„Schön, dass du da bist, Eckart“, eröffnet Louis Klamroth. Eckart von Hirschhausens Doku „Hirschhausen und das große Vergessen“ bildet den Auftakt zur heutigen Talkshow. Distanz zwischen den Gesprächspartnern? Fehlanzeige beim ÖRR. Während der Diskussion erhält er wiederholt Werbeeinlagen für seine Geistesergüsse. „Oder man liest den wunderbaren Artikel den Sie, Herr Hirschhausen, in der „Zeit“ veröffentlicht haben“. Um Bildungsvorschläge reicher – ums eigentliche Thema – nun ja.

Luis Klamroth hat eine Mission: Er soll für die ARD junge Zuschauer gewinnen. Deswegen werden ihm neue Fernsehformate anvertraut, deswegen wurde ihm hart aber fair übergeben. Die Frage lässt sich schon stellen: Ist Demenz ein Thema, mit dem Klamroth „die Jungen“ erobern möchte?

Autos verbieten, Demenz besiegen!

Der erste Akt ist emotional. Andrea Sawatzki, Schauspielerin und Autorin, berichtet über die Pflege ihres demenzerkrankten Vaters im Kindesalter. Vor wenigen Jahren erkrankte auch ihre Mutter – das deutschen Pflegesystem lässt Sawatzki fassungslos zurück. Rainer Heydenreich lebt seit einiger Zeit mit der Diagnose Alzheimer. Er wirkt erfrischend gefasst. Der ehemalige Banker erzählt, wie er sich mit seiner Diagnose auseinandergesetzt und seinen Weg gefunden hat. Heydenreich appelliert an andere Demenzkranke, ebenfalls im frühen Stadium eigenverantwortlich aktiv zu werden. Der Mensch als eigenständiger Protagonist? Hirschhausen reagiert und spannt den Bogen von Mikroplastik im Hirn als möglicher Demenzursache zu Autoreifenabrieb. Kein Auto, kein Fleisch und grüne Energie – ohne Vater Staat werden wir alle dement! Dass der Staat es richten soll, ist die typische ARD-Lösung für alle Probleme der Welt.

Demenz ist eine furchterregende Krankheit. Über die Ursachen ist nur wenig bekannt. Viele Demenzkranke werden erst spät als solche erkannt. Prävention ist kaum möglich: Hirschhausen empfiehlt gute Ernährung und Bewegung. Ein erstes Medikament wurde in diesem Jahr zugelassen – aber es kann den Verlauf der Krankheit nur verlangsamen.

Pflegekrise

Was jetzt passieren muss, sonst landen Alte auf der Straße

Die Show bietet den üblichen Schlagabtausch zwischen Linken, CDU und einem „aus der Wirtschaft“: Stella Merendino ist gelernte Krankenschwester und nun für die Linke im Bundestag. Sie wirft der CDU vor, Gelder für die Pflege zu kürzen und dem Wirtschaftsvertreter, zu „kassieren“. Ihr Pendant, der Sozialminister Nordrhein-Westfalens, Karl-Josef Laumann (CDU) wiegelt ab: Die Zustände seien nicht so schlimm, hin und wieder müsse mal ein Heim geschlossen werden, aber viele Heime leisten gute Arbeit. Überhaupt – er höre immer, dass Plätzchen backen in den Heimen zu Weihnachten sehr gut ankomme. Bernd Meurer betreibt drei Seniorenheime und leitet den Bundesverband für Privatanbieter der sozialen Dienste Für ihn ist das Hauptproblem der Personalmangel in den Heimen. Die Diskussion ist bekannt, blutleer, langweilig.

Mehr Geld, wengier Probleme?

Auch ein Schlagabtausch über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege ist vorhersehbar. Die Linkenpolitikerin wirft Laumann vor, die Arbeitsbedingungen seien so schlecht. Doch wenn man Linkenpolitikern zuhört, sind die Arbeitsbedingungen immer und überall schlecht. Laumann erklärt: Zehn Prozent der Schulabgänger seines Bundeslands beginnen eine Ausbildung in der Pflege. Solle eine ganze Generation in der Pflege arbeiten? Und tatsächlich werden 86 Prozent der Pflegebedürftigen nicht im Pflegeheim sondern zuhause gepflegt – von der Familie. Auch mit der Legende, dass es immer zu wenige Pfleger gebe, wird aufgeräumt: Meurer weist die Unterstellungen Merendinos brüsk zurück, dass Pflegeheime die Alten und Pfleger ausbeuten würden. Der Pflegeschlüssel ließe gar nicht zu, die Zahl der Pfleger pro Patienten in den Stationen zu reduzieren, wie Merendino und Sawatzki unterstellen. Ein Pflegeheim, das das versucht, würde von der Aufsicht geschlossen.

Merendinos Lösung für alle Probleme der Pflege: Eine Pflegevollversicherung, finanziert von unbekannt, die unbekannte Mengen Geld in das System kippt und so auf unbekanntem Wege alle Probleme in Wohlgefallen auflöst. Laumanns berechtigter Einwand, dass die Sozialversicherungskosten nicht weiter steigen können, ohne die Wirtschaftsleistung des Landes zu erdrücken, wird ignoriert.  Klamroth erkennt sofort, dass sich eine scharfe Debatte in seinem Studio entwickelt – und wechselt das Thema.

Ein roter Faden fehlt. Die Diskussion springt von einem Themenblock zum nächsten und bleibt oberflächlich. Louis Klamroth versucht alles, um jugendlich und hip zu wirken. Er duzt Eckart von Hirschhausen, und begrüßt den Kollegen Ingo Zamperoni für die Abmoderation der Sendung mit einem saloppen „Moin“. Die dringenden Themen Demenzerkrankung und das deutsche Pflegesystem verkommen so zu einer weiteren Runde Talkshowtheater – und die Einschaltquote von hart aber fair fällt und fällt und fällt.

Anzeige