Einbruch in der Chemie ist böses Omen

In der Vergangenheit erwies sich die Chemiebranche als exzellenter Frühindikator schwerer Krisen. Die gegenwärtige Lage der Branche sollte eine Warnung sein: Das Klimaregime befindet sich am Beginn seines Zusammenbruchs. Und Berlins Schuss mit der dicken Schulden-Berta wird daran nichts mehr ändern.

Imago/ Jochen Tack

Manch einer von Ihnen wird sich vermutlich noch an das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2001 erinnern. Fünf Jahre lang hielt der unentwegte Börsenboom im neuen Tech-Segment seinerzeit an. Die Nasdaq eilte von Allzeithoch zu Allzeithoch, ein Rekord jagte den nächsten. In der Euphorie waren den Marktteilnehmern, Investoren wie Privatanlegern die Sinne vernebelt. Niemand konnte ahnen, wann genau die Musik zu spielen aufhören würde.

Der Dotcom-Crash

Hätte man sein Investorenverhalten eng an der Entwicklung der deutschen Chemiewirtschaft ausgerichtet, wäre man der unvermeidlichen Portfolio-Katastrophe wohl entkommen. Bereits zur Jahresmitte 2000 brach in der deutschen Chemiewirtschaft die Produktion um sechs Prozent ein. Ein böses Omen für die Realwirtschaft, denn die Chemie ist eine frühe Reflexion der Entwicklung in der Kernindustrie – im Maschinenbau, in der Automobilindustrie, in der Bauwirtschaft und ganz allgemein in der Konsumgüterproduktion.

Ihre tiefe Verflechtung in die fundamentalen Wertschöpfungsketten im Innenraum der Ökonomie macht die Chemie zu einer Glaskugel mit prognostischer Schärfe.

Und tatsächlich: Im Folgejahr glitt die deutsche Wirtschaft in die Rezession ab. Auch in den USA ging es bergab, was sich unmittelbar im Exportgeschäft der deutschen Chemieindustrie niederschlug. Die Krise der Ökonomie ließ schließlich die Börsenträume platzen. Ein Nadelstich – und alles war vorbei. Der Stich traf das Herz von Millionen Kleinanlegern, die ihre Premiere an der Börse mit teurem Lehrgeld bezahlten.

Börsen sind nicht nur vom Sentiment getrieben, sondern folgen in ihren Amplituden dem Trend von Produktivität und Geldmengenwachstum. Vor allem kurzfristig sind sie Ausdruck der Liquidität an den Märkten und reflektieren damit den Kreditzyklus.

Rezession nach der Wende

Reisen wir weitere zehn Jahre zurück in der Zeit – Ende 1991, Anfang 1992. Die Euphorie der Wendezeit erreichte ihren vorläufigen wirtschaftlichen Höhepunkt. Staatliche Konjunkturprogramme befeuerten die Bauwirtschaft und lenkten frischen Kredit ineffizient in überflüssige Infrastruktur. Ein artifizieller Wendezeit-Boom setzte ein, der jedoch schon bald seinen ersten herben Dämpfer erhielt.

Zur Jahreswende rutschte die Chemiewirtschaft in die sektorale Rezession und verlor in den folgenden anderthalb Jahren rund sieben Prozent ihres realen Produktionsvolumens. Und erneut zeigte sich die prognostische Kraft der Chemiebranche: Die Gesamtwirtschaft glitt etwas mehr als ein halbes Jahr später in die Rezession ab.

1,5 Millionen Menschen verloren damals ihre Jobs, die Wirtschaft schrumpfte um 0,8 Prozent – und im Jahr 1994 gab die Börse erneut nach.

Die Märkte reagierten auf die drastischen Zinsschritte der amerikanischen Notenbank, die versuchte, die davoneilende Inflation mit der Verknappung der Geldmenge in den Griff zu bekommen. Es war das Ende des Konjunkturzyklus und die Chemie hatte auch diesen mit zeitlichem Vorlauf korrekt antizipiert.

Rezession oder Strukturbruch?

Am Ende jeder Krise erhob die deutsche Chemiewirtschaft ihr Haupt innovativer, exportstärker denn zuvor. Man hatte im Abschwung dysfunktionale Elemente im Sektor buchstäblich abgeworfen und sich im Konjunkturverlauf wie eine Schlange gehäutet.

Beide Krisen können auch als geldpolitische Phänomene gelesen werden. Die zentral geplanten Kreditkosten, definiert über die Zinspolitik der Notenbanken, sorgten für mäßige Boom-Bust-Zyklen, ein systemischer Malus innerhalb eines nach wie vor weitgehend marktwirtschaftlich operierenden Systems, das die Interventionen der Zentralplaner in den USA und Europa weitestgehend abfedern konnte.

Was uns zurückführt in die Gegenwart: Folgen wir noch immer dem klassischen Konjunkturzyklus – oder haben wir längst einen Strukturbruch erlebt? Die Fakten sind eindeutig. Seit 2018 geht es nicht nur im Chemiesektor rapide bergab. Das gesamte Fundament der Industrieproduktion scheint gerissen. Quer durch alle Sektoren liegt das Produktionsniveau etwa 20 Prozent unter dem Stand des Jahres 2018.

Und auch die aktuelle Lage lässt nicht erkennen, dass sich an diesem Trend etwas ändern wird. Ganz gleich, mit welchem Volumen an Kunstkredit die Bundesregierung versucht, die Vakanzen in der deutschen Industrie mit Rüstungsgütern und der Produktion für den grünen Günstlingssektor zu füllen.

Grüner Tribut

Deutschland ist im Zuge katastrophaler politischer Richtungsentscheidungen in eine Ära der Deindustrialisierung eingetreten. Das ist anhand von Zahlen klar belegbar, auch wenn Vertreter der deutschen Wirtschaft wie BASF-Chef Markus Kamieth, das so nicht offen aussprechen wollen – die Abhängigkeit vom Staatsapparat und dessen Subventionsmaschine stechen offensichtlich jede Verantwortungsethik bei den Funktionären der Konzernwelt aus.

In Berlin, Brüssel, Paris und London hat sich ein korporatistischer Geist verfestigt. Man hat sich betrunken geredet im Rausch der Subventionen rund um den Green Deal, der mithilfe der CO₂-Erzählung herbeihalluzinierten grünen Transformationen, die man schlanker Hand auf den Steuerzahler abwälzt.

Der anhaltende Abstieg der deutschen Chemiewirtschaft zeigt, dass Industrieproduktion am Standort Deutschland unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr möglich sein wird. Das Energiemarkt-Design der Zentralplanung führt zu Kosten, die Unternehmen regelrecht vom Standort wegtreiben. 64,5 Milliarden Euro an Direktinvestitionen hat Deutschland im vergangenen Jahr verloren; in diesem Jahr dürfte die Zahl weit über 100 Milliarden Euro liegen.

Die deutsche Gesellschaft verarmt wie im Zeitraffer, weil die Politik nicht erkannt hat, dass Industrieproduktion die eigentliche Quelle gesellschaftlichen Wohlstands ist und weil man allen Ernstes bis heute der Überzeugung ist, per Dekret eine zentral geplante Kunstökonomie an die Stelle produktiver Unternehmen setzen zu können.

Alles, was an die Industrie andockt – komplexe Wertschöpfungsketten, Dienstleistungen, Zulieferwirtschaft, hohe Einkommen bis hin zum üppig ausgestatteten Staatshaushalt – lebt ausschließlich vom Innovationsgeist und der Produktionskraft eines innovativen Sektors, der sich an einem freien Markt ausrichtet.

Politische Camouflage

Wenn nun der grüne Degrowth-Kanzler Friedrich Merz und sein politisches Gefolge in Berlin und Brüssel vorsichtige Korrekturen am klimasozialistischen Regime vornehmen, eine neue E-Auto-Prämie ausrufen, den Industriestrompreis an Öko-Investitionen koppeln, dann handelt es sich lediglich um politische Camouflage. Die Politik versucht mit aller Gewalt, den grünen Kurs zu verteidigen. Merz ist eine Art „Autopen“ der Ära Merkel und Scholz. Ein grüner Zentralplaner im geliehenen konservativen Gewand, dem die Gefolgschaft abhanden kommt.

Wir erleben nichts Geringeres als einen zivilisatorischen Bruch – und den Aufstieg eines klimasozialistischen Regimes, das wirtschaftlich bereits in Trümmern liegt, bevor die Politik überhaupt in der Lage war, eine Scheinernte einzufahren.

Der aufkeimenden Kritik begegnet die Politik mit einem repressiven Zensurregime und zunehmender Einschüchterung der Bürger. Erwartbar, erbärmlich – ein Eingeständnis in das Scheitern des Angriffs auf die Freiheit,

An den Märkten werden wir mit hoher Volatilität rechnen müssen, denn die gegenwärtige Politik aus Brüssel und Berlin ist untrennbar verbunden mit massiver Neuverschuldung und einer zunehmenden Verstaatlichung des Kreditprozesses.

Der anhaltende Abstieg des Chemiesektors kündet in diesem Fall von einer politischen Krise, die erst enden wird, wenn dieses neue sozialistische Experiment vollständig gescheitert ist. Bis dahin werden sich die Deutschen in der längst beschleunigten Armutsspirale zurechtfinden müssen.

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Kommentare ( 8 )

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alter weisser Mann
1 Stunde her

Wenn es seit 2018 abwärts geht, dann blinkt die „frühe Reflexion der Entwicklung in der Kernindustrie“ ja schon eine Weile in rot. Da braucht jetzt keiner überrascht sein.

Haba Orwell
1 Stunde her

> Der aufkeimenden Kritik begegnet die Politik mit einem repressiven Zensurregime und zunehmender Einschüchterung der Bürger. Erwartbar, erbärmlich – ein Eingeständnis in das Scheitern des Angriffs auf die Freiheit

Man hätte längst Widerstand leisten müssen, als es noch einfacher war. Stattdessen jubelt der Michel und wählt totalitäre Kartellparteien.

Deutscher
2 Stunden her

Alliierte bitte einmarschieren!

Rainer Schweitzer
2 Stunden her

„Bis dahin werden sich die Deutschen in der längst beschleunigten Armutsspirale zurechtfinden müssen.“

Glückliche Deutsche! Sie sehnten sich danach, tun es immer noch. Da braucht man bei den Sonntagsumfragen nur die Ergebnisse der sozialistischen deutschen „Unsere-Demokratie“-Einheitsfront, also CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, zusammenzählen.

Jens Frisch
2 Stunden her

„Die deutsche Gesellschaft verarmt wie im Zeitraffer, weil die Politik nicht erkannt hat, dass Industrieproduktion die eigentliche Quelle gesellschaftlichen Wohlstands ist…“
Ich fürchte, dass die Politik ganz genau weiß, was sie tut:
„In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn etwas passiert, können Sie wetten, dass es so geplant wurde.“ — Franklin Delano Roosevelt 

Guzzi_Cali_2
2 Stunden her

Wenn man den uralten Satz beherzigt hat „Gier frißt Hirn“, dann hat man sich von den ganzen Hypes an der Börse tunlichst ferngehalten. Sobald alle in Chor „Mäh“ schreien, ist das ein zuverlässiger Indikator, daß man im Fall mit der Herde in die Schlucht mitgerissen wird. Ich habe seit eh und je auf das einzige Asset gesetzt, das Jahrtausende überlebt hat, das ich (im Gegensatz zu allen Börsen-„Produkten“) verstehe und das nicht umsonst keine Rendite abwirft, weil es risikofrei ist: Edelmetall, Gold und Silber. Mein Vater hatte in den 70er/80er-Jahren des letzten Jahrehunderts immer solide Einzel-Aktien aus den Bereichen Automobil,… Mehr

Johny
2 Stunden her

Deutschland will einfach zurück ins vor industrielle Zeitalter. Die grünen Khmer zerstören die Existenzgrundlage der Gesellschaft planmäßig. Die Befreiung muss von Außen kommen.

Jens Frisch
2 Stunden her
Antworten an  Johny

Die taz „Journalistin“ Ulrike Herrmann hat dankenswerterweise einmal Klartext geredet, wie „grüne Wirtschaft“ aussieht – der Termius „Ökosozialismus“ trifft den Nagel auf den Kopf:
https://www.youtube.com/watch?v=AFiXZlCG4dM