Deloitte warnt vor wachsendem Defizit

Deloitte schlägt Alarm: In den kommenden Dekaden droht der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit von bis zu 300 Milliarden Euro. Die Zeit für sozial ausgewogene Reformen läuft ab.

IMAGO

Der gesetzlichen Krankenversicherung stehen stürmische Zeiten bevor. Nachdem der Gesundheitsfonds bereits im ersten Halbjahr 2025 ein Defizit von rund 5,8 Milliarden Euro verbuchte, dürfte die zweite Jahreshälfte angesichts der sich vertiefenden Rezession trotz steigender Beitragssätze noch düsterer ausfallen. Schon 2024 lag die Unterdeckung bei 6,6 Milliarden Euro. Was wir erleben, ist keine Momentaufnahme – es ist eine Defizitspirale.

Ins Bild passen die aktuellen Zahlen der Beratungsgesellschaft Deloitte. In einer am Freitag veröffentlichten Studie rechnen die Analysten vor: Selbst wenn die Politik die angekündigten Beitragserhöhungen und Strukturreformen vollständig umsetzte, dürfte das Defizit der GKV bis 2030 auf jährlich 89 bis 98 Milliarden Euro anwachsen.

Exponentielle Entwicklung

Und das ist erst der Anfang: Bis 2050 könnte sich das Finanzloch laut Deloitte dramatisch auf bis zu 300 Milliarden Euro jährlich ausweiten – eine Summe, die kein Staatshaushalt und kein Umlagesystem mehr schultern könnte. Realistisch betrachtet wäre ein solcher Kollaps nicht erst 2050, sondern Jahre früher unausweichlich. Es ist unbestreitbar: Das Fundament der GKV – stabile Beschäftigung, stetig wachsende Beitragseinnahmen – erodiert längst.

Als Ursachen nennen die Experten von Deloitte altbekannte Kostentreiber: eine rapide alternde Gesellschaft, die höhere Gesundheitskosten verursacht, sowie der medizinisch-technologische Fortschritt, der besonders in der Frühphase jeder Innovation für kräftige Kostensprünge sorgt. Auch die stetige Ausweitung der Leistungskataloge trägt ihr Übriges zur akuten Finanznot bei.

Bemerkenswert ist allerdings, was in der Analyse nicht vorkommt: Faktoren wie die Migrationskrise bleiben unerwähnt. Das ist das heiße Eisen, das niemand in Politik, Medien oder Beratung anzufassen wagt.

Bekannte Lösungswege

Als Lösung präsentiert Deloitte bekannte Elemente, die längst auch in der Politik kursieren: höhere Steuern auf ungesunde Lebensmittel, mehr Eigenbeteiligungen – „edukative“ Instrumente sollen es richten, die den Bürger zu einem aus Sicht der Politik wünschenswerteren Lebensstil bewegen. Auch einfachere Wechselmöglichkeiten zwischen den Krankenkassen sollen den Wettbewerbsdruck erhöhen – und damit den Kostendruck dämpfen.

Ob diese Maßnahmen das strukturelle Problem der GKV tatsächlich lösen können? Bundesgesundheitsministerin Nina Warken von der CDU ist jedenfalls von der Strategie überzeugt. Zur Stabilisierung des Systems brachte sie eine kräftige Anhebung der Zuzahlungen um pauschal 50 Prozent ins Spiel, um die Milliardenlöcher der GKV kurzfristig zu stopfen.

Konkret sollen die Zuzahlungen für Medikamente von bislang 10 auf 15 Prozent des Arzneimittelpreises steigen. Der Mindestbetrag würde von 5 auf 7,50 Euro, der Höchstbetrag von 10 auf 15 Euro erhöht. Auch bei Krankenhausaufenthalten ist ein Aufschlag vorgesehen: Die Zuzahlung soll von derzeit 10 auf künftig 15 Euro pro Tag klettern.

SPD will mehr Staat

Das sind die Sofortmaßnahmen. Doch klar ist: Die Versicherten müssen sich in den kommenden Jahren nicht nur auf steigende Eigenanteile, sondern auch auf kontinuierlich steigende Beitragssätze einstellen. Ein System in der Schieflage holt sich das Geld am Ende immer bei denen, die dem Leistungszwang nicht ausweichen können.

Diesen Weg hat die SPD eingeschlagen. Finanzminister Lars Klingbeil betonte bereits im Vorfeld der nun anstehenden Reformdebatte mehrfach, dass sich Politik nicht ausschließlich auf Leistungskürzungen bei ihrer Reformarbeit konzentrieren solle.

Es gehöre auch dazu, Lösungen mit Fantasie zu erarbeiten, so Klingbeil. Oder anders formuliert: Der Finanzminister plant die Umlegung des Kostenberges auf die Beitragszahler.

Das ist kein neuer Ansatz. Die SPD setzt seit Längerem auf eine Ausweitung der Einnahmenbasis: Das Ende der Beitragsbemessungsgrenze stünde auf der Agenda – eine Maßnahme, die mittlere Einkommen massiv zusätzlich belasten würde.

Darüber hinaus denken die Sozialdemokraten über die Integration der privaten Krankenversicherung in eine Art Bürgerversicherung nach, kombiniert mit dynamischeren Zuschüssen des Bundes. Mehr Staat, weniger Wettbewerb, höhere Belastung für die Leistungsträger – die altbekannte Rezeptur, die in der Koalitionsdebatte unverändert ihre Fans hat.

Nur die halbe Wahrheit

Die fiskalisch bedrohliche Entwicklung der deutschen Sozialkassen, die durch harte Zahlen belegt ist, muss um einen häufig übersehenen Faktor ergänzt werden, um das Gesamtbild zu erfassen. Die Berechnungen der zuständigen Ministerialbürokratie oder auch des Statistischen Bundesamtes sowie ihre mediale Aufbereitung legen ihren Fokus routinemäßig auf die Ausgabenseite.

In den kommenden Jahren wird jedoch die Einnahmenseite eine deutlich größere Rolle spielen, als dies bislang der Fall war. Die tiefe wirtschaftliche Krise, in die die Bundesrepublik geschlittert ist, lässt seit Jahren die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erodieren. Seit den Corona-Lockdowns ist allein in der Industrie rund eine Viertelmillion gut bezahlter Arbeitsplätze verloren gegangen.

In anderen Sektoren der deutschen Wirtschaft wurden seit 2019 etwa eine Million Stellen gestrichen. Dass sich dieser Aderlass bislang nicht unmittelbar im Beitragsaufkommen der Sozialkassen niederschlägt, liegt einzig und allein daran, dass der Staat systematisch die Beitragssätze anhebt, um die Ausfälle zu kompensieren.

Hinzu kommt die kalte Progression, die infolge der anhaltenden Geldentwertung immer mehr Arbeitnehmer in höhere Steuer- und Abgabenstufen drängt – und damit die Last auch über diesen Mechanismus auf die Bürger überwälzt.

Kostenspirale dreht sich schneller

Im politisch-medialen Diskurs ist im Zusammenhang mit den rasant wachsenden Defiziten der deutschen Sozialversicherung häufig von „Reformen“ die Rede. In der Realität aber wählt die Politik bislang den Weg des geringsten Widerstands und wälzt die Lasten konsequent auf die Beitragszahler ab. Damit verschärft sie die wirtschaftliche Krise, entzieht der Mittelschicht Kaufkraft und treibt das Land tiefer in die wirtschaftliche Abwärtsspirale.

Dieser Prozess wird sich manifestieren, bis die Dynamik aus Defiziten, steigenden Beiträgen und Jobverlusten zu einer unkontrollierbaren fiskalischen Schieflage führt. Dies ist der Moment, da man den fundamentalen Fragen unserer Gesellschaft – der illegalen Migration und dem aufgeblähten, überteuerten Staatsapparat – nicht länger ausweichen kann.

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Kommentare ( 52 )

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52 Comments
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joly
1 Monat her

Gehen wir davon aus, dass dieses System zum Missbrauch nicht nur auffordert sondern gerade dazu einlädt. Seit der zeit des Krankenscheins kommen Freunde und Verwandte aus allen Gastarbeiterländer zum kostenlosen medizinischen Behandeln nach Deutschland. Das ist bis vor einigen Jahren auch öfters von den ÖRR Medien dokumentiert worden. Busfahrer mit hunderten von illegalen Gesundheitskärtchen und einem Bus voll Kranker ahn der deutsch-polnischen Grenze. Alltag hier im Grenzbereich. Ärzte weigern sich einen Ausweis zum Abgleich zur Behandlung zu verlangen. Solange dieser tolerierte Betrug nicht unterbunden wird, sollten Ärzte das Behandlungsgeld selbst eintreiben. Ein Abgleich mit dem gespeicherten Fingerabdruck und diese Betrugsmasche… Mehr

Joe4
1 Monat her

Es wäre unrecht, eine alternde Gesellschaft als Problem darzustellen. Die Politik hatte jahrzehntelang Zeit, sich darauf einzustellen, für Reserven zu sorgen bzw. Reformen rechtzeitig anzugehen. Nun werden die Alten als Last betrachtet, da deren Zahl wächst und sie häufiger als junge Menschen ärztl. Leistungen in Anspruch nehmen. Aber es ist zu beachten, dass sie zuvor 40 Jahre und länger Beiträge zahlten, ohne die Kassen bemerkenswert zu belasten. Viele von ihnen zahlen auch als Rentner hohe Beiträge. Moralisch verwerflich, sie mit Leistungsentzug strafen zu wollen. Die ärztl. Versorgung ist bereits eingeschränkt (lange Wartezeiten, weite Wege, Zuzahlungen etc.).

Juergen Schmidt
1 Monat her

Vorab: Deloitte ist Besatzung, von solchen Leuten ist nichts konstruktives in unserem Interesse zu erwarten. Und unser Gesundheitssystem braucht keine „sozial ausgewogenen Reformen“. Parteipolitiker fabrizieren seit 40 Jahren „sozial ausgewogene Reformen“, und das Ergebnis sieht man heute. Was unverzüglich geschehen muss: Die Plünderung unserer Sozialsysteme muss aufhören. Das ist nicht nur die Versorgung des halben Nahen und MIttleren Ostens durch unser Gesundheitssystem. Die weiteren Probleme sind ja alle besprochen und bekannt. Nicht zuletzt war auch die „Corona-Krise“ – unter anderem – ein koordinierter Raubüberfall auf die deutschen Gesundheitskassen. Es darf nie wieder passieren, dass sich mafiöse Strukturen oder kriminelle Banden… Mehr

Last edited 1 Monat her by Juergen Schmidt
WGreuer
1 Monat her

Ich brauche keine Consulting-Gesellschaft um genau das gleiche vorherzusagen. Wenn immer mehr Menschen aus der KKV Leistungen herausziehen, aber immer weniger einzahlen bzw. die Beiträge für viele Leistungsbezieher (Bürgergeld, etc.) viel zu gering sind, dann muss das zwangsläufig passieren. Herauszufinden, dass das nicht gut gehen kann, ist kein Hexenwerk. Dass die Bundesregierung das nicht „bemerkt“ oder einfach ignoriert, verheißt in diesem Fall nichts Gutes.

Chrisamar
1 Monat her

Die gesetzlichen Krankenversicherungen sind Körperschaften öffentlichen Dienst / des Öffentlichen Rechts. ( Selbstverwaltungen ). Die verwalten die hunderte Milliarden Euro Zwangsabgaben. Die Bundesregierung und die „Selbstverwalter“ machen keine Gewinne / „non profit“, aber eine Menge Schulden. Neben der Verwaltung der Zwangsabgaben, verkaufen die Wissens Dienstleistungen und versorgen sich selbst fürstlich: „Alle bedienen sich in ihren Gehältern und Altersvorsorgen an dem Geld das die gesetzliche Versicherten als Beiträge, Arbeitgeber und Arbeitnehmeranteil, zur Krankenversicherung einzahlen.“ Duebbert und Partner „Auf Seiten der Kassen bleibt Dr. Jens Baas, Vorstand der Techniker Krankenkasse, der am besten bezahlte Funktionär. Sein Job war im Vorjahr ( 2016… Mehr

Mikmi
1 Monat her

Ist nicht noch Geld im Rückstellungsfond von SH für Beamte und gibt es noch weitere Bundesländer, die so einen Fond haben? Wenn ja, nehmt es, sind ja Steuergelder, also unsere Gelder.

Michael Palusch
1 Monat her
Antworten an  Mikmi

Die Rückstellungsfonds sind seit Jahrzehnten unter-, manche sagen auch überhaupt nicht, (gegen)finanziert. Da ist nichts zu holen. Die Beamtenpensionen schlagen nahezu vollständig auf den aktuellen Haushalt durch.

humerd
1 Monat her

„..eine rapide alternde Gesellschaft, die höhere Gesundheitskosten verursacht..“
die kostenlose Versicherung der Bürgergeldempfängerhaushalte darf es ja nicht sein, auch die Finanzierung von Lauterbachs Krankenhausreform durch die gKVs. Deutschland gönnt sich den vollen MWSt Satz auf Medikamente, viele EU Länder nehmen einen ermäßigten Satz, manche gar keine MWSt.
Dazu die vielen versicherungsfremden Leistungen, die lediglich bezuschusst werden. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/v/versicherungsfremde-leistungen.html

Nibelung
1 Monat her

Gesundheitserhaltung dürfte zukünftig für viele Alte zur Todesfalle werden, wenn sie von den Kosten überrannt werden und es nur noch Leistungen gegen Extras gibt um überhaupt noch etwas erbringen zu können. Das können sich allenfalls noch Leute mit gutem finanziellem Fundament leisten und es wird dann auch kein Unterschied gemacht, zwischen Beitragszahlern, die jahrzehntelang aufgrund ihres hohen Einkommens weit mehr dazu beigetragen haben, damit sie Leistungen erbringen können, während alle anderen über diesen Ausgleich partizipieren können ob mit oder ohne Beitrag, was dann keine Rolle für sie spielt. Wenn man dann noch die Entlastung der Kassen bei solchen Leuten sieht,… Mehr

OJ
1 Monat her
Antworten an  Nibelung

Ist doch kein Sparvertrag, ist ein Umlageverfahren. Egal wie lange jemand schon eingezahlt hat❗

Sonny
1 Monat her

Es gibt viele schöne Länder auf der Welt, wo man von den Früchten seiner Arbeit sehr gut leben kann. Ganz ohne eine verbrecherische Politkaste, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Leben der Menschen im eigenen Land von Grund auf zu zerstören. Es wird für Menschen mit Klarblick wirklich allerhöchste Zeit, besonders für die jungen Menschen, diese Deutschland-Titanic schnellstens zu verlassen. Es hilft gar nichts, die Augen pausenlos davor zu verschließen, W I E schlimm es in der nahen Zukunft hier aussehen wird. Der totale Bankrott klopft schon an die Tür und dann beginnen die Überlebenskämpfe – und zwar ganz… Mehr

OJ
1 Monat her
Antworten an  Sonny

Reine Spekulation, entbehrt jeder Grundlage ❗

Der Michel
1 Monat her
Antworten an  OJ

Ja – im Staatsfunk sieht das alles ganz prima aus. Da gebe ich Ihnen recht.

OJ
1 Monat her

5,5 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld. Einzahlungen in die Sozialversicherungssysteme insgesamt: ⭕(NULL).
Weiterer sehr hoher Zuzug aus allen armen Ländern der Welt (insbesondere aus muslimischen Ländern).
Arbeitnehmer in Deutschland zahlen mit die höchsten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge der Welt.
Was denken sie denn wie es in zehn Jahren hier aussehen wird ❓