Bargeld: Warum ein System aufgeben, das funktioniert?

Unter dem Banner des Fortschritts wird schon seit Längerem die bargeldlose Gesellschaft propagiert. Der englische Finanzexperte und Journalist Brett Scott zeigt, dass und wie Big Tech und Big Finance immer enger zusammenrücken und mithilfe der allgegenwärtigen digitalen Geräte ihre Macht über uns gefährlich ausbauen, zum Nachteil unserer Freiheit und Unabhängigkeit.

Der Kampf um seine Abschaffung tobt: das Bargeld ist unter Druck. In diesen Tagen wurde eine wichtige Entscheidung von der Europäischen Zentralbank bekannt:

Der Digitale Euro soll kommen! Die EU-Kommission hat offiziell Vorschläge über seine Einführung veröffentlicht. Interessant dabei: Gleich am Anfang schreibt sie, dass man Vorschläge vorgelegt hat, „um sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen im gesamten Euro-Währungsgebiet weiterhin Zugang zu Euro-Banknoten und -Münzen haben und damit bezahlen können“.

Das klingt seltsam – digitales Geld und gleichzeitig Bargeld? Der Widerspruch läßt sich leicht auflösen: Die EZB geht davon aus, dass das Bargeld auf Druck der Regierungen und der Großkonzerne verschwindet. Nun ja, in einigen Nischen soll es trotzdem noch Scheine und Münzen geben, eine Art Trostpreis.

Auch andere halbamtliche Verlautbarer propagieren die Abschaffung des Bargelds – etwa das ZDF, das vielerlei Bakterien auf Geldscheinen entdeckt haben möchte. Die Verschmutzung ist zwar weitgehend Erfindung und die Behauptung widerlegt – aber was macht das schon, wenn es um große Ziele geht? Denn das Bargeld hat viele Feinde.

Da sind die Unternehmen, die am elektronischen Geld verdienen, die Computerkonzerne und Banken. Bei jeder elektronische Bezahlung kassieren sie mit. Elektronisches Bezahlen ist teuer, für Konsumenten wie Händler. Kein Wunder, dass hinter dem Kampf gegen das Bargeld Bill Gates steht, der Gründer von Microsoft.

TICHYS LIEBLINGSBUCH DER WOCHE
Bürgergeld und Kryptowährung - zwei Seiten einer Medaille
Das erste der großen bekanntgewordenen Gates-Projekte ist die Propagierung des elektronischen Zahlungsverkehrs und digitaler Bezahlsysteme einschließlich der Zurückdrängung und Abschaffung von Bargeld. Zu diesem Zweck hat er bzw. seine Gates-Stiftung 2012 die Better Than Cash Alliance (BTCA, zu Deutsch: „Besser-als Bargeld-Allianz“) gegründet. Weitere BTCA-Gründungsmitglieder sind unter anderem Visa und die Citibank-Stiftung, 2013 ist Mastercard dazugekommen.

Zwischenzeitlich sind auch einige Konzerne wie Coca-Cola und Unilever sowie zahlreiche Staaten beigetreten. Vor allem Staaten wie Afghanistan, Äthiopien und Sierra Leone. Europäische Staaten sind nicht dabei.

Aber auch die Bundesregierung überweist Geld an die Allianz; immerhin 500.000 Euro von 2016 bis 2018. Denn auch Regierungen hassen das Bargeld. Es läßt sich nicht verfolgen. Innenministerin Nancy Faeser ist eine erklärte Gegnerin des Bargelds, weil es angeblich Kriminelle vor Verfolgung schützt. Das Argument ist natürlich dummes Zeug. Kriminalität läßt sich nicht durch Verbote blockieren. Faeser will Bargeld zur Bezahlung nur noch bis zu einer Grenze von »deutlich unter 10.000 Euro« erlauben. Wieder soll den Bürgern ein Stück Freiheit genommen und die Kontrolle ausgeweitet werden.

Die Europäische Zentralbank will einen „digitalen Euro schaffen. Die einzige erkennbare Funktion des E-Euros ist es, das Bargeld verdrängen zu helfen und der digitalen Totalüberwachung näherzukommen, so der Handelsblatt-Fachmann Norbert Häring. Doch es gibt auch Freunde des Bargelds. So hat der slowakische Nationalrat am 15. Juni mit großer Mehrheit eine Verfassungsänderung beschlossen, die den Einzelhandel auf die Akzeptanz von Bargeld verpflichtet.

In Deutschland wollen die meisten Menschen am Bargeld festhalten. Die Gründe dafür liegen z.B. in der Stofflichkeit und „Langsamkeit“, die sich zur Budgetierung gut eignet und der deutschen Sparmentalität entspricht. Für Bargeld sprechen auch ganz pragmatische Gründe. Es ist auch dann noch verfügbar, wenn der Strom ausfällt oder der Bankensektor zusammenbricht.

In seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe seines Buches schreibt Brett Scott: „Aber es gibt auch historische Traumata, die bei der Vorliebe der Deutschen für Bargeld eine Rolle spielen. So ist zum Beispiel die Stasi-Überwachung im kulturellen Gedächtnis verankert und ebenso das Wissen, dass Bargeld die Privatsphäre schützt.“

Eingeführt vor 75 Jahren - 21. Juni 1948
Mit 40 Mark pro Kopf in die neue Ära
Das Buch von Brett Scott ist deshalb so wertvoll, weil es die Motive der Feinde des Bargelds präzise beschreibt. Neben den Regierungen mit ihrem Wunsch nach totaler Überwachung sind es die Finanzkonzerne aber auch die Großkonzerne.

Ihr Ziel ist klar: Der Zugang zum digitalen Euro ist für Start-Ups und kleine Wettbewerber schwierig, die Technologie sperrt viele Konkurrenten aus und auch die Konsumenten werden für die Konzerne gläsern, durchsichtig. Ihr Konsumverhalten kann ausgewertet und überprüft werden.

Das ist der wohl wesentlichste neue Punkt in dem sehr empfehlenswerten Buch: Die Rolle des „Milliardärs-Sozialismus“ – des Zusammenspiels von Großkonzernen und Staaten, die vielfach gemeinsam die Kontrolle perfektionieren, den Wettbewerb ausschalten und die Konsumenten berechenbar machen wollen.

Dafür ist jedes Mittel Recht, wie z.B. unser hart verdientes Steuergeld für Subventionierung der Better Than Cash Alliance die wirklich nur die Giganten der Tech- und Konsumindustrie darstellt. Sie greifen zu jedem Mittel und haben schwächere Länder der Dritten Welt zum Bargeldverzicht überredet – mit katastrophalen Folgen für die dortige kleinteilige Wirtschaft: Graswurzel-Unternehmen im Handel, der Landwirtschaft und im Handwerk brachen buchstäblich zusammen.

Der Prozess der Schwächung des Bargeldes befindet sich in Deutschland noch immer in einem vergleichsweise frühen Stadium, aber er hat begonnen. Die Fintech-Firmen, Zahlungsunternehmen und Banken visieren immer zunächst junge, trendige Leute an. Anders als die Bundesbank wollen Teenager nicht uncool erscheinen, indem sie sich dem Trend verweigern, aber „cool“ sein bedeutet sich mit dem Aufstieg von Konzernen abzufinden, die mehr Macht erlangen, als je ein anderes Unternehmen in der Geschichte der Menschheit.

„Diese Unternehmen“, schreibt Brett Scott, „haben eine Machtbasis der jüngeren Generation (und in den trendigen Mittelschichten dieser Welt), und sie werden diese als Sprungbrett benutzen, um von hier aus ältere, ärmere und nonkonformistische Menschen nach und nach dazu zu drängen, sich zu den digitalen Zahlungslösungen der Konzerne zu bekehren. Diese Finanz- und Technologieunternehmen ermutigen die deutschen Unternehmen insgesamt auch dazu, eine Agenda des bargeldlosen Bezahlens durchzudrücken.“

„Cloudmoney“ ist ein Buch, mit dem man für die jetzige Debatte gut gerüstet ist.


Brett Scott, Cloudmoney. Cash, Karte oder Krypto: Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet. Penguin, Hardcover, 352 Seiten, 24,00 €.


Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 23 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

23 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Kuno.2
9 Monate her

Das Geldsystem funktionierte immer nur mit Inflation, d.h. mit eingebauter Preissteigerung. Aber daran war noch nie das Geldsystem schuldig, sondern die Aufblähung der Schulden durch diverse Konjunkturprogramme in der Vergangenheit.

Peter Pascht
10 Monate her

„Warum ein System aufgeben, das funktioniert?“
Aufgeben, weil es funktioniert !!!
Funktioniert so,dass es Finanzbetrügern ein Dorn im Auge ist.
Dieses Betrug Hindernis muss daher abgeschaft werden.
Forciert wird die Einführung des Digital-Geldes, genau von diesen kriminellen Betrugsnetzwerken insbesondere bei der EU.

lkempf
10 Monate her

Die Einführung des digitalen Euro ohne zunächst Beibehaltung einiger Euro-Noten würde die Bankenwelt womöglich ins Chaos stürzen, denn der Bürger würde sein Konto erst einmal räumen und das Bargeld zuhause horten. Der Zusammenbruch unsere fragilen Banken wäre wahrscheinlich die Folge. Die Funktionäre der EU werden das sicherlich bedacht haben.

Kartoffelstaerke
10 Monate her

Das echte Problem mit dem Digitalen Geld ist sein Online-Charakter. Das heißt, wenn man im Supermarkt sein Kärtchen dem Lesegerät vorhält, fällt online ein Datenverkehr der betreffenden, identifizierten Person an, dessen Inhalt auf Servern gespeichert ist. Zudem bestimmt die online verbundene Gegenseite, ob Geld „ausgezahlt“ für bestimme Produkte wird oder nicht, was in Zukunft die totale Kontrolle über die Person bedeuten kann. Es wäre aber absolut möglich, ein wirklich anonymes Digitalgeld ohne diese Eingriffsmöglichkeit beim Bezahlen einzusetzen. Das gab es sogar schon einmal (ob diese Funktion heute noch existiert, weiß ich gar nicht). Man konnte auf dem Kartenchip seiner EC-Karte… Mehr

Last edited 10 Monate her by Kartoffelstaerke
EddyNova3122
10 Monate her

Handel hat etwas mit Wert & Gegenwert zu tun ! Wenn ich eine Uhr für Euro 1000,- z.b. verkaufe sind die z.b. 2 Euro 500 Scheine zwei Schuldscheine im Gegenwert dieser Uhr die ich wie immer es mir beliebt einlösen kann ! Wenn ich früher im Grosshandel Waren verkaufte und vis a vis hatte DM 2.000 dabei und schlug vor für DM 6.000 zu kaufen , den Rest aber in 5 Raten a DM 800 habe ich das nur dann gemacht wenn ich 10 vordatierte Euroschecks die bis DM 400 Bargeld waren erhalten habe. Formal waren die vordatierten Euroschecks nicht… Mehr

DackelWastel
10 Monate her

Wer die Kontrolle über deine Finanzen hat, hat die Kontrolle über dich und dein Verhalten. Mit Bargeld entzieht man sich der Kontrolle des Staates. Wenn es nur noch digitales Geld gibt, wird die Politik hoch und heilig schwören, daß sie das niemals als Machtinstrument mißbrauchen werden. Es werden sogar Gesetze diebezüglich gemacht. Doch es ist, wie es schon immer war. Sie lügen, wann immer sie es für nötig halten, wie mit dem Euro (keine Schuldenvergemeinschaftung etc.), es wird keine Impfpflicht geben, wie bei der Zuwanderung (da kommen Fachkräfte, da kommen nur Mütter mit Kindern) und und und. Mit dem Machtinstrument der… Mehr

Transformation
10 Monate her

Wenn Bargeld nur noch provisorisch ist, also nicht verboten aber reguliert (Ein/Auszahlungen begrenzt usw.), und man Händlern Steine in den Weg legt, indem man höhere Gebühren für Bargeld verlangt als für Kartensysteme/digitales Geld, dann hat man die volle Kontrolle über das private Geld der Bürger. Man kann dann quasi kaum noch etwas mit Bargeld bezahlen. Ist es erst geschafft, dass man dann aus angeblich nicht gefragtem Bargeld, dieses ganz abschafft und jeder nur noch ein Wallet mit digitalem Geld hat, kann man sehr leicht durch ein Punktesystem (CO2 Konto z.B.) den Hahn zudrehen. Man hat gesehen, dass in der Pandemie… Mehr

Last edited 10 Monate her by Transformation
Jerry
10 Monate her

Ich habe in meinem ganzen Leben keine 10x mit Karte bezahlt, wo es geht zahle ich nur bar. Einzig bei Onlinekäufen, die zudem leider immer mehr werden, zahle ich halt bargeldlos. Selbst da würde ich sogar per Nachnahme mit Scheinen abrechnen, trotz höherer Kosten, nur leider bieten das immer weniger Händler an. Obwohl ich Technikfan bin und einen IT Beruf habe, bei diesem Thema bin ich absolut „Oldschool“. Ich nutze keine sozialen Netzwerke (außer dem Kommentarbereich hier), habe keine Payback Karten, keine Tankkarten, keine hippen Apps auf dem Smartphone, nichts dergleichen. Wer an Daten von mir kommen will kommt zwar… Mehr

bkkopp
10 Monate her

Es gibt viele gute Gründe für und gegen Bargeld. Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass Bargeld sehr teuer ist, und dass der private Nutzer noch nie bereit war, für die Nutzung zu bezahlen. Das ist sicher nicht nur seine Schuld, weil die Kostenstrukturen von der Druckerei und den gesamten vielstufigen Kreislauf von Bargeld bis zur Eliminierung und Entsorgung von unbrauchbaren Scheine nie transparent waren. Ein mir bekannter Supermarktbetreiber ist jedenfalls sehr froh, dass mittlerweile mehr als die Hälfte seiner Kunden, die mehr als 3/4 seines Umsatzes generieren, bargeldlos bezahlen. Die Elektronik ist auch nicht gratis, aber viel kostengünstiger als das… Mehr

Jerry
10 Monate her

…“visieren immer zunächst junge, trendige Leute an. Anders als die Bundesbank wollen Teenager nicht uncool erscheinen …“

Das war mir sowieso klar! Wer sich eine Spritze unklaren Inhalts verpassen lässt, nur um in den Zappelschuppen oder ins Restaurant zu dürfen, der macht das garantiert auch mit und findet es noch klasse. Hauptsache Trendy!