Der französische Philosoph hat sich über die Gefährdung Europas geäußert. Hat er Recht?
Von Alfred Schlicht

Alain Finkielkraut hat als Zeitkritiker und Philosoph einen weit über Frankreich hinausgehenden Ruf, ist freilich auch heftiger Kritik ausgesetzt, denn seine Ansichten liegen nicht im Trend – das gilt auch für sein neues Buch „Ich schweige nicht“. Er warnt Frankreich, aber auch Deutschland, vor dem Verlust der eigenen Nationalkultur, die christlich und jüdisch geprägt sei. Vor lauter Verständnis für Migranten, den Islam, für Diversität und diejenigen, die mit unseren Vorstellungen nicht mehr konform gehen, verleugnen wir unsere traditionelle Kultur, verblasst die europäische Identität. Dagegen opponiert Finkielkraut entschieden: „Ich will, dass Frankreich Frankreich bleibt, Deutschland Deutschland bleibt und Europa Europa.“
Dass man in vielen Ländern Europas „die Gastfreundschaft im großen Stil eingeführt“ hat, war eine Reaktion auf die Barbarei des Nationalsozialismus. Es ging darum, „für die Verbrechen der Großeltern zu büßen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Judenvernichtung durch die Nazis gelangte man „zur Einsicht, dass die europäische Zivilisation das Grauen hervorgebracht hat, Hitler letztlich ein Produkt einer Hochkultur war“. Man wollte also, so Finkielkraut, „anstelle der europäischen Zivilisation eine europäische Konstruktion aus Normen und Werten schaffen“. Deutschland stand im Zentrum des Kulturbruchs, „jetzt macht man auf ›wir schaffen das‹“.
Wohin führt falsche Toleranz?
In Köln soll bald der Muezzin zum Freitagsgebet rufen, dazu polemisiert Finkielkraut über die Deutschen: „Vielleicht hat sie Reue so hart getroffen, dass sie zu Idioten geworden sind.“ Etwas milder formuliert der Algerier Boualem Sansal, der 2011 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten hat: „Deutschland war komplett naiv. Und langfristig ist Deutschland das Land, das am meisten bedroht ist. Und dann ist Deutschland aufgrund der Kriegserfahrung eine extrem tolerante Gesellschaft. Und das wird ausgenutzt.“
Ironischerweise versteht sich der französische Intellektuelle durchaus nicht als „Zionist“ – ihm geht es um die Bewahrung „seines“ Frankreich, „seines“ [unseres] Europa. Dazu gehören freilich auch Juden. Jemand sagte zu Finkielkraut: „Frankreich ist für Einwanderer, und Frankreich ist für Araber, nicht für Juden.“ Wenn derartige Vorfälle starken Widerhall in den [wenn auch nur französischen] Medien fanden, dann nur deshalb, weil Finkielkraut in der [französischen] Öffentlichkeit sehr bekannt ist. Die zahlreichen Beleidigungen, Diskriminierungen und Angriffe – 2018 stiegen antisemitische Straftaten in Frankreich um 74 Prozent an – die „normale“ Rabbiner, Schüler und andere Juden erdulden, werden kaum wahrgenommen.
Um in der Öffentlichkeit aufzufallen, müssen es schon grausige Mordtaten sein: Wie der Fall des jungen Juden, der 2006 zu Tode gefoltert wurde, der Mord an Sarah Halimi 2017, und der an der Holocaustüberlebenden Mireille Knoll 2018, die Morde im jüdischen Supermarkt 2015 oder die Morde von Toulouse 2012. In Deutschland erregten sie nur vorübergehend Aufsehen, wurden dann aber bald verdrängt und vergessen – passten sie doch nicht ins politisch korrekte Narrativ. In Frankreich schicken viele Juden ihre Kinder nicht mehr in die öffentliche Schule, sondern in jüdische oder katholische [!] Privatschulen. Die Zahl der jüdischen Auswanderer nach Israel nimmt dort seit Jahren zu. Wie es in Deutschland weitergeht, haben wir vielleicht noch in der Hand.
Judenhass nicht benennen, um nicht islamophob geschimpft zu werden
Im neuen Weltbild spielen Juden eine wichtige Rolle. Die Shoah trat in den Hintergrund. Im Mittelpunkt stand jetzt der Zionismus als angeblich neue Variante des Rassismus(!). Juden wurden mit Zionisten gleichgesetzt und waren somit Rassisten. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie „die Shoah instrumentalisieren“, etwa zur Unterdrückung der Palästinenser. Opfer waren die Muslime, die Araber, die Palästinenser – Täter die Israelis, die Juden. „Alle Juden sind verdächtig“, wie Finkielkraut sagt. „Die große Errungenschaft des Antirassismus besteht … darin, dass er sich den Antisemitismus einverleibt und die Shoah gegen die Juden gerichtet hat.“ Somit werden antisemitische Reaktionen eine legitime oder zumindest verständliche Reaktion auf all das Unrecht, das Muslimen – tatsächlich oder vermeintlich – von „Juden“ zugefügt wurde.
Überproportionale Kriminalitätsrate
Deutschland und Frankreich unterscheidet Vieles: Der Islam und die Migration sind in Frankreich schon viel länger und intensiver präsent als bei uns. Deshalb sind die Probleme drängender, die Gewalt intensiver und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen islamischer Einwanderung umfassender. Bereits der Spiegel aus dem Jahr 1964 (Nr. 29) berichtet über massenweise sexuelle Belästigung von Frauen in französischen Schwimmbädern durch Algerier und erwähnt beiläufig, dass Algerier in Frankreich einen weit überproportionalen Anteil an schwersten Sexual- und Gewaltdelikten haben. Andererseits wird in Frankreich der Laizismus konsequenter angewandt. Frankreich ist viel mehr als Deutschland das Land scharfer, intellektueller Debatten und auch harter Kontroversen. Die Urteile und Wertungen sind hier viel apodiktischer als das in Deutschland der Fall ist.
So sagt Finkielkraut über den Islam: „Diese Religion ist ein Problem. Sie ist mit der europäischen Zivilisation nicht vereinbar.“ Antirassismus sei heute „ein Verbot, der Realität ins Auge zu sehen“. Beim Blick auf Deutschland entsteht deshalb in Frankreich oft der Eindruck, rechts des Rheins sei man naiv, verschlafen oder realitätsfern. Schon 2016 ironisierte Finkielkraut die bei uns zelebrierte Willkommenskultur als Willkommensrausch, aus dem Deutschland an Silvester [2015] mit einem Kater erwacht sei.
Der Verfasser dieses Beitrags ist promovierter Islamwissenschaftler und Orientalist, Diplomat und Buchautor. Er war u. a. stellvertretender Botschafter in Saana und Amman. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählt »Gehört der Islam zu Deutschland?« (Zürich 2017).
Dieser Beitrag von Alfred Schlicht erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.
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Die einzig gangbare Strategie für deutsche und französische Verhältnisse wäre die, nicht vom Islam sondern vom Tribalismus zu reden. Dieser betrifft nicht nur den Islam sondern die dritte Welt generell. Genauso wie Straftaten aus rassistischen Motiven besondere Aufmerksamkeit gar im Gesetzestext erhalten, genauso würde das Bekämpfen von Tribalismus mit gleichen Mitteln schnell Früchte tragen. Was Tribalismus ist, würden Straftäter früh genug merken, wenn sie dann wegen einer Straftat sei es auch Beleidigung vor Gericht stehen. Z.B. weil sie jemand „Kufar“ gennant haben. Der Vorteil ist, man widmet sich nicht einer Religion und bleibt dabei aus derer Schusslinie. Man kann sich… Mehr
Jedenfalls die Nazis fanden Islam gut, weil artverwandt. Gehört er womöglich deswegen zu DE? TE zu „Finkielkraut …“ vom 17-11-21
Islam heißt wörtlich übersetzt „sich ergeben“ und der Prophet hat es nur noch ergänzt in seinem Heiligen Buch, daß es nicht nur „Gottergeben“ bedeutet sondern auch dem Koran, dessen Schöpfer er ja selbst war. Somit war er zumindest in diesem Fall von anfang an sehr ehrlich und seine Nachfolger haben es nie anders gesehen und diese Ergebenheit von allen eroberten Ländern angefordert und das erwartet man auch heute noch, denn der Koran gilt immer noch und wird auch restriktiv ausgelegt und alle die glauben, man könnte ihn auf welche Art auch immer anders deuten zum Zwecke eigener Vorstellungen, der ist… Mehr
Reichsführer SS Heinrich Himmler schwärmte für die weltanschauliche Verbundenheit zwischen Nationalsozialismus und dem Islam. Die Ideologie der Muslimbruderschaft, die aus dem Koran abgeleitet wurde, schien sich in einigen Punkten mit der der Nationalsozialisten zu decken – insbesondere bei der Judenfrage.[1][2] So wurde 1943 nach dem Besuch des Großmufti Mohammed Amin al-Husseini ein Schreiben herausgegeben, in dem angeordnet wurde, das Wort „Antisemitismus“ ab sofort zu vermeiden, da unter dem Begriff „Semiten“ auch die Araber zählen würden und man diese so nicht mit den Juden gleichstellen wollte: „Mit der Verwendung dieses Wortes wird immer die arabische Welt getroffen, die nach Aussagen des Großmufti überwiegend deutschfreundlich ist. Das feindliche Ausland benutzt den Hinweis, daß wir mit… Mehr
„ Er warnt Frankreich, aber auch Deutschland, vor dem Verlust der eigenen Nationalkultur, die christlich und jüdisch geprägt sei“
Die Zeiten sind vorbei, in denen Suizidversuch strafbar war – gilt auch für Zivilisationen. Die einst christlichen Religionen haben sich längst in Wokeness-Sekten verwandelt. Ob Klima-Selbstabschaltung oder Corona-Gängelungen, der Widerstand ist trotz existentieller Bedrohung nicht genug. Wenn der Westen sich selbst abschaffen will, was kümmert es manche Leute, was darauf kommt? Wir haben auch keine Römer mehr am Rhein.
„Deutschland war komplett naiv. Und langfristig ist Deutschland das Land, das am meisten bedroht ist. Und dann ist Deutschland aufgrund der Kriegserfahrung eine extrem tolerante Gesellschaft. Und das wird ausgenutzt.“ Ja, Deutschland war naiv. Frauen- und Menschenrechte gibt es in Afghanistan, Irak und anderen Ländern, weil Afghanen, Iraker und eben andere diese Rechte nicht implementieren wollen. Das werden sie genauso wenig in Deutschland tun. Ebenso fehlt in diesen Ländern eine Bewegung, diese Rechte und eine bessere Zukunft zu erkämpfen. Deutsche sind naiv. Sie geben individuellen Schutz und wundern sich hinterher über die Parallelgesellschaften. Wie kann man nur Toleranz für Menschen… Mehr
Zitat 1: „Finkielkraut über die Deutschen: „Vielleicht hat sie Reue so hart getroffen, dass sie zu Idioten geworden sind.“ Zitat 2: „Diese Religion ist ein Problem. Sie ist mit der europäischen Zivilisation nicht vereinbar.“ > ZU ALLEM was im Artikel von Herrn Finkielkraut widergegeben wurde, kann ich nur absolut zustimmen -UND hier dann GANZ BESONDERS mit Blick auf obige Zitate 1 + 2!! WOBEI ich nun auch hier wieder an Karl Lagerfeld und seine Worte denken muß denen ich auch absolut nur zustimmen kann: – „Wir können nicht Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen“ –… Mehr
Na ja, es waren deutsche Teddy-Frauen da am Bahnhof und es waren (und sind es immer noch ) muslimische Männer, die ankommen, auf welchem Wege auch immer. Offen gestanden wären mir junge Mädchen und Frauen lieber, sofern sie allein kommen, ohne Moslem-Kerle, weil sie sich dem Zugriff eben dieser Kerle entziehen wollen. Wer erinnert sich an „das Mädchen mit den grünen Augen“? Wie ein gehetztes Wild, https://www.br.de/nachrichten/kultur/das-maedchen-mit-den-gruenen-augen,68u32e9m6mr3echt6crkec1g6wtkc. Warum die Frauen hier so affenscharf sind auf diese Männer, kann ich mir zwar denken, muss aber nicht. Dass die deutsche Politik so scharf auf Moslem/Islam ist, kann ich mir auch denken –… Mehr
Der Drops ist gelutscht….spätestens 2015/16 wurde der Grundstein einer dauerhaften Islamisierung Deutschlands gelegt. Angeblich 10%…..im Straßenbild weit über 80%….bei Familiennachzug und weiterhin hohen Geburtenraten, werden (bei Sarazin nachzulesen) die Muslime in Deutschland spätestens 2060 die Mehrheit stellen….evtl. schon die drei-viertel-Mehrheit. Was dann passiert kann sich wohl jeder an fünf Fingern ausrechnen…..bei weiterhin hohen Migrationszahlen wird das auch schon früher eintreten.
Darüber habe ich mich auch schon mehrfach gewundert: der krasse Widerspruch zwischen offiziellen Zahlen und der zu beobachtenden Realität. Nun könnte man einwenden, dass der überwiegende Teil der Migranten nicht arbeitet (sic!) und deshalb das Straßenbild dominiert; Die haben schlicht mehr Zeit zum Flanieren. Letzten Sonntag auf meiner Joggingstrecke 3 Sportplätze passiert: alle gut gefüllt mit ausschließlich Vollbartträgern (die mit dem dunklen Teint, nicht ihre deutschen Nachahmer) und deren jüngeren Mohammedaner-Nachwuchs. Bei so viel „Yallah,Yallah!“ und Muezzin-Ruf-Gedöns frage ich mich, ob unsere „eklige, weiße Mehrheitsgesellschaft“ (S. Heinrich – Bundessprecherin der Grünen Jugend) nicht schon längst nur noch ein Konstrukt der… Mehr
Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. In Frankreich ist es soweit. Der Spielfilm „Die Wütenden – les miserables“ offenbart das mit Unterhaltungswert plastisch: Noch nie in der Geschichte hat es mit dem friedlichen Nebeneinander sozioökonomisch unterschiedlich leistungsfähiger, nicht assimilierbarer Ethnien auf demselben Territorium geklappt.
Grandioser Film – über längere Strecken kann man kaum erkennen, dass es bei Paris und nicht in Lagos spielt. Wenn Leute holen, wieso nicht aus Indien, China und Vietnam – die dortigen Metropolen entwickeln sich prächtig. Selbst Kasachstan baut den Hauptstadtflughafen zehnmal schneller als Schland.
Sorry, aber Deutschland befindet sich nicht „rechts des Rheins“ – das hätte Napoleon vielleicht gern so gehabt -, sondern dieser Fluß fließt durch Deutschland hindurch, jedenfalls über eine lange Strecke. Trier, Köln, Aachen, Krefeld, Kleve – alles deutsche Städte links (!) des Rheins.