Auswege aus der Energiewendewunschwelt

Wer im Dschungel der Berichterstattung und Literatur zur Energiewende nach Orientierung sucht, nach Wissen zum größten staatlich induzierten Umbau der Wirtschaft seit Bestehen der Bundesrepublik, dem sei ein Sach-, Fach- und Erklärbuch empfohlen, das zu einem eigenen sachbezogenen Urteil befähigt.

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Herbert Niederhausen, der Herausgeber von „Generationenprojekt Energiewende“ ist Diplomingenieur für Energietechnik und Elektrotechnik mit dem Arbeitsschwerpunkt Leittechnik. Er war sowohl in der Forschung als auch in Planung, Bauleitung und Inbetriebsetzung von großen Energieanlagen tätig. Ein Praktiker, der nicht in Elfenbeintürmen Luftschlösser baute, keiner, der passgerecht im Lobbyauftrag lieferte. Seine Anlagen mussten laufen, zum festen Termin, zu den gnadenlosen Bedingungen naturwissenschaftlicher Gesetze.

„Elektroenergiepolitik im Spannungsfeld zwischen Vision und Mission“ lautet der Untertitel. Es geht vorwiegend um den Strom, so wie die bisherige Energiewende eben prioritär nicht mehr als eine begonnene Stromwende ist. Dennoch wird über den Tellerrand geschaut zu Wasserstoff und E-Mobilität und es werden wichtige Zusammenhänge hergestellt.

Erwähnt werden muss, dass das Buch bei „Books on Demand“ verlegt wurde, ohne finanzielles Interesse von Herausgeber und Autoren, die alle auch kein Honorar erhielten. Ihre Beiträge erschienen teils schon an anderer Stelle, aber deren Zusammenfassung in einem Buch macht seinen eigentlichen Wert aus. Die Namensliste stellt gleichsam das „who-is-who“ des energiewendekritischen Sachverstands dar, beispielhaft und ohne Wertung, geschweige denn nach einer Rangfolge, seien hier genannt: Ahlborn, Alt, Kobe, Peters, Schmitz, Schuster, Schwarz. Um den Lesefluss nicht zu bremsen, habe ich die akademischen Titel entfallen lassen. Sie sind zahlreich. Alle verdienen ihren Lebensunterhalt außerhalb der Politik, sind Unternehmer, Wissenschaftler, freischaffend, emeritiert oder pensioniert. Der Vorwurf einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu einer Lobby würde schon deshalb fehlschlagen, weil es eine Kohle-, Atom-, Netz- oder kritische Wissenschaftslobby sein müsste, die es in Deutschland nicht mehr gibt. Die Autoren haben den Ehrgeiz, ohne Kohle Aufklärung zu leisten, eben auch über die Themen Kohle, Kernkraft und darüber hinaus.

Die Windkraft als Nutznießer
Die faule Goldmarie der Energiewende
Dennoch ist dieses Buch, wie Herbert Niederhausen im Vorwort bemerkt, streng sachlich, aber nicht neutral. Haltung heißt hier, zur Sache zu stehen. Die Erkenntnisse, zu denen die Autoren gelangten, schließen Bemerkungen zu den Wechselbeziehungen zu Politik und Gesellschaft ein. So verschieden die Autoren und Schreibstile, so umfangreich die Themen und Erkenntnisse.

Es handelt sich definitiv nicht um Einschlaflektüre. Es wird nur wenige Leser geben, die inhaltlich von Anfang bis Ende folgen können. Insbesondere einige mathematische Exkurse sind hochkarätig und werden nur wenige Leser begeistern. Im Gegensatz zu zeitgeistigen Werken finden sich jede Menge Zahlen und Grafiken.

Ein umfangreicher Anhang, Daten und Quellenangaben machen das Recherchieren leichter.

Aber selbst beim Überlesen von Formeln bleibt manches hängen und es ist ein Verdienst dieses Buches, zum Denken und Grübeln anzuregen. Dass die Schwankungen der Windstromproduktion bis hin zu ihrem Totalausfall das Kernproblem der Energiewende sind, wird einleuchtend dargestellt. Über Variationskoeffizienten lässt sich errechnen, dass die Windleistung volatiler ist als die Augenzahlen beim Würfeln. Hier wünscht man sich als unterdurchschnittlicher Mathematiker einen (im wahren Wortsinn) Gegenwind aus der Phalanx von Bundesverband Windenergie, Agora oder DIW im Sinne einer Gegenrechnung. Stattdessen Ignoranz und Schweigen, höchstwahrscheinlich ist die Rechnung nicht angreifbar.

Wichtig sind die Erkenntnisse, dass eben nicht „irgendwo immer Wind“ ist, jedenfalls nicht in Europa, und dass weiterer Zubau nicht zur Vergleichmäßigung führt, sondern im Gegenteil die Extremwerte weiter steigen lässt.

An vielen Stellen des Buches finden sich die eindrucksvollen Grafiken und Diagramme von Rolf Schuster, der seit vielen Jahren akribisch die Daten von Netzbetreibern und anderen in Bilder setzt. Im Internet weit verbreitet, werden sie von den so genannten Qualitätsmedien wie auch von der Erneuerbaren-Branche strikt ignoriert. Das hat seinen Grund – es könnte die Menschen verunsichern. Allein der Anblick der Schwankungsbreite der Einspeisung von Regenerativstrom lässt auch bei Laien Fragen entstehen, die nur schwer zu beantworten sind. Lieber berichtet man von einzelnen Tagen mit Ökostromrekorden und fordert den „Energiewende-Turbo“ in Form von immer mehr vom Gleichen. Dass selbst ein umfänglicher Speicherausbau nicht hilft, wird rechnerisch belegt. Ein System aus volatilen Einspeisern würde ein theoretisch unendliches Speichervolumen erfordern. Auch das ist Mathematik.

Das noch nicht lange öffentlich diskutierte Problem des „Terrestrial Stilling“ (TS), der tendenziell sinkenden Windgeschwindigkeiten in der Nordhemisphäre, wird ebenso mit der nötigen Sorgfalt erläutert wie die Hintergründe der Netzregelung und die Regelfähigkeit von Kernkraftwerken. Die behauptete Trägheit der „unflexiblen Tanker“ wird damit eingeordnet, wo sie hingehört – ins Reich der Propaganda.

Tichys Lieblingsbuch der Woche
Mit der Energiewende entschlossen in ein grünes Nirwana
Als Fazit bleibt, dass wir mit großen Schritten einer Energiemangelgesellschaft entgegen gehen, ideologisch fest, aber in den Wirkungen fatal. Energiemangelgesellschaften sind immer arme Gesellschaften. Wenn ein Ex-Bundespräsident empfiehlt, einen Pullover anzuziehen, vergisst er, dass der Hunger nicht weit ist, wo gefroren wird. Energiemangel führt zu Engpassbewirtschaftung, die so genannte intelligente Verbrauchersteuerung ist unter den Bedingungen des Mangels nichts anderes als eine Rationierung.

Verzichtsphilosophen werden Hochkonjunktur haben. Die gewünschte „Große Transformation“ ist auf dem Boden des Grundgesetzes nicht umsetzbar, sie erfordert totalitäre Bedingungen. Robert Habeck sah in China die Voraussetzungen dafür besser gegeben. Längerfristig will unsere Regierung den allumfassenden disziplinierenden Klimastaat.

Man kann nur wünschen, dass das Buch viele Leser findet. Es erspart einen Regalmeter selbst zusammengesuchter Sachliteratur. Und ebenso wünscht man sich, dass die Autoren weitermachen, neue Erkenntnisse gewinnen, auch wenn sie sich an der einen oder anderer Stelle korrigieren müssten, das ist Wissenschaft.

Zu wünschen wäre auch, dass man bei Planungen zum Umbau des Energiesystems diese Erkenntnisse berücksichtigt. Das wäre eine belastbare wissenschaftliche, zumindest wissensbasierte Grundlage. Nach 20 Jahren überwiegend erfolgloser Energiewendemaßnahmen erweisen sich Politiker allerdings als lernunfähig und in einer Energiewendewunschwelt gefangen. Sie sind der Lobby liebstes Kind.

Herbert Niederhausen (Hg.), Generationenprojekt Energiewende. Elektroenergiepolitik im Spannungsfeld zwischen Vision und Mission. Books on Demand, Paperback, 444 Seiten, 64,49 € (auch als E-Book für 10,99 € erhältlich).

Mit Beiträgen von: Dr.-Ing. Detlef Ahlborn, Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt, Dr.-Ing. Roland Aßmann, Dipl.-Ing. Frank Diercks, Prof. em. Dr. rer. nat. habil. Sigismund Kobe, Dr.-Ing. Kai Kosowski, Hans-Peter Musahl, Henrik Paulitz, Dr. Björn Peters, Prof. (i.R.) Dr.-Ing. Albrecht Pfaud, Prof. Dr. rer. nat. habil. Dr. h.c. Dieter Rasch, Dr. rer. physiol. Judith Schmitz, Rolf Schuster, Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. mult. Harald Schwarz, Prof. Dr. L. Rob Verdooren.



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Kommentare ( 19 )

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GP
1 Jahr her

Wenn Wissen auf Glauben trifft, gewinnt gesamtgesellschaftlich immer der Glaube. Die neue Klimareligion, auf welche diese völlig irre „Energiewende“ basiert, ist rational nicht angreifbar da ja jegliche religiöse Dogmen von der Transzendenz der Botschaft getragen werden. Das CO2 ist zum Geschäftsmodell geworden analog zum Ablasshandel vor 500 Jahren. Wir leben weiter in der Glaubenswelt des Mittelalters, nur mit Internet…..

alter Bock
1 Jahr her

Ich denke, dieses Buch wird von denen, die der Alternativreligion anhängen , nicht gelesen werden. Die es lesen brauchen es eigentlich nicht zu lesen, weil sie sowieso den Schwachsinn der „Energiewende“ durchschauen. Leider!

Riffelblech
1 Jahr her

Es ist wohl tatsächlich so das die vielen sachkundigen Kritiker der „Erneuerbaren Energiewende „ nur deshalb von einer völlig negierenden Politik nicht verstanden werden ,weil das geistige Potential derselben einfach nicht ausreicht um die physikalischen Zusammenhänge zu verstehen .
Die AfD hat noch die Köpfe dazu ,die CDU hat auch kluge Köpfe. Deren Sachkenntnis wird aber vom Parteiprogramm eingefangen .
Bleiben noch die Grünen und SPD . Da ist nun wahrlich kein Preis zu gewinnen . Deren Parteiprogramme verbieten regelrecht die Anerkennung von physikalischen und Chemischen Zusammenhängen hinsichtlich der klimatischen Verhältnisse .Sowohl bei der Energiewende als auch bei dem Klimawandel.

Boudicca
1 Jahr her

Alle Räder stehen still, wenn der Wind nicht wehen will.

ersieesmussweg
1 Jahr her

Es kämpfen die physikalischen Naturgesetze gegen die Klimareligion. Religionen, also der Glaube an was auch immer, sind das älteste Gewerbe der Welt. Dieses Geschäft funktioniert immer noch.
Wir müssen tatsächlich einen richtigen Blackout erleben, bevor sich bei den Gläubigen erste Zweifel einstellen. Aber vermutlich ist dann Putin Schuld oder Corona. Das Leben kann so einfach sein……

Dunkelsachse
1 Jahr her

Das Buch könnte nur dann etwas bewirken, wenn jeder staatlich Alimentierte, dazu zählen für mich auch Beamte, Politiker, Behördenmitarbeiter, …, zur Lektüre mit anschließender Prüfung und Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse verpflichtet wäre.

Last edited 1 Jahr her by Dunkelsachse
Gotthelm Fugge
1 Jahr her

Habecks nächster irre Paukenschlag: [https://www.welt.de/politik/deutschland/plus239271915/Windkraft-Ausbau-Klimaschutzminister-Habeck-saet-Wind-und-erntet-Sturm.html] ““Robert Habeck (Grüne) will den Bundesländern genau vorschreiben, wie viel Fläche sie für Windkraftanlagen ausweisen müssen. Das ruft vielerorts Widerstand hervor.““   Trotz alledem: „“Der Reinhardswald in Nordhessen mit dem berühmten „Dornröschenschloss“ Sababurg soll mit Windrädern überzogen werden.““   Auch WeLT: ““Jetzt hat das Regierungspräsidium Kassel, wie erwartet, grünes Licht für die ersten 18 Anlagen gegeben.„“   Der Märchenerzähler-Wirtschaftsminister mit seinem fulminanten Werk [ISBN: 9783961291465] Robert Habeck – “Kleine Helden, große Abenteuer: Vorlesegeschichten für jeden Tag“ zerstört bewusst und mit Vorsatz einer Schimäre wegen wertvolle Landschaft und deutsches Kulturgut!   Die Habeck-Baerbock-Kellner-. . . -Nouripour-Roth-Trittin-Kohorten rekrutieren… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Gotthelm Fugge
derostenistrot
1 Jahr her

Wenn die Grünen dieses Bild sehen, werden sie bestimmt sagen, daß es doch geht mit dem Windstrom.

Horst
1 Jahr her

Es tut mir für alle wirklichen Experten sehr leid, aber: Bitte lasst uns in den Untergang gehen, je schneller, desto besser. Umso eher können wir feucht durchwischen und neu anfangen.

Iso
1 Jahr her

Wie man denn mit Energiesparen Wirtschaftswachstum erzeugen will, hat Herr Doktor noch nicht erklärt.