„In schwierigen Zeiten dürfen die Schritte leicht sein und die Laune gut“

Sioux verkauft Schuhe und liefert nebenbei die ehrlichere Lagebeschreibung als jeder Minister: Innenstädte leer, Abgaben hoch, Bürokratie überall. In Reimen, ironisch und ohne Agentur, macht der Mittelstand Druck: weniger Staat, mehr Freiheit – damit die Schritte leicht bleiben.

picture alliance / dpa | Daniel Maurer

Die Gründerfamilie, erzählt Sioux-Chef Lewin Berner, waren Exildeutsche, die in Guatemala Kaffeeplantagen betrieben. Zwischen den Weltkriegen ist ein Familienteil nach Deutschland zurückgekehrt und der Enkel hat die Idee des Mokassins mitgebracht, den er bei Indios kennengelernt hatte. Die älteste Art der Beinbekleidung der Welt. So brachte Peter Sapper den indianischen Mokassin nach Deutschland und suchte nur nach einem Indianernamen, den die Deutschen schon kennen und kam so auf den Stamm der Sioux. Sioux Schuhe haben übrigens einen echten Sioux-Indianer als Werbebotschafter, einen ehemaligen GI, der in Berlin hängengeblieben ist, wohl der einzige Sioux in Deutschland.

Tichys Einblick:
 Herr Berner, Sioux ist ein Schuhhersteller. Warum mischt sich Ihre Firma werblich in politische Debatten ein?

Lewin Berner:
 Tut sie das wirklich? Sioux ist parteipolitisch neutral und unsere Schuhe sind für alle da. Aber wir sind Mittelständler – und nehmen uns die Freiheit, eine Meinung zu haben. Wir kommentieren die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten müssen. Das darf man. Und manchmal muss man es auch. Schweigen hilft jedenfalls nicht weiter.

Ihre Spots sind auffallend pointiert.

Weil die Realität pointiert ist. Wir beliefern über 700 Händler bundesweit und stehen im engen Austausch mit unseren Kunden. Die Innenstädte sind das Brennglas der Politik – und das Bild ist vielerorts deprimierend: Konsumflaute, Leerstand, Verunsicherung. Das ist Realität. Die kann man nicht schönreden.

Statt heiler Welt liefern Sie Reime über Steuern, Schulden und den „Rasenmäher“.

Richtig. Zugespitzt, ironisch, nie beleidigend – aber immer unterhaltsam.

„Die Steuern auf Rekordniveau.
Und die Schulden ebenso.

Und trotzdem wird drüber nachgedacht,
wie man die Bürger ärmer macht.

Die Abgaben steigen, es steigt die Steuer, das ist doch wirklich ungeheuer.

Statt zu sparen, tut ihr das Gegenteil,
sucht außenpolitisch euer Heil,

findet immer neue Krisen,
in die dann unsre Gelder fließen.

Lieber Kanzler, wir bitten zu verstehen:
So kann es hier nicht weitergehen.

Und da ihr vom Sparen nix versteht,
zeigen wir euch, wie das geht.

Jetzt muss – anders geht’s nicht mehr –
endlich der Rasenmäher her!

Alle Posten, alle Titel,
alle Budgets, alle Mittel,
müssen runter, ganz konsequent –
und zwar um zwanzig Prozent.

Wir bei Sioux machens vor:
20 % Rabatt auf alles – im ganzen Store.

Was bei uns geht, das ist klar,
Funktioniert auch im Haushalt wunderbar

Sprechpause

Sioux – denn auch in schwierigen Zeiten dürfen die Schritte leicht sein und die Laune gut.“

Woher kommen die Ideen?

Aus dem Tagesgeschehen. Die Politik liefert fast täglich Steilvorlagen: gebrochene Versprechen, Entscheidungen am Bedarf vorbei, Regulierung statt Freiheit.
 Wir stellen dem etwas sehr Einfaches gegenüber: unsere mittelständischen Tugenden. Wir liefern wie bestellt. Wir halten Zusagen. Interessant, dass das im Vergleich zur großen Politik damit schon als Gegenentwurf wirkt.

Welche Agentur schreibt Ihnen diese Texte?

Keine. Wir machen das selbst. Ehrlich gesagt: Jede Agentur hätte uns vermutlich davon abgeraten. Wir hatten auch kein großes Konzept – wir haben einfach gemacht.

Der Begriff ‚Freiheit‘ kommt in fast jedem Spot vor. Warum?

Weil Freiheit spürbar verloren geht – wirtschaftlich wie persönlich. Deutschland ist Weltmeister in Bürokratie, politischem Aktivismus und engem Meinungskorridor.
 Wir setzen dem die Freiheit entgegen, zu sagen, was ist. Und natürlich die Freiheit, die unsere Schuhe ihren Trägern verleihen.

Ein wiederkehrendes Thema ist das Sparen.

Schwäbische DNA. Wir können nicht anders.
 Der Staat hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Der Fiskus nimmt so viel ein wie nie – und gibt es mit vollen Händen aus. Jeder Mittelständler weiß: Wer dauerhaft mehr ausgibt, als er einnimmt, ist irgendwann pleite. Diese einfache Wahrheit kann man nicht oft genug sagen.

Sie sprechen auch über Wettbewerb, Standort und Bürokratie.

Wer klein ist und gegen Riesen antritt, muss besser sein. So ist es bei uns. Wir sind ein kleiner Schuhhersteller umgeben von großen Wettbewerbern – und so ist es auch, wenn man Deutschland als Ganzes betrachtet. Unser Land konkurriert mit USA, China, Indien. Da reicht Mittelmaß nicht. In Berlin und Brüssel erleben wir aber genau das: wenig Ambition, den Standort ehrlich wieder nach vorne zu bringen, dafür viel Selbstgerechtigkeit. Bescheidenheit ist eine zweite Tugend, die man den Schwaben nachsagt. Eine solche würde auch unseren Politikern gut zu Gesicht stehen, vor allem in der Außenpolitik. Wir haben viele internationale Kunden und Lieferanten. Alle schütteln mit dem Kopf über die Entwicklungen in unserem Land

Ist das alles noch Werbung oder schon politischer Kommentar?

Ich nenne es ein Advertorial. Wir werben – und unterhalten dabei.
 Wir übertragen eine alte journalistische Tugend in die Werbung: Sagen, was ist. Mit Humor. Das ist sicherlich Neuland.

Wie reagieren die Hörer? Gibt es Gegenwind?

Im Gegenteil. Die Rückmeldungen sind überwältigend. Ein Hörer schlug – freilich nicht ganz ernst – einen Grimme-Preis vor. Ein anderer meinte, die Spots gehörten ins Institut für Zeitgeschichte. Es gab sehr viele Mails, Briefe und Anrufe – sogar aus Übersee und Südafrika.

Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Erstens: Wir klingen anders als der Werbe-Mainstream.
 Zweitens: Viele fühlen sich verstanden und in ihrem Lebensalltag abgeholt.
 Und drittens: Unsere Texte hinterlassen ein Lächeln.

Ihr Claim lautet: „Denn auch in schwierigen Zeiten dürfen die Schritte leicht sein und die Laune gut.“

Genau so ist es gemeint. Die Gegenwart wird erträglicher, wenn man ihr mit etwas Heiterkeit begegnet.

Daher hieß es auch im Wecker am 22. Dezember:

„Von drauß vom Walde komm ich her,
und ich muss euch sagen: Eins irritiert mich sehr.

All überall an des Staates Spitzen,
Sehe ich träge Gestalten sitzen.

Die haben leider nicht verstanden,
wo wir bald mit der Wirtschaft landen

Und oben aus des Kanzleramts Tor,
Lugt müde Friedrich Merz hervor,

In den Fluren seine Stimme hallt: 
Das Jahr der Reformen kommt bald“


„Liebe Hörerinnen und Hörer des Weckers, wir könnten immer so weiter dichten. Es macht uns einen riesigen Spaß. Sioux sagt Danke dass wir Sie durchs vergangene Jahr mit unseren ironischen und nachdenklichen Texten begleiten durften. Danke für die vielen positiven Zuschriften und Kommentare.

Wir wünschen allen Hörerinnen und Hörern für das neue Jahr alles Gute, behalten Sie Ihre leichten Schritte und Ihre gute Laune! Auf ein baldiges Wiederhören.“

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Kommentare ( 4 )

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4 Comments
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R. Scholl
1 Stunde her

Sioux zaubert mir ein morgendliches Schmunzeln ins Gesicht. Danke dafür. Ihr seid klasse

Talleyrand
2 Stunden her

seit ich diese Werbung höre, kaufe ich nur noch Schuhe bei denen. Ich finde, soviel Mut muss belohnt werden. Die stabilisieren den Fuß und destabilisieren diese Regierung. Vermutlich landen sie nächstens auf der „Liste“.

Peter Klaus
2 Stunden her

Oje, die Antifa wird wohl keine Mokassins mehr tragen wollen, denn ReGIERungskritik = Räächz. Und der Firmenname erst? Ist das nicht kulturelle Aneignung!? Wie wärs mit Umbenennung in „Naturvolkmensch m/w/d“?

Last edited 2 Stunden her by Peter Klaus
hansgunther
1 Stunde her
Antworten an  Peter Klaus

Nein und nochmal nein!
Unterstützen und Widerstand leisten. Es gibt kein Zurück mehr, sie sind dabei, systematisch Land und Leute fertigzumachen. Also unsere entschiedene Reaktion auf ihre jahrelange destruktive Aktion!