Abschied von der „taz“

Die „Tageszeitung“ kann man schon bald nicht mehr anfassen. Das Hausblatt der deutschen Linksradikalen gibt es künftig nur noch elektronisch. Damit ist die „taz“ ein Vorbote des Niedergangs der deutschen Zeitungsbranche. Ein Nachruf.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Soeren Stache

„Die Letzten werden die Ersten sein.“ So heißt es im Matthäus-Evangelium. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass dieses Jesus-Zitat nun ausgerechnet von der dezidiert gottlosen Tageszeitung „taz“ aufgegriffen wird – wenn auch sicher ziemlich unfreiwillig.

Papier ade´
Die Tageszeitung „taz“ gibt auf: Ende der Printausgabe angekündigt
Am 17. April 1979 gab es die allererste „taz“. Damit war es die letzte halbwegs ernsthafte Zeitungsgründung in der alten Bundesrepublik. Am 17. Oktober 2025 wird die „taz“ zum letzten Mal als gedruckte Zeitung an einem Werktag erscheinen. Damit ist es die erste überregionale Tageszeitung, die sich im wiedervereinten Deutschland vom Kiosk verabschiedet.

Künftig gibt es das linksradikale Blatt, nun ja, nicht mehr als Blatt, sondern nur noch als linksradikales E-Paper. Dazu kommt die linksradikale Internetseite (taz.de). Lediglich samstags können Fans die – ja, richtig: linksradikale „Wochentaz“ weiter in Papierform erwerben. Von diesen Fans allerdings gibt es immer weniger. Das ist das Problem. Durchschnittlich gerade noch 26.000 Menschen wollten für die gedruckte Zeitung zuletzt Geld ausgeben.

Das sind ziemlich genau halb so viele, wie die Satirepartei „Die Partei“ des Komikers Martin Sonneborn Mitglieder hat. Das war für die Druckausgabe schon immer zum Leben zu wenig. Nun also ist es auch zum Sterben nicht mehr zu viel.

Die „taz“ hatte ein paar Höhen und viele Tiefen. Die Höhen sind schnell aufgezählt: drei Überschriften auf dem Titelblatt.

  • „Li macht Peng“: nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, der Hauptverantwortliche damals war Ministerpräsident Li Peng;
  • „Oh, mein Gott“: in weißer Schrift auf ganz schwarzem Papier, als die linke Hassfigur Benedikt zum Papst gewählt wurde;
  • „Heute gibt’s Kohl“: Zum 25. Geburtstag des Blatts hatte der damalige BILD-Chefredakteur Kai Diekmann die Zeitung gestalten dürfen, und Helmut Kohl gab ihr das einzige Interview, das sie jemals von ihm bekam.

Die Tiefen (besser: Untiefen) ergaben sich fast immer aus dem Umstand, dass einfach deutlich zu wenige Menschen bereit waren, für die „taz“ Geld auszugeben. De mortui nil nisi bene, über Tote soll man nicht schlecht sprechen, aber mit Verlaub: Der mangelnde Zuspruch konnte nie so richtig verwundern.

Die Blattlinie bewegte sich durchgehend irgendwo zwischen Mao und Stalin. Wegen des basisdemokratischen Mitbestimmungsmodells der Zeitung gelang es auch keinem noch so ambitionierten Chefredakteur, eine inhaltliche Ausrichtung durchzusetzen, die vielleicht ein paar Leser mehr hätte ansprechen können. Kein Wunder, dass reihenweise Redaktionsleiter flüchteten: Michael Rediske zu „Reporter ohne Grenzen“, Ines Pohl zur „Deutschen Welle“ – und zuvor schon Georgia Tornow in die Ehe-Arme von Privat-TV-Star Ulrich Meyer. Was als unvereinbar galt.

Man tut der Belegschaft sicher kein allzu großes Unrecht mit der Bewertung, dass sie Blatt fabriziert, das linker Gewalt nicht gänzlich abgeneigt ist und sozialistische Ideen verherrlicht. Arm in Arm mit der linken Mehrheit im linken Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg schaffte man es, die Straße, in der das Verlagsgebäude stand, in „Rudi-Dutschke-Straße“ umtaufen zu lassen. Da war man sehr stolz und zeigte das ausgiebig.

Aber mehr Geld brachte es auch nicht.

Die „taz“ stand eigentlich dauernd vor der Pleite, eine Spenden- und Rettungsaktion folgte der nächsten. Es zeigte sich, dass auch ein basisdemokratischer Betrieb, in dem alle – vom Pförtner bis zum Chefredakteur – denselben Hungerlohn bekommen, auf keinen grünen Zweig kommt, wenn das Produkt sich einfach nicht oft genug verkauft.

Das liegt übrigens nicht am bösen Kapitalismus, sondern am schlechten Produkt.

Um fair zu bleiben, muss man dazu sagen: Die „taz“ ist mit ihrem Schicksal nicht allein. Sie geht sogar ehrlicher damit um als die meisten Konkurrenten. „Das System Zeitung ist am Ende“, sagte der damalige „taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch schon 2019. „Auf der einen Seite gibt es keine Anzeigen mehr, und auf der anderen Seite ist die Herstellung und der Transport materieller Informationsträger völlig überflüssig geworden. Die Musikindustrie hat es längst erwischt. Jetzt sind die Zeitungen dran.“

Kein vernünftiger Mensch wird da widersprechen. Allerdings klammerte auch Ruch, wie alle Branchengrößen, damals die eigene Mitverantwortung für das Siechtum konsequent aus. Weder ihm noch anderen kam in den Sinn, dass die Leute vielleicht nicht ausschließlich nur aus technischen Gründen keine Zeitungen mehr kaufen wollen – sondern weil die Zeitungen ihrem Publikum inhaltlich nichts mehr zu bieten haben.

Lustigerweise machte Ruch seine hier zitierten Aussagen in einem Interview der „Frankfurter Rundschau“. Das führte damals der Journalist Arno Widmann, der selbst etwa ein Jahr lang unter dem Geschäftsführer Ruch Chefredakteur der „taz“ gewesen war. Da befragte also ein ehemaliger Kollege seinen ehemaligen Vorgesetzten.

Möglicherweise kommt so etwas beim Leser eben einfach nicht so gut an.

Künftig wird die „taz“ als Tageszeitung also nur noch virtuell verfügbar sein. Das passt zu einem linken Zeitgeist, der in einer irren Renaissance des Idealismus Träume und Gedanken für wichtiger hält als die stoffliche Wirklichkeit.

Die „taz“ ist, wie eingangs erwähnt, die erste überregionale Tageszeitung, die vom Kiosk verschwindet. Aber sie wird nicht die letzte sein.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 77 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

77 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Dellson
1 Monat her

Sicher wird die Aufwandsentschädigung der ARD mit auch einen kleinen Beitrag zu dieser Entscheidung beigetragen haben. Also die permanente Präsenz im „Presseclub“ von Reaktionsmitgliedern dieser Postille! Während von konservativen Blättern mit höherer Auflage bisher nie jemand eingeladen wurde. Auch wieder ein Argument für das VG Leipzig! Mit dem Aufkommen von extremen Plattformen im Netz wird auch die „Wiese“ im Blatt nicht mehr benötigt, wo sich Sympathisanten der RAF, AntiFa, usw. über regelmässig Grüsse, Solidarität mit politischen Gefangenen in der BRD!, Verabredungen usw. ausgetauscht haben. Tja und leben wie bei Honecker und bezahlt von Kohl geht halt auch nicht mehr. Wäre… Mehr

Michael Palusch
1 Monat her

So,so, 26.000 Exemplare.
Wieviel davon gehen eigentlich an die Fraktionen von SPD, Grünen und DieLinke im BT und wie viele in die Parteizentralen landauf landab dieser Parteien zzgl. BSW und Gewerkschaften?
Die Anzahl der „richtigen“ Käufer dürfte wohl eher im einstelligen Tausenderbereich liegen.

Last edited 1 Monat her by Michael Palusch
Edwin Rosenstiel
1 Monat her

Recht so, weg mit dem Dreck! Im Übrigen sollte endlich mal, so wie Linke versuchen, jede Gegenstimme, sogar mit offenen Aufrufen zur Gewalt, zu unterdrücken, gegen das Zentralorgan der Linksradikalen, Nichtsnutze, Terroristen und Gewaltverherrlicher, Indymedia links unten, eigentlich offiziell „verboten“ (klar, genau so wirksam wie „Messerverbotszone“ und „Gefährderansprache“, ich lach‘ mich schlapp!), massiv vorgegangen werden. Vielleicht sollte man mal In Freiburg nachschauen, in den Szenevierteln, bspw. um die Gretherfabrik, in Bahnhofsnähe, vermutlich sitzen dort die Unterstützer/Betreiber und können unbehelligt ihren Geschäften nachgehen. Oder wie anders ist zu erklären, daß immer wieder Bekennerschreiben auf dem „verbotenen“ Portal erscheinen? Vermutlich vom „Hauptsitz… Mehr

Sonny
1 Monat her

Die taz steht für all das, was Deutschland konsequent kaputt macht und in die Pleite treibt.

RiverHH
1 Monat her

Für dieses abstoßende Schmierenblättchen hätte ich nicht einen Pfennig übrig. Wer hat so etwas gelesen? Ich kann es mir vorstellen … Roth? Göring-Eckhardt? die zarte Elfe Lang? Kotzdumir? Klingbeil? Eskens? Merkel?

MT
1 Monat her

Ich kannte mal einen, der war bei der TAZ. Die Frau bei der Frankfurter Allgemeinen oder so. Beide sind in die Bundesregierung gewechselt. Er ins Familienministerium, sie wurde Pressesprecherin. Er zuckte kurz, als er Beamtenstatus bekam. 1000 Euro mehr für gleiche Arbeit. Pension statt Rente. Das fand er ungerecht – und nahm es mit.

Metric
1 Monat her

Kein Mitleid für die TAZ – aber „zwischen Mao und Stalin“?? Das zeigt leider wieder einmal, dass die Altkonservativen bei TE nach wie vor nicht verstanden haben, was mit der Linken in den letzten 20, 30 Jahren passiert ist, und sich nach wie vor an ein völlig veraltetes Feindbild klammern. Dabei gibt es, ebenfalls von TE-Autoren, doch scharfsinnige Analysen dazu, etwa von Alexander Wendt („Verachtung nach unten“). Und ohne Analyse der Realität tappt man politisch im Nebel.

UVD
1 Monat her

Es sind jetzt eben nicht mehr so viele „Reiche“ da, die sich dieses dummerhafte Geschwätz kaufen können, oder wollen! Gut so!

UVD
1 Monat her

Zeitungssterben in seiner schönsten Form!! Eigentlich schade, aber nur vollkommen gerecht, daß dieser Minderheiten Terror ein weiteres Sprachrohr verliert.
Ist einfach nur schön! Wird Zeit, daß die Einrichtung für sog. „Politische Schönheit“ auch bald verschwindet. Wie sagte doch die Flitzpiepe Merz, „Links ist vorbei“!! Hat er vielleicht doch Recht, dieser Lügenbold????

fluffy_bird
1 Monat her

Dann teilt die Frankfurter Rundschau wohl auch bald das Schicksal der taz. Die etwas älteren der Leser hier werden die Frankfurter Rundschau noch als echte Zeitung kennen. Quasi das Gegenstück zur FAZ. Was heute schon in zweifacher Hinsicht längst der Vergangenheit angehört. Die FAZ gibt es zwar noch als Zeitung, der Auflageverlust dieses Blattes steht allerdings in den Top Ten der deutschen Zeitungen wohl unangefochten auf Platz 1. Praktisch keine andere Zeitung in Deutschland hat schneller und nachhaltiger Leser verloren. Zwar führte das dann irgendwann zur Insolvenz, aus der allerdings eine neue Betreibergesellschaft hervorging. Die jetzigen Eigentümer betrachten diese Zeitung… Mehr