Deutschland im Verarmungsmodus

Das ifo-Institut bestätigt, was jeder ahnt. Deutschland ist kein produktives Kraftzentrum mehr, sondern eine Wohlstandsverwaltung mit absehbarem Verfallsdatum. Aus dem Sicherheitsnetz ist eine Umverteilungsmaschine geworden, die Wachstum und Eigenverantwortung erstickt.

picture alliance / Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Ardan Fuessman

Deutschland ist kein produktives Kraftzentrum mehr. Das Land hat sich in eine sklerotische Wohlstandsverwaltung verwandelt – ein System, das mehr verteilt als erwirtschaftet. In seinem jüngsten Bericht bestätigt das ifo Institut den Verdacht: Der deutsche Sozialstaat hat seine ursprüngliche Rolle als Sicherheitsnetz längst verloren. Er ist zu einer kafkaesken Umverteilungsmaschine degeneriert, die jede Produktivität erstickt.

Erst vor Kurzem verkündete der Bundeskanzler im Anschluss an einen Koalitionsausschuss die „Reform“ des Bürgergeldes. Friedrich Merz präsentierte sie als großen Durchbruch. Doch das deutsche Sozialsystem hat im Laufe der Jahrzehnte ein bemerkenswert robustes Immunsystem gegen jede externe Intervention entwickelt.

Umetikettierung und heiße Luft

Unterm Strich blieb von der großen Reform nicht viel mehr als die Umetikettierung des Bürgergeldes in eine „Grundsicherung“ – flankiert von der Androhung symbolischer Transferkürzungen, falls Termine im Jobcenter nicht wahrgenommen werden. Ein politischer Popanz. Nichts als heiße Luft.

Mehr noch: Jetzt wird klar, dass die neue Systematik das Gesamtvolumen des Bürgergeldes von über 50 Milliarden Euro im kommenden Jahr bestenfalls um 86 Millionen Euro zurückführen kann. Von den vollmundig angekündigten 5 Milliarden Euro Einsparung, einer Kürzung um rund zehn Prozent des Aufkommens, die Merz noch vor seinem inzwischen gleichermaßen verwehten „Herbst der Reformen“ versprach, bleibt nichts übrig.

Die Reform, die als Einschnitt verkauft wurde, entpuppt sich als klassischer Berliner Taschenspielertrick: große Worte, keine Wirkung. Am Ende dürfte es angesichts der wirtschaftlichen Lage im Land sogar noch wesentlich teurer werden.

Merz sprach davon, 100.000 neue Jobs schaffen zu wollen. Genau die wären auch nötig gewesen, um die besagten 5 Milliarden Euro einzusparen. Gehen wir eher davon aus, dass einige Hunderttausend Jobs in den kommenden Jahren verloren gehen werden. Der Sozialstaat wird von einer zunehmend deindustrialisierten Wirtschaft in dieser Form dann nicht mehr zu finanzieren sein.

Studie offenbart das Chaos

Und genau dieser Sozialstaat – diese über Jahrzehnte gewachsene, zähe, selbstreferenzielle Struktur – schließt jede ernsthafte Reform aus, bevor sie überhaupt in Angriff genommen wurde.

Das ifo Institut hat sich dieser Problematik gewidmet – und kommt zu einem verheerenden Ergebnis.

Die deutsche Sozialpolitik gleicht längst einem Überbietungswettbewerb, in dem es nur noch darum geht, eine stetig wachsende Schar von Transferempfängern bei Laune zu halten.

Aus einem einst überschaubaren Sicherheitsnetz ist ein Spinnennetz aus 500 unterschiedlichen Sozialleistungen geworden. Deutschland subventioniert inzwischen alles: von Haushaltshilfen über Hygienemittel, Pflege und Wohnungsumbauten bis hin zu den klassischen Haushaltskosten im Rahmen des bisherigen Bürgergeldes.

3.246 einzelne Paragrafen regeln dieses Geflecht – ein juristischer Dschungel, so dicht und unüberschaubar, dass sich niemand mehr hineinwagt. Ein System, das nicht mehr reformierbar scheint, sondern nur noch verwaltet wird und ein inhärentes Immunsystem entwickelt hat, das externe Eingriffe mit System abzuwehren weiß.

Deutsche Sozialindustrie

Es ist nicht ganz falsch, von einer Sozialindustrie zu sprechen, die – insbesondere im Bereich der Migrationspolitik – dem privaten Sektor mit öffentlichem Geld die notwendige Incentive-Struktur bietet, um entsprechendes Angebot wie etwa Wohnraum bereitzustellen.

Der wuchernde deutsche Sozialstaat ist längst zu einer Belastung für die Privatwirtschaft geworden. Er funktioniert wie ein vampirisches System, das sich unaufhaltsam an den produktiven Ressourcen der Gesellschaft bereichert.

Bürokraten, die ihre Budgets verteidigen und ausweiten, und Politiker, die in dieser Bürokratie eine Art politische Vorfeldorganisation zur Absicherung der eigenen Macht erkennen – das ist die Logik eines Systems, das nicht mehr dem Bürger dient, sondern ausschließlich eigene Interessen verfolgt.

Wir kennen das aus Frankreich. Politik und führende Sozialbürokratie suchen und finden beständig neue Gruppen von Anspruchsberechtigten, die in den immer weiter aufgefächerten Katalog der Sozialleistungen integriert werden.

Ein System, das Abhängigkeit nicht nur hinnimmt, sondern aktiv erzeugt – ökonomische Abhängigkeit vom Staat als politisches Prinzip.

Langfristiger Trend

Das unbegrenzte Wachstum des deutschen Sozialapparates und seiner Bürokratie lässt sich statistisch klar belegen. Im vergangenen Jahr betrugen die Sozialausgaben der Bundesrepublik rund 1,345 Billionen Euro – das entspricht über 31 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung.

Damit ist dieser Anteil seit dem Jahr 2000 um rund 5 Prozentpunkte gestiegen, während sich die Sozialausgaben in absoluten Zahlen mehr als verdoppelt haben. Ihr Wachstum übertraf dabei deutlich die offizielle Inflationsrate im selben Zeitraum, die kumuliert lediglich bei etwa 42 Prozent lag.

Wir können also feststellen: Die Lobbyarbeit der Sozialverbände, der Bürokratie und der Linken sowie ihr gewogener Politik war außerordentlich erfolgreich. Man muss sich nur die Dimension dieser Verschiebung vor Augen führen. Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das sind in Deutschland rund 200 Milliarden Euro pro Jahr –, die vom investierten Kapital in den Konsumapparat umgesteuert werden.

Verlorenes Kapital, das kein Wachstum mehr erzeugt. Währenddessen fehlen Investitionen an allen Ecken und Enden: in der Infrastruktur, in der digitalen Zukunft, in Rechenzentren und moderner Ökonomie. Ganz im Gegenteil: Das Kapital fließt ab. Im vergangenen Jahr zogen Unternehmen netto 64,5 Milliarden Euro aus Deutschland ab.

Investitionen werden verdrängt

Die Folgen der zunehmenden Konsumorientierung der deutschen Gesellschaft durch den wuchernden Sozialstaat zeigen sich deutlich in den Investitionen der Privatwirtschaft, die mittlerweile rund 6,5 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt liegen.

Deutschland zerfällt in seiner Infrastruktur, und es gelingt nicht mehr, Kapital in die Sektoren der Zukunft zu lenken.

Ifo-Präsident Clemens Fuest rät in seiner Analyse dazu, Bürgergeld und Wohngeld zusammenzulegen und auf diese Weise 4,5 Milliarden Euro einzusparen. 150.000 neue Vollzeitstellen soll diese Verwaltungsreform seiner Ansicht nach schaffen. Wie der Ökonom allerdings die Brücke zwischen einer Verwaltungsreform und einem kleinen Beschäftigungswunder schlägt, bleibt unklar. Deutschlands Probleme liegen wesentlich tiefer – und beginnen bei seiner grotesken Energiepolitik, die derzeit Monat für Monat zum Verlust Zehntausender Jobs führt.

Kippunkt erreicht

Man kann den Kipppunkt des deutschen Sozialstaatsmodells ökonomisch relativ präzise fassen. Seit 2018 stagniert die Produktivität der deutschen Wirtschaft, inzwischen befindet sie sich sogar in einem leichten Negativtrend. Gleichzeitig hat man Millionen von Migranten ins Land gelassen, die keinen produktiven Beitrag zur Ökonomie leisten. Deutschland verarmt absolut und pro-Kopf – und das in Rekordzeit.

Kippt der Arbeitsmarkt, wonach es derzeit aussieht, wird die Zahl der Leistungsempfänger drastisch steigen. Der Anteil des Sozialstaates an der Gesamtwirtschaft dürfte dann schon bald französische Verhältnisse erreichen – 35 Prozent und mehr. Keine Ökonomie der Welt könnte eine solche Unwucht zwischen fallenden privatwirtschaftlichen Investitionen und explodierenden Sozialkosten, also reinem Konsum, auf Dauer kompensieren.

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Kommentare ( 51 )

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51 Comments
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LiKoDe
1 Monat her

Schon die Bismarcksche Sozialgesetzgebung war ein Versuch auf die – im Zuge der Industrialisierung entstandene – soziale Not der Arbeiterschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert zu reagieren. [Wikipedia] Der Kipppunkt des deutschen Sozialstaatsmodells setzte 1973 ein als es letztmalig Vollbeschäftigung [1,2% Arbeitsl.] in Deutschland gab als gleichzeitig Energie massiv teurer wurde [Ölpreiskrise] als der massenhafte Familiennachzug von türkischen Kontraktarbeitern einsetzte als Laissez-faire-Wirtschaftsliberale wieder an politische Macht kamen Weitere schwere Schläge fügte man dem dt. Sozialstaatsmodell zu durch die Grünen&SPD Agenda 2010 mit massiver Ausweitung der Zeitarbeit durch Schaffung ‚eines der besten Niedriglohnsektoren in Europa‘ durch Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und Neuschaffung einer… Mehr

Neuheide
1 Monat her

Leistung bringen in Deutschland…
Ist das nicht auch schon längst total Nazi?😧

jopa
1 Monat her

Der Sozialstaat ist Krebs im Organismus dieses Landes, dummerweise auch noch ein aggresiver. Er wächst und wächst und schwächt. Ist dieses Land noch heilbar oder schon ein Fall für ein Hospiz oder eine Palliativstation?

Rasparis
1 Monat her

Das staatsalimentierte „ifo“-Institut, ideologisch korrekt professoral verwokt und vergendert, ist doch selbst schon lange ein Teil der Umverteilungsmaschinerie der Sozialindustrie.

yeager
1 Monat her

Das Sahnehäubchen obendrauf ist noch, dass die von Merz losgetretene Schuldenorgie ja nur dazu dient sich Zeit zu kaufen. Da wird weder in Infrastruktur noch in Bildung investiert sondern Flickschusterei betrieben um die immer weiter steigenden Kosten noch eine Weile bezahlen zu können, weiter Geldgeschenke in aller Welt verteilen zu können, und den Wählern noch eine Weile Sand in die Augen zu streuen während sich unsere Polit“elite“ noch schnell die Taschen vollstopft und das Tafelsilber verhökert. Abbezahlen sollen die Sause dann künftige Generationen, also genau die, die man angeblich vor dem Hitzetod durch Klimaerwärmung schützen will, und die sich deshalb… Mehr

Nibelung
1 Monat her
Antworten an  yeager

Eine Staatsführung, die nicht in der Lage ist, bestehende existentielle Grundlagen zu erhalten und zu fördern wird somit zum Totengräber der Nation, denn alles ist auf richtige Erkenntnis und Leistung aufgebaut und selbst der Superreiche lebt davon, weil es der Schaffenskraft der Allgemeinheit entspricht und von nichts kommt nichts und wer das sträflich vernachlässigt und das Gebilde nicht ständig im Auge behält und keine störenden Elemente fern hält wird zwangsläufig zum Niedergang mit beitragen. In diesem Mißverhältnis stehen wir mittlerweile und wer da noch glaubt es würde sich bessern, hat die Willenskraft der Konkurrenten nicht verstanden und ist wie im… Mehr

Cubus
1 Monat her

Bankenrettung 2008 – wieviele hunderte Milliarden? Corona – 1,3 Billionen? Krieg x Billionen? Dafür werden Staatsanleihen ausgegeben, Stichwort, Sondervermögen. Wer hält diese Schulden? BlackRock … Catharine Austin Fitts, die ehemalige Staatssekretärin für Wohnungsbau, bringt Licht ins Dunkle. Der größte Raubzug in der Geschichte der Menschheit findet vor unser aller Augen statt, aber statt nach oben zu gucken, schauen wir nach rechts und links. So soll es sein. Läuft! Refeudalisierung durch Hygienisierung und Digitalisierung! Am Ende steht der perfekte Untertan.

humerd
1 Monat her

die Sozialindustrie braucht die Armut, wie die Asylindustrie die illegale Migration braucht. .
Neue Grundsicherung:
Sozialverbände warnen vor Wohnungslosigkeit durch BürgergeldreformWer Menschen die Wohnkosten streiche, bringe damit prekär lebende Familien in Not, warnen Sozialverbände. Statt Sanktionen brauche es Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum.“ https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-10/buergergeld-reform-grundsicherung-sozial-offener-brief
Was nie erwähnt wird, sind die relativ harten Anforderungen an Arbeitslosengeld 1 Bezieher. https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_3/__159.html
Bei Sperrzeiten interessiert die ehemals arbeitenden, jetzt arbeitslose Alleinerziehenden in keiner Weise. Die wird erst interessant, wenn sie Bürgergeld bezieht.

Klaus D
1 Monat her

Umverteilungsmaschine….die umverteilung nach oben ist extrem geworden bzw wird immer extremer. Schaut man sich an wohin der größte teil des geldes fließt wie hier bei der verarmung wird man festellen = nach oben. Das „kapital“ hat erkannt das man den leuten das geld leichter aus der tasche ziehen kann wenn man den staat (die politik) dafür nutzt. Am besten sieht man das bei der zuwanderung (migration, asyl usw) denn da geht es um extrem hohe summen (gewinne). Alleine die immobilienbranche dürfte um die 25 mrd euro plus im jahr machen – nur duch die zuwanderung (hohe/steigende nachfrage).

Innere Unruhe
1 Monat her

Sozialpädagoge, Sozialarbeiter – ein sehr deutscher Beruf. Wozu brauchen erwachsene Menschen „Pädagogen“?

Michael Palusch
1 Monat her

100.000 neue Jobs schaffen zu wollen. Genau die wären auch nötig gewesen, um die besagten 5 Milliarden Euro einzusparen.

Merkwürdige Rechnung.
5.000.000.000€ /(12 ×100.000) = 4.167€
Oder anders:
Wenn man die gesamten 50 Milliarden für 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger einsparen wollte, müsste man nur 1 Million Jobs schaffen?!?