zielsetzungen wie das Gendern folgte? Bereits sie war eine außerordentliche Sprachverhunzung. TE greift häufig, eher aus einer gewissen Bequemlichkeit heraus denn eines Zeichens des Goutierens linksgrünes und linksliberales Sprach-Framing auf – ich sage hier nur, wie zum Beispiel der Begriff „Flüchtling“ oder „Seenotrettung“verwendet wird – und legitimiert es dabei auch in das konservative Lager hinein. Am Ende benutzen alle den Neusprech, so wie es beabsichtigt war.

Peter Mueller
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Alternativ gibt es ja auch entsprechende Bücher. (Für die Jüngeren unter uns: bei Büchern wischt man nicht mit dem Zeigefinger wild auf der Oberfläche herum sondern man blättert um.) Meine Duden von 1980 und 1987 sowie den Wahrig von 1967 hüte ich, als seien es die Reichskleinodien.

Magdalena Hofmeister
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Wenn ich Ihnen in Bezug auf die neue Rechtschreibung soweit Recht gebe, dass sie ebenfalls für einen Haufen Verwirrung sorgte, weil sie z.T. unausgegoren und widersprüchlich ist (v.a. in Bezug Getrennt- u. Zusammenschreibung), so hatte diese Reform jedoch keine vornehmlich ideologischen Gründe, sondern war der missglückte Versuch einer Vereinfachung u. Vereinheitlichung der Rechtschreibung. Gendersprache ist echtes Neusprech und zielt auf eine Transformation des Denkens hin. Ausgangspunkt ist die mehr als zweifelhafte Theorie, dass die Sprache nicht nur Wirklichkeit widerspiegele, sondern als Mittel der Macht vom Patriarchat zur Unterdrückung genutzt werde. Die Vertreterinnen dieser Humbug-Idee (ein Produkt der Genderwissenschaft, die, da… Mehr