Die Bedeutung politischer Symbole ist unbestreitbar. Trotzdem fehlte bislang ein Nachschlagewerk, in dem man sich verlässlich über Symbole, ihren Ursprung, ihre Entwicklung und ihre Mutationen informieren konnte. Diese Lücke ist nun geschlossen.
Menschliche Kommunikation ist ohne Symbole schlechterdings nicht vorstellbar. Erste Ansätze, mit Symbolen zu kommunizieren, finden sich denn auch beim Homo erectus vor 1,2 bis 1,4 Millionen Jahren. Symbole stehen für etwas Komplexes, sie reduzieren diese Komplexität auf ein Zeichen, eine Farbe, ein Tier- oder Pflanzenbild, eine geometrische Figur, eine Geste, eine Handlung (etwa einen Kniefall), ein Kleidungsstück (siehe Kopftuch), eine Bart- oder Haartracht, eine Tätowierung, ein Rangabzeichen, eine Zahl, ein Gebäude, eine Ruine, einen Fluss, einen Berg, ein Denkmal, eine Fahne, einen Himmelskörper, eine Formel, ein Kürzel, einen Buchstaben, eine Ikone, eine Melodie usw. In Symbolen wird im ursprünglichen Sinn des Wortes „Symbol“ etwas „zusammengefügt“ (griech: symbállein = zusammenfügen), was im Detail sehr kompliziert und vielfältig wäre. Auf Lateinisch übersetzt man „Symbol“ denn auch mit „aliquid stat pro aliqua re“ (irgendetwas steht für irgendetwas anderes).
Symbole stehen jedenfalls mehr oder weniger abstrakt für etwas in seiner Komplexität sonst nicht sofort Wahrnehmbares und Gedachtes. Gleichwohl sind sie Hilfen für Erkenntnis bzw. Wiedererkennen, ja gar konservativer, konservierender Teil eines Kollektivgedächtnisses. (Das bei Revolutionen etwa qua Bildersturm oder Denkmalsturz ausgelöscht werden soll).
Die politische Propaganda sowie das Waren- und Dienstleistungsmarketing spielen gezielt auf dieser Klaviatur. Sie nutzen Symbole, weil sich in ihnen bestimmte politische Vorstellungen, ja Ideologien und Glaubenssätze verdichten. Das erklärt, warum politische Symbole so außergewöhnliche Kraft entfalten und Massen mobilisieren, aber auch integrieren und auf ein Ziel ausrichten können.
Ein Symbol lädt den Betrachter dazu ein, es assoziativ zu erschließen. Symbole stiften zudem Identität und Zusammenhalt bei denen, die sie zu erschließen vermögen. Für die anderen sind sie nichtssagend oder gar verhüllend, für die „Insider“ offenbarend. Der Vielfalt menschlicher Kommunikation entsprechend, gibt es auch keinen Bereich, in dem Symbole keine Rolle spielen würden.
So haben wir denn politische, religiöse, mathematische, physikalische, chemische, sportliche, künstlerische, technische, kartographische, kultische, sexuelle usw. Symbole. Ferner Piktogramm, Verkehrszeichen usw. Wahrscheinlich gibt es in jedem Kultur- und Lebensbereich, zum Teil auch universell verständliche, Zigtausende an Symbolen. Ein Lexikon davon gibt es nicht. Gäbe es ein solches, so wäre es wohl voluminöser als der gute alte Brockhaus.
Mit Karlheinz Weißmann (* 1959) hat der Richtige diese Mammutaufgabe übernommen. Weißmann ist Wissenschaftler, versierter Publizist und als langjährig in Niedersachsen tätiger Gymnasiallehrer der Fächer Geschichte und Evangelische Religion auch derjenige, der schwierige Sachverhalte didaktisch aufzubereiten vermag. Mit seinem „Lexikon politischer Symbole“ ist ihm dies auf 628 Seiten höchst eindrucksvoll gelungen. Das wichtige und gewichtige Buch (immerhin wiegt es fast zwei Kilogramm) enthält über zweihundert Einzelartikel, fast 1.700 Abbildungen, vermutlich eintausend Quellen und Fundstellen. Allein das 62 Seiten umfassende, sehr gewinnbringend zu lesende Einleitungskapitel ist mit 195 Belegen untermauert.
Die Einzelkapitel des Lexikonteils umfassen manchmal nur eine Seite. Besonders wichtige Symbole sind auf bis zu zwanzig Seiten ausführlich dargestellt: Zum Beispiel die Symbole Adler/Doppeladler (26 Seiten), Drache/Drachentöter (20 Seiten), Hakenkreuz (18 Seiten), die Farbe Rot (18 Seiten), die Farben Schwarz/Rot/Gold bzw. Schwarz/Weiß/Gold (20 Seiten).
Andere Symbole, die auf zwei bis fünf Seiten dargestellt werden, sind: Adler und Schlange, Balkenkreuz, die Farbe Grün, das Kreuz, der Löwe, der Michel, das Palästinensertuch, die Reichsflagge, die Taube und – seit Russlands Überfall auf die Ukraine – topaktuell das „Z“. All dies mündet ein in 16 Seiten für den Leser sehr hilfreiche Namens- und Schlagwortregister und Nachweise von Bildern (die übrigens alle aus dem Archiv des Autors stammen).
Weißmanns Werk hat bereits vor der Veröffentlichung wichtige „Testimonials“ erfahren. Zu Recht!
Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Werner Patzelt schreibt: „Das Lexikon politischer Symbole ist für jeden zugänglich, der sich für politische Symbolik interessiert. Schön aufgemacht, gehört dieses Lexikon in die Handbibliothek eines jeden, der über konkrete politische Kultur publiziert – oder über ihre Sinnstützen einfach besser Bescheid wissen möchte.“
Und der renommierte israelische Militärhistoriker Prof. Dr. Martin van Creveld urteilt: „Ein großartiger Band, hervorragend produziert und zu einem Thema, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wer sich für die Entwicklung der politischen Symbole interessiert, braucht nicht weiter zu suchen.“
Alles in allem: Ein in jeder Hinsicht gewichtiges Buch, das sich obendrein gut unter dem Christbaum und dann gut für den regelmäßigen Zugriff in der Bibliothek macht.
Karlheinz Weißmann, Lexikon politischer Symbole. JF Edition. Ganzleinenband mit Schutzumschlag, Fadenheftung, Leseband, 628 Seiten, 59,90 €
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S.g.Herr KRAUS,
danke für die Beschreibung der durchaus sehr interessanten Zusammentragung politischer Symbole – mein Interesse ist dahingehend geweckt, ein ideales W-Geschenk für meinen Sohn gefunden zu haben. Mich interessiert allerdings noch, ob in dem umfangreichen Werk auch die Raute erklärt ist, die wir bei jedem öffentlichen Auftritt der vorigen Positionsinhaberin des Kanzleramtes zur Kenntnis nehmen mussten?
Beeindruckend. Da kann man nur hoffen, dass nicht schon der Besitz des Buches in nicht zu langer Zeit strafbar ist weil delegitmierend ist.
Es passiert sehr schnell, dass Begriffe und Symbole umgedeutet werden: Den Regenbogen mit anderem als mit als normal zu bewertenden sexuellen Ungewöhnlichkeiten zu verbinden könnte ebenso zu verfolgenden „Hass“ werden, wie zB das Querdenken von einem löblichen zu einem zu bekämpfenden Prinzip wurde.