Investieren wie Olaf Scholz? Bitte nicht!

In den letzten Jahren hat Olaf Scholz mehrfach betont, dass er sein Geld auf dem Sparkonto anlege. Und dass das Geld dort sicher sei. Damit sendet er ein fatales Signal. Bitte machen Sie es unserem Bundeskanzler nicht nach! Von Prof. Dr. Max Otte

Olaf Scholz folgt mit seinen Äußerungen einer guten deutschen Tradition. Wir Deutschen legen unser Geld nach wie vor überwiegend als Bargeld, Kontoguthaben oder Termingeld sowie bei Versicherungen und in Altersvorsorgeprodukten an. Deutschland war Vorreiter bei der staatlichen Altersvorsorge, die auch lange hervorragend funktionierte. Otto von Bismarck führte 1891 die allgemeine Rentenversicherung ein. Und die hat bis vor wenigen Jahren ganz gut funktioniert. Wir brauchten die private Altersvorsorge in nennenswertem Umfang einfach nicht.

Noch nie waren wir auf dem Papier so reich wie heute – und so dumm. Im 2 Quartal 2022 betrug das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland 7,49 Billionen Euro, nach Abzug der Schulden von ca. 2 Billionen Euro immer noch netto 5,2 Billionen Euro. Das ist deutlich mehr als die Wirtschaftsleistung eines Jahres – ein »Sozialprodukt«. Wir Deutschen sparen immer noch viel.

Aber der Reichtum ist ein scheinbarer. Im Jahr 2013 schockierte die Europäische Zentralbank die deutsche Öffentlichkeit mit einer Untersuchung, nach welcher die Deutschen mit einem Haushaltsvermögen von durchschnittlich 51.400 Euro das Schlusslicht in Europa bilden. Schon damals hatten die Haushalte in anderen Ländern Nettovermögen, die wesentlich höher, teilweise um ein Vielfaches höher waren: Belgien (206.000), Spanien (182.700), Italien (173.500) und sogar Griechenland (101.900).[i] Seitdem hat sich die Lage nicht gebessert. Die Deutschen sind die Ärmsten der Eurozone. Wie kann das sein?

Ganz einfach: wir Deutschen „sparen, ohne anzukommen“, wie es der unabhängige Ökonom Daniel Stelter in „Das Märchen vom reichen Land“ ausdrückt. Ungefähr 4,25 Billionen Euro sind in Bargeld, Sichteinlagen, Schuldverschreibungen und Versicherungen angelegt. Auch wenn es jetzt wieder etwas Zinsen gibt, sind diese Gutaben einer schleichenden Erosion ausgesetzt. Nehmen wir für Deutschland in einer ersten Näherung Zinsen von 2 Prozent und eine tatsächliche Inflation von 4 bis 5 Prozent an. Damit wäre Ihr Sparguthaben negativen Realzinsen von 2 bis 3 Prozent ausgesetzt. In diesem Fall schrumpft die Kaufkraft des in Bargeld, Sichteinlagen und Versicherungen angelegten Vermögens jedes Jahr zwischen

80 und 120 Milliarden Euro.

So viel verlieren wir Deutschen – mindestens – aufgrund unserer Dummheit. Das sind immerhin 1.000 bis 1.500 Euro pro Person und Jahr. Dieses Prozess nennt man auch Finanzrepression (financial repression) und er ist eine Möglichkeit für Staaten, ihre tatsächlichen Schulden zu reduzieren.

WÄHRUNG
Thomas Mayer: „Der Euro wird zur Lira, die EZB zur Banca d’Italia“
[Der obige Kaufkraftverlust ist eher konservativ berechnet. Im Zuge des Ukrainekrieges stieg die Inflation in Deutschland zum ersten Mal seit über 70 Jahren auf  sehr hohe 10 Prozent. Selbst den inflationsgeplagten 70er Jahren, als die beiden Ölschocks das bis dahin nicht gekannte Phänomen der Stagflation auslösten, betrug die durchschnittliche Inflationsrate in Deutschland gut fünf Prozent.

Schon bei sieben Prozent halbiert sich Ihre Kaufkraft alle zehn Jahre.

Manche regierungsnahe Ökonomen beruhigen, dass der Anstieg der Inflation nur vorübergehend sei. So warnte DIW-Chef Marcel Fratzscher, der eigentlich immer die Linie der Regierung vertritt, im Oktober 2021 vor „Panikmache“ in Bezug auf die Inflation. Die EZB-Direktorin Isabel Schnabel befürchtete allerdings mittelfristig eine höhere Inflation. In seiner viel beachteten Weihnachtsvorlesung 2021 hat Deutschland Top-Ökonom Hans-Werner Sinn überzeugend argumentiert, war die Inflation uns wohl über längere Zeit begleiten und vielleicht sogar noch deutlich steigen wird.

Sie müssen also Alternativen zum Sparbuch finden, um sich vor der Inflation zu schützen. Das geht am besten mit Sachvermögen (real assets). Viele Häuslebauer sind der festen Überzeugung, dass die eigene Immobilie die wichtigste Säule für den privaten Vermögensaufbau ist. Immobilien sind die größte Vermögensposition vieler Privathaushalte. Aber auch Immobilien bieten oft nicht den erhofften Vermögensschutz, geschweige denn zusätzliche Wertsteigerung.

Wenn Sie die Immobilie mit variabel verzinslichen Darlehen finanziert haben, trifft Sie der Anstieg des Zinsniveaus brutal. Eine Verdopplung der Schuldzinsen von 2% auf 4% führt dann auch zu einer Verdopplung Ihrer Belastung. Zudem sind Sie als Immobilienbesitzer Immobil und erpressbar. Das im Jahr 2023 beschlossene Verbot von Öl- und Gasheizungen ist nur ein Beispiel dafür, wie Immobilienbesitzer durch die Politik belastet werden, ohne dass sie sich wehren können.

Der Spiegel resümiert in einer Titelgeschichte: „Ohne Zins und Verstand – warum die Deutschen ihr Geld falsch anlegen und wie sie es vermehren könnten“:

„Der deutsche Sparer, so belegen es die Zahlen, ist ein Narr. Er spart sich nicht reich, sondern arm. Er vernichtet sein Vermögen, anstatt es zu vermehren. Er wirft sein Geld praktisch weg. Ja ist er denn völlig verrückt geworden?

***

Als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal in die Computertastatur griff, um die Deutschen über die Geldanlage aufzuklären, nannte ich mein Buch „Investieren statt sparen“. Das war plakativ – und strenggenommen nicht ganz richtig. Denn „investieren“ ist nach volkswirtschaftlicher Definition Investition in Produktivvermögen im Gegensatz zum Konsum. „Investieren“ bezieht sich auf die Art und Weise, wie Sie Ihr Erspartes anlegen – wie Olaf Scholz auf dem Sparkonto, wie die meisten Deutschen in einer oder mehreren Immobilien, oder eben in Aktien und anderen Anlageklassen.

Wir Deutschen müssen lernen, in Sachwerte („real assets“) zu investieren. Die Reichen und Superreichen machen das.

Crashprophet und Börsenbulle
Max Otte: »Viele Sparer trauen sich nicht an Aktien heran«
Jedes Jahr geben die Beratungsgesellschaft Im World Wealth Report von Cap Gemini und RBC finden sich Zahlen hierzu.  Im Gegensatz zum Durchschnittsbürger haben die Reichen in Europa 24 Prozent ihres Vermögens in Aktien – das ist mehr als 2,5-mal so viel wie beim durchschnittlichen Deutschen, und weitere 23 Prozent in Immobilien. Zusammen 47 Prozent Real Assets. In den USA machen Aktien sogar 34 Prozent des Vermögens der Reichen aus.

Erfreulicherweise zeigten die deutschen Anleger 2020 und 2021 wieder mehr Interesse an Aktien: die Zahl der Aktien- und Aktienfondsbesitzer erreichte fast den alten Höhepunkt von 2001. Anscheinend merken doch einige, dass Aktien in Zeiten steigender Inflation und hoher Immobilienpreise unverzichtbar für die Vermögenssicherung und -mehrung sind. Im Internationalen Vergleich, insbesondere im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern, ist der Aktienbesitz der Deutschen aber immer noch sehr gering. Da gibt es noch viel Aufholbedarf.

Wenn ich mit Menschen spreche, die noch nicht am Aktienmarkt engagiert sind, stoße ich meistens auf große Ablehnung:

„Ich habe nicht genug Geld, zum Investieren.“

„Aktien, das ist doch nur was für Spekulanten.“

„Aktien, das ist doch nicht sicher.“

„Aktien sind zu teuer. Ich warte mal, bis die Märkte etwas zurückgekommen sind.“

Und wenn dann die Märkte gefallen sind, heißt es:

„Ich warte mal, bis sich eine Bodenbildung abzeichnet.“

Mein langjähriger Geschäftspartner Stefan Mayerhofer, Chef der Bayerischen Vermögen AG, drückt es wie folgt aus: „Nach den Aktienfieber um das Jahr 2000 der tiefe Absturz. Gerade, als sich die Märkt erholten, die Finanzkrise. Dann die Eurokrise. 2016 die Korrektur wegen der China-Sorgen. Minicrash 2018. Und jetzt der Corona-Crash. Viele Leute haben die Nase voll von Aktien.“

Dabei verschleiern all diese größeren und kleineren Crashs, dass es mit dem DAX, dem DOW und vor allem den S&P 500 ständig nach oben ging und alle diese Indizes zum Jahresende neue Höchststände markierten. Wenn Sie einfach dabeigeblieben wären, hätten Sie Ihr Vermögen schön vermehren können. Wenn sie etwas klüger investiert hätten, hätten sie sogar sehr stattliche Renditen erzielt.

Die Erfindung der sozialen Marktwirtschaft
Ludwig Erhard - Der Exot im Kanzleramt
Auch jetzt ist nicht zu spät, sich mit Aktien zu befassen! Denn die rechnerischen Höchststände der Indizes sagen gar nichts. Seit dem Jahr 2000 hatten wir sicher 70-80% Geldentwertung. Schon alleine deswegen hätten die Aktienindizes, die ja Sachwerte verkörpern, um 70-80 Prozent steigen müssen, nur um real auf der Stelle zu treten. Und auch in einem teuren Markt finden sich noch Schnäppchen, wenn Sie danach suchen. Zudem ist es wirklich keine Alternative, das Geld auf dem Bankkonto oder unter der Matratze liegen zu lassen.

Stephanie Mucha wurde 1917 als drittes von sechs Kindern geboren. Als Dienstmädchen lauschte sie während der Großen Depression aufmerksam den Unterhaltungen ihrer Dienstherren zum Thema Finanzen. Zeitlebens lebte sie sparsam und investierte in Aktien. Aus fünfzig Medtronic-Aktien zu 5,11 Dollar im Jahr 1991 wurde ein Paket von 451.000 Dollar. Bereits 1972 hatten Mucha und ihr Ehemann 150.000 Dollar im Depot, das dann im Crash 1973 massiv an Wert verlor. Als Muchas Ehemann 1985 starb, betrug das Depotvolumen 300.000 Dollar. Im Jahr 2014 verfügte Mucha über 5,5 Millionen – und hat bereits mehr als 3 Millionen für wohltätige Zwecke gespendet. Sie erwarb dieses Vermögen als disziplinierte Langfristinvestorin und mit Sparsamkeit, obwohl ihr Verdienst eher mäßig war. Als sie als Krankenschwester anfing, verdiente sie 2500 Dollar pro Jahr, als sie 1994 in Rente ging, waren es 23.000 Dollar.

Als der Schotte Edward Ried 2002 starb, ahnten seine Erben nicht, was sie erwartete. Sein Haus hatte keine Heizung, er fuhr einen rostigen alten Ford. Eine Nachbarin hatte solches Mitleid mit dem Junggesellen, dass sie ihm einmal eine warme Mahlzeit anbot, die er nach einigem Zögern annahm. Als Reid mit 85 Jahren starb, hatte er mehr als zwei Millionen Euro auf der Bank und 25 Millionen Euro in Aktien. Die Aktien hatte er vor vielen Jahrzehnten erworben und größtenteils einfach liegen lassen.

Falls Sie es noch nicht tun: befassen Sie sich mit der Aktienanlage! Aktien sind pflegeleicht (wenn Sie eine unaufgeregte Langfriststrategie verfolgen), sie haben eine starke Lobby und sind daher wenig von der Politik belastet und sie Sie können – anders als bei der Immobilie – kritische Sektoren meiden und Ihr Vermögen streuen.

Für Olaf Scholz mag es alleine aufgrund seines Amtes und potentieller Interessenkonflikte richtig sein, dass er nicht Aktien (und damit in die Wirtschaft) investiert. Für Sie wäre eine solche Strategie aber sehr nachteilig. Entgehen Sie der schleichenden Enteignung. Werden auch Sie Aktionär!

Max Otte, Endlich mit Aktien Geld verdienen. Mit der Königsanalyse© die besten Unternehmen finden. FBV, Hardcover, 320 Seiten, 25,00 €


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Kommentare ( 2 )

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Michael Palusch
11 Monate her

Die wenigsten der täglich den Besitzer wechselnden Aktien sind Zeichnungen. Wenn aber die Aktie selbst für den Kleinstanleger so ein gutes Geschäft ist, warum gibt’s dann offenbar Halter die diese ohne Not verkaufen?

Last edited 11 Monate her by Michael Palusch
November Man
11 Monate her

„In den letzten Jahren hat Olaf Scholz mehrfach betont, dass er sein Geld auf dem Sparkonto anlege. Und dass das Geld dort sicher sei.“ Sicher hat Olaf Scholz (SPD) auch vergessen, dass Herr Schäuble (CDU), mit Einverständnis seines Koalitionspartner SPD, bereits 2016 die gesamten Sparguthaben der deutschen Bürger, über 2 Billionen Euro, an die EZB zur Sicherung für europäische Banken verpfändet hat. Damit stehen den EU-Banken die 2.000 Milliarden Euro (2 Billionen) der deutschen Sparer als Sicherheit zur Verfügung. Es ist aber stark davon auszugehen, das Herr Scholz sein gesamtes, bestimmt nicht unbeträchtliches Vermögen sicher in Panama, Schanghai, der Schweiz… Mehr