Hans-Werner Sinn fürchtet ungebremste Geldentwertung

Gerade hat die US-Notenbank angekündigt, die Zinsen zu erhöhen – doch die Europäische Zentralbank führt ihren Inflationskurs fort. Der bekannteste deutsche Ökonom und Ex-Ifo-Instituts-Präsident Hans-Werner Sinn warnt, dass so auf die erste Inflationswelle die nächsten Wellen einer importierten und staatlich gewollten grünen Inflation folgen

Inflation ist der Elefant, der im Raum steht: Jeder sieht ihn, kaum jemand in Politik und in den Medien spricht darüber. Die Bundesregierung hofft, dass die Preissteigerung von 5 Prozent im vergangenen Jahr abflacht – mit der Corona-Pandemie, wenn globale Lieferketten wieder funktionieren und der globale Warenaustausch vorübergehende Engpässe beendet. Inflation ist aus dieser Sicht nur ein „Buckel“, und das abschüssige Ende schon in Sicht.

Hans-Werner Sinn ist da ganz anderer Meinung. Der große Wert seines Buches besteht darin, dass er die Voraussetzungen und den Ablauf der derzeitigen Inflationsprozesse präzise analysiert. Nicht mehr der Blick auf die tatsächlich mal höhere, und mal noch höhere Rate der Preisentwicklung von Konsumgütern steht im Mittelpunkt. Es sind die dahinter liegenden Kräfte, die Sinn anschaulich beschreibt.

Die Finanzierung des Euroraums aus der Druckerpresse hat in der Finanz- und Coronakrise ungeheure Ausmaße angenommen und soll weiter fortgesetzt werden. Damit ist gewissermaßen der Brennstoff vorhanden, den die Inflation braucht: Eine zu hohe Geldmenge, gemessen an der wirtschaftlichen Aktivität, die durch Geld erst ermöglicht wird. Durch diese verfünf- oder sogar verachtfachung der Geldmenge wird es für Deutschland und seine Nachbarn immer schwieriger, überhaupt noch einen Weg zwischen der Überschuldung der öffentlichen Haushalte, der Zombifizierung ganzer Wirtschaftszweige durch Subventionierung unwirtschaftlicher Unternehmen und einer Inflation zu finden, die sowohl Wirtschaftswachstum wie privaten Wohlstand gefährdet.

Sendung 02.12.2021
Tichys Ausblick Talk: „Inflation kommt plötzlich“ – Hans-Werner Sinn im Gespräch
Bereits in seinem ersten Interview im Tichys Ausblick Talk Anfang Dezember warnte Sinn, unbestritten einer der großen Wirtschaftsexperten Deutschland, vor einer Erhöhung der Zinsen in den USA als zusätzlichem Inflationstreiber: „Als Reaktion darauf erwerben die Anleger Dollaranlagen und werten so den Euro ab. Die Konsequenz ist eine importierte Inflation.“ Genau dieser Prozess beginnt jetzt wie von Sinn vorausgesagt: In den USA wird schrittweise eine Anti-Inflationspolititik begonnen.

Nun appelliert der ehemalige Wirtschaftsweise an die Deutsche Bundesregierung, gegenüber der EZB zu intervenieren: „Das Feuer der Inflation muss man sofort austreten“, sagte er in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Doch er bleibt skeptisch, ob seine Appelle durchdringen, angesichts der Pläne der Regierungskoaltion den Mindestlohn erhöhen zu wollen, was zu höheren Löhnen insgesamt und Weitergabe der so steigenden Kosten für die Unternehmen an die Verbraucher führen, also eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen wird. Er fürchtet, dass dieser „Buckel“ den Corona-Buckel ergänzt.

Im Wesentlichen ist es aber die von der Regierung mit Hochdruck vorangetriebene Energiewende der Hauptkostentreiber und Inflationsbeschleuniger – sowohl für private Haushalte wie für die Industrie. Auch in diesem Punkt kann Sinn für sich verbuchen, mit seiner Analyse richtig zu liegen. Die Klimapolitik der Ampel-Koalition besteht ja im Wesentlichen darin, Energie zu verteuern. Damit sollen Verbrauch und Konsum gesenkt werden – eine Art grüne Wunderwaffe gegen den von Erhard verwirklichten Wohlstand für alle. Denn teure Energie senkt das Wohlfahrtsniveau der Bevölkerung dramatisch, die einen immer höheren Anteil ihres Einkommens für Heizen, Mobilität und via Greenflation, der energiebedingten und gewollten Inflation, aufwenden muss.

Durchblick schenken
Das Feuer einer Inflation ist nur schwer zu löschen
 Greenflation ist ein Begriff, den jüngst die EZB-Direktorin Isabel Schnabel geprägt hat: Er umschreibt die Hilflosigkeit der Geldpolitik gegenüber einer Politik, die durch ständige Verteuerung der Energie von sich aus entschieden die Preise nach oben treibt. Greenflation schädigt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und führt zur Verarmung der Verbraucher. Aber, da gibt Schnabel indirekt Hans-Werner Sinn recht, diese Inflation ist gewollt und wird ständig vorangetrieben. Aus dem „Inflationsbuckel“ wird so eine ständig aufsteigende Kurve.  Sogar der langjährige Wirtschaftsweise Peter Bofinger, lange einer der Gegenspieler Sinns in Fragen der Wirtschaftspolitik, wirft der Bundesregierung mittlerweile vor, die Inflationssorgen der Menschen zu ignorieren. Statt an den hohen Energiekosten mitzuverdienen, sollte sie die Haushalte entlasten.

Inflation wird damit zu einem der Hauptthemen im Jahr 2022. Stabilität von Währung, Wirtschaft und Wohlstand erfordert entschiedenes Handeln von Wirtschaftspolitik und EZB. Stabilität ist allerdings nicht ohne Kosten zu haben – steigende Zinsen erzwingen Sparprogramme in den staatlichen Haushalten und treiben manche Unternehmen an das Ende. Hat die Politik die Kraft zu einer entschiedenen und nachhaltigen Politik? Sinn zweifelt daran.

Am Ende seines Buches gesteht er ein, sich als Ökonom selten so hilflos angesichts der Inflationsgefahr gefühlt zu haben und ergänzte in unserem Interview: „Ich bin pessimistisch, weil ich bei der Europäischen Zentralbank nicht den Willen sehe, entschlossen gegen die Gefahren einer Inflation vorzugehen. Die Inflation wird kleingeredet; die sich selbst verstärkenden Effekte werden nicht gesehen. Auch die Wirtschaftspolitik hat offensichtlich ihr Inflationsgedächtnis verloren und hantiert leichtfertig mit einer Politik der versteckten Staatsverschuldung über Fonds, die genauso inflationstreibend ist wie eine offene Verschuldung. Ich sehe es als meine Aufgabe an, davor zu warnen.“

Gerade deshalb ist „Die wundersame Geldvermehrung“ ein Augenöffner und ein unbedingt lesenwertes Buch. Und nicht zufällig auf Platz 1 der Wirtschaftsbestseller-Liste im Februar 2022.

Hans-Werner Sinn, Die wundersame Geldvermehrung. Staatsverschuldung. Negativzinsen. Inflation. Herder Verlag, 432 Seiten, 28,00 €


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Kommentare ( 19 )

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Boris G
2 Jahre her

In unserer medialen Demokratie wird es nicht so einfach sein, eine galoppierende Inflation kleinzureden. Selbst in autokratischen Staaten (Türkei) wird die Inflation die Machthaber zu Fall bringen. Weimarer Republik, Argentinien, Italien vor Einführung des Euro usw. – alles Beispiele für die zersetzende Wirkung der Inflation. Wie formulierte John Maynard Keynes: Willst du eine Nation vernichten, zerstöre ihre Währung.

thinkSelf
2 Jahre her

Denn für eine Inflation müssten ja auch mal die Löhne steigen, oder? „
Nö. Dazwischen besteht kein ursächlicher Zusammenhang.

thinkSelf
2 Jahre her

„Stabilität von Währung, Wirtschaft und Wohlstand erfordert entschiedenes Handeln von Wirtschaftspolitik und EZB.“ Ein unglaublich naiver Satz, denn das ist gar nicht möglich. Denn das würde die Wohlstandsillusion platzen lassen, was nichts anderes bedeutet als die Mittelstand in den westlichen Staaten mit einem Schlag auszuradieren. Die Frage ist daher schon falsch gestellt. Es geht nämlich nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern nur noch darum lang anhaltendes Siechtum (Inflation) oder Untergang mit einem Knall. Genau das war der Grund, warum man das nicht schon 2008 gemacht hat. Damals hätte man einfach sämtliche Banken Pleite gehen lassen müssen. Aber das haben nicht… Mehr

Wilson Wilson
2 Jahre her

Die extreme Inflation ist gewollt, um den Widerstand gegen eine neue, rein digitale, Währung zu brechen. Diese Währungsreform wird 2024 zusammen mit einem bereits gesetzlich geregelten Lastenausgleich (vornehmlich wegen der Impfschäden) kommen. Mehr dazu: https://uncutnews.ch/impfpflicht-zur-rettung-des-finanzsystems/

W aus der Diaspora
2 Jahre her

Sagen wirs mal so – die EZB stht vor der Wahl, ob sie dn ärmeren Teil der Euro-Bevölkerung noch ärmer macht, oder ob sie mit dafür sorgt, dass einige Euro-Staaten Pleite gehen und in der Folge der Euro-Raum pleite geht und fast alle Bürger ärmer werden.
Da diejenigen, die die Entscheidungen treffn, selbst nicht zur ärmeren Bevölkerung gehören und höchstwahrscheinlich auch niemand im Verwandten- und Bekanntemkreis, entscheiden sie sich selbstverständlich für Ersteres. Zumindest so lang bis das eigeen Vrmögen und das von denen die sonst so noch wichtig sind, in Sicherheit gebracht wurde.

Unglaeubiger
2 Jahre her

Politiker, Banker etc. sind alle nur Befehlsempfänger für die Agenda 2030! Und die Menschlein wollen es immer noch nicht glauben, denn so grausam kann ja kein Mensch sein! Die geschürten und gewollten Kriege zu Gunsten des Kapitals aus der Vergangenheit sind ja vergessen. Solange die Menschheit nicht begreift, dass man sogenannten Mächtigen und Politikern keinesfalls vertrauen darf, immer wachsam sein muss und dafür jeder Einzelne verantwortlich zeichnet, wird es wohl nix mit einer freien, friedlichen Welt. Das Geschenk Leben könnte so schön sein, wenn das Wörtchen wenn nicht wär.

John
2 Jahre her

Es kommt schlimm, keine Frage, der Abstieg geht ungebrochen weiter. Ich würde mich übrigens sehr über ein Interview mit Markus Krall hier auf freuen, habe länger schon von ihm nichts Neues gehört. Mich treibt die Frage um, wie kann man sich bzw. sein bescheidenes Vermögen noch schützen?
Werde heute Abend auch mal spazieren gehen, es ist an der Zeit…

Dirk Bender
2 Jahre her

Die „Flaschenhals“-Rezession verhindert noch die nächste Inflationswelle. Lieferengpässe und horrende Rohstoffpreise bremsen Deutschlands Wirtschaftsaufschwung. Fast drei Viertel aller deutschen Unternehmen klagen noch immer über Lieferengpässe. Die sehen vielfältig aus. Manche Rohstoffe und Zwischenprodukt sind schlicht nicht lieferbar, andere nur zu horrenden Preisen und viele mit großen Verzögerungen. Was früher innerhalb weniger Tage aus China oder Amerika nach Deutschland geschickt wurde, braucht jetzt Wochen und Monate. Die weltweite Lieferkrise bremst die Wirtschaft aus. Als „Flaschenhals“-Rezession bezeichnet es das Ifo-Institut in einer neuen Studie. Je weniger Rohstoffe und Vorprodukte deutsche Unternehmen aus dem Ausland bekommen, desto weniger Endprodukte können Sie in Deutschland… Mehr

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Tja, die Lösung wird halt ausgeblendet: ohne Dexit keine Rückkehr zur nationalen Währung, ohne nationale Währung kein Ende der Inflation, weil die Südländer in der EZB die Mehrheit haben.

Bleibt die „böse“ AFD. Und die wird halt von Leuten wie Professor Sinn nicht unterstützt. Aber dann darf er auch nicht jammern.

EinBuerger
2 Jahre her

Man muss einfach sehen, was Leute in Italien, Griechenland, etc (bzw aktuell die Türkei) mit ihren Weichwährungen gemacht haben und das Gleiche machen. D.h. in Sachwerte gehen. Keine Geld-Sparguthaben haben. Oder wenn, dann in ausländischer Währung.
Bei den Löhnen, Gehältern wird man sehen, ob es die übliche Lohnspirale mit Streiks etc wie im Süden geben wird.
Irgendeine „staatliche“ oder „gesellschaftliche“ Lösung wird es nicht (mehr) geben. Der Zug ist abgefahren.