Sigmar Gabriel bei Miosga: USA verteidigen die „Nazi-Brut“  

Die Geschichte muss wohl umgeschrieben werden. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel warnt bei Caren Miosga: Weil die USA vor einer neuen Geheimdienst-Tyrannei gegen die AfD warnen, beleidigen sie die eigenen Veteranen, die einst die „Nazi-Brut" bekämpften. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Sigmar Gabriel, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp und demnächst Aufsichtsrat bei Rheinmetall, kennt sich aus mit Krieg. Da sitzt er bei Caren Miosga goldrichtig, denn hier kennen sich mal wieder alle wahnsinnig gut mit allem aus. Eine Stunde lang wird debattiert und analysiert, werden Frontverläufe in der Ukraine gezeigt, Putins und Trumps Strategien offengelegt. Lauter Experten. Also fast wie immer.

Doch etwas ist anders an diesem Abend. Gabriel, ehemaliger SPD-Chef und ehemaliger Tausendsassa-Minister (mal Umwelt, mal Wirtschaft, mal Äußeres) schickt sich an, die Geschichte in ein neues Licht zu rücken. Anlass sind die jüngsten Entwicklungen. Wenn der Verfassungsschutz die größte Oppositionspartei AfD plötzlich als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft und aus den USA dazu kritische Töne kommen, fühlt sich Gabriel zu einer waghalsigen Geschichtsstunde berufen.

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Er setzt an: Die Amerikaner hätten „Deutschland befreit von der Hitler-Diktatur und uns im Westen davor bewahrt, unter Stalins Knute zu kommen“. Wenn Außenminister Marco Rubio jetzt den Umgang mit der AfD kritisiere („Das ist keine Demokratie das ist eine verdeckte Tyrannei“ – Rubio auf X), dann stehe der offenbar auf der falschen Seite, denn „er unterstützt jetzt eine Partei, in der solche Leute, die den Nazis anhängen, gern gesehen sind. Aus meiner Sicht trampelt er damit auf dem Leben und dem Schicksal von tausenden US-Veteranen rum. Er beleidigt diejenigen, die gegen diese Nazi-Brut gekämpft haben, die man in der AfD duldet.“

Dass Gabriel sich ausgerechnet als Chef der Atlantik-Brücke so weit aus dem Fenster hängt, dürfte in den USA nicht unbeachtet bleiben. Da hilft es wenig, dass er ganz Europa empfiehlt, die Friedensbemühungen der USA im Ukraine-Krieg zu unterstützen und „Trump auf diesem Weg zu bestärken“. Denn auch auf dieser Linie gerät Gabriel ins Schlingern. Zunächst versucht er lobende Worte: „Was immer man von Donald Trumps Vorgehen hält, wenn am Ende des Tages tatsächlich das Sterben ein Ende hat, dann sind alle froh. Dann ist auch egal, wer das gemacht hat und egal, mit welchen Mitteln.“ Doch egal ist ihm Trump keinesfalls, denn „eigentlich will er uns Europäer insgesamt loswerden. Es geht ihm ja nicht nur um die Ukraine. Wir stehen als Europäer quer im Stall in der internationalen Politik, und das nervt ihn.“

Transatlantische Verständigung auf neuen Wegen. Und Polit-Professorin Nicole Deitelhoff kennt den Grund: „Wir haben keine Transatlantiker mehr in dieser Administration“, sagt sie über die neue US-Regierung und analysiert messerscharf: „Wir haben eine ideologisch begründete Ablehnung von europäischen Werten und auch dem europäischen System.“ Deshalb habe in den USA auch Gabriels „Art von historischer Begründung an Relevanz verloren“.

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Noch einer kennt sich aus: Franz-Stefan Gady, österreichischer Militäranalyst und Politikberater, hat die USA komplett durchschaut, die Strategien, aber auch die Schwächen. „Ich sehe vor allem eine Lähmung der amerikanischen Sicherheitspolitik in den nächsten Jahren, nicht so sehr eine große Strategie dahinter“, sagt er. Europa sei uninteressant für sie. Zum US-Präsidenten liefert er ein besonders wildes Psychogramm, nämlich dass „Trump sehr oft eben wirklich tatsächlich auf die Person hört, die zuletzt mit ihm gesprochen hat. Im Moment ist es Selenskyj. Jetzt kann es in einigen Tagen dann wieder eine andere Person sein.“

Für Europa hat Gady gute Ratschläge: „Wir müssen vor allem unsere Hausaufgaben machen. Die Idee, dass wir unsere Sicherheitspolitik quasi an die USA auslagern, die ja nicht mehr an Europa interessiert sind, ist ein großer, großer Fehler. Und vor allem die Ukraine ist ja nur ein Symptom. Putin hat ja vor, quasi die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas in gewisser Weise zu beeinflussen, zu verändern. Wir müssen hier proaktiver sein, strategischer denken eben ohne die Amerikaner. Ich glaub’, mental haben wir das noch nicht ganz geschnallt.“

Das grundsätzliche Problem Europas sei, so Gady, „dass wir versäumt haben, uns Grundsatzfragen zu stellen. Welche konkreten Interessen hat Europa? Sind wir gewillt, tatsächlich einen direkten, militärischen Konflikt mit Russland zu riskieren abseits moralischer Entrüstung?“ Selbst ein Friedensschluss wäre für Gady kein Ende des Krieges. „Keine der beiden Seiten hat Kriegsziele erreicht“, sagt er und warnt: „Wenn man sich die Militärgeschichte anschaut, ist es so: Wenn Parteien nicht ihre Kriegsziele erreichen, kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit immer zu einem Nachfolgekrieg. Ein Krieg kommt selten allein.“

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Rebecca Barth, Ukraine-Korrespondentin der ARD, kennt Putins wahre Ziele: „Ich glaube nicht, dass es Putin nur um Gebiete geht. Es geht ihm um die Zerstörung der freien und souveränen Ukraine.“ Auch Gabriel hat Putin durchschaut. „Eigentlich will er ja die ganze Ukraine haben. Er wird übrigens, egal, wie das ausgeht, je nachdem wie er sich als Sieger fühlt, die Nato weiter herausfordern. Er wird nicht ’nen Nato-Staat angreifen, aber er wird immer so an der Grenze der Nato uns herausfordern, in Transnistrien, in Moldawien, in Georgien. Er führt keinen Krieg gegen die Ukraine, er führt einen Krieg gegen den Westen.“

Was also tun? Europa aufrüsten! Doch Gabriel mahnt: „Das ist doch mindestens eine Dekade, die wir brauchen, um ansatzweise wenigstens wieder eine Territorialarmee zu haben, die ihren Namen verdient.“ Der Transatlantiker in ihm erwacht wieder: „Wir sind auch in der Zukunft auf die Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen.“ Deswegen müsse man sich bemühen, „die Beziehung irgendwie am Laufen zu halten“.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sei nötig, darin sind sich die Drehstuhl-Strategen einig. Gabriel blättert noch einmal im Geschichtsbuch. „Ich bin bereit, mein Leben für deine Freiheit einzusetzen. Das meinte Kennedy mit ‚Ich bin ein Berliner‘. Das haben die Sowjets verstanden.“ Doch für die aktuelle Lage sieht Gabriel schwarz: „Bringen wir das eigentlich unseren Kindern bei? Sprechen wir diesen Satz aus? Ist das etwas, was in unserer Gesellschaft diskutiert wird? Ich würde sagen: nein.“

Apropos nein: Ob Saskia Esken nun doch noch ins Kabinett kommt, möchte Miosga zum Schluss wissen. Lars Klingbeil als Vizekanzler und Saskia Esken gar nichts – „ist das fair?“ Gabriel: „Nee, so ist das Leben in der Politik. Mich hat auch keiner gefragt, ob ich freiwillig gehe.“

Gelächter im Raum. Alle warten auf den Tag, an dem keiner mehr fragt, ob er kommt. Zum Beispiel in ein Fernsehstudio.

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Kommentare ( 85 )

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lube
7 Monate her

Was für eine unsägliche Massenverblödungsveranstaltung.
Z Promis die im Dschungelcamp gut aufgehoben wären, erklären den Ü 70 die Welt.

pcn
7 Monate her

So sieht Gabriels „Demokratieverständnis aus: Ich wollte gerade die AfD Petition „Ja zur Demokratie“ unterschreiben. Aber das Deutschland und sein linksgrünes Regime hat schnell geschaltet und meine 3 Email-Accounts für die notwendige Bestätigung blockiert. Toll! Das ist das neue sozialistische, perfekt gespaltene Deutschland. Die Angst vor dem, was diesen Herrschaften blühen könnte, falls die AfD einst an der Regierung sein wird, lässt sie ihre Contenance verlieren. Das Regime agiert nach dem Muster wie Gutsherren. Da hat das Gesinde wenig bis gar nichts zu melden! . Gutsherren bestimmen, was als demokratisch anzusehen ist, und was nicht. Die Angst davor muss derart… Mehr

Last edited 7 Monate her by pcn
Aliena
7 Monate her

Da er in die Rolle des Ministerpräsidenten von Niedersachsen hineinschlüpfte, ohne gewählt worden zu sein, nach Ablauf der Legislaturperiode nicht wiedergewählt wurde, holte ihn sein Gönner SCHRÖDER in die Bundesregierung, und zwar für die eigens neu geschaffene Position Minister für Popkultur. Einmal im Räderwerk auf Bundesebene, fand sich für ihn immer wieder eine Anschlussposition. Vor allem bewegte er sich auf der – populären – Linie Atomkraftwerke abschalten / Energiewende, Glühbirnenverbot, uam – diese d’accord Haltung machte seiner Chefin große Freude. In der gestrigen Sendung schien er den Mund sehr voll zu nehmen, indem er derartige Vergleiche heranzieht und damit das… Mehr

Waldschrat
7 Monate her

Das, was Gabriel hier verlautbart, grenzt schon an Volksverhetzung, denn er verunglimpft eine demokratisch legitimierte Partei und deren Wähler, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht und die man mit Nazis, wenn man den geschichtlichen Bezug herstellen will, niemals in einen Topf werfen kann. Wird er morgen früh 6.00 Uhr von einem SEK abgeholt und vor Gericht gebracht? Sicher nicht. Man glaubt ja auf der richtigen Seite zu stehen, da ist alles erlaubt, auch Beleidung der eigenen Bürger (immerhin 10-11 Mio., die sich hier angesprochen fühlen können). Mit solchen Äußerungen wird Hass und eine Spaltung der gesellschaft geschürt, Herr Gabriel.… Mehr

Brotfresser
7 Monate her

Der Harzer Roller über Putin: „Er wird übrigens, egal, wie das ausgeht, je nachdem wie er sich als Sieger fühlt, die Nato weiter herausfordern. Er wird nicht ’nen Nato-Staat angreifen, aber er wird immer so an der Grenze der Nato uns herausfordern, in Transnistrien, in Moldawien, in Georgien. Er führt keinen Krieg gegen die Ukraine, er führt einen Krieg gegen den Westen.“ Wie hat der Putin das in der Vergangenheit gemacht, die NATO herausgefordert? Wie hat er die zur Osterweiterung verführt? Wie hat er das geschafft, die Amis dazu zu bringen, Frau Nuland mit 5,x Mrd. USD und einem Putschplan… Mehr

EinBuerger
7 Monate her

Für uns gilt ähnlich wie für die Ukraine: Es kommt auf die USA an. Wer jetzt und in Zukunft in den USA regiert (weiterhin die Republikaner oder doch wieder die Demokraten). Und wer auch immer in den USA regiert, welche Politik macht er?
Dauerhaft kann sich kein Land in Europa gegen die USA behaupten. Aber man weiß ja nicht, wie sich die Politik in den USA entwickelt. Besonders bei anderen Machtverhältnissen.

moorwald
7 Monate her

Gabriel hat seinen eigentlichen Beruf kaum ausgeübt. Er ist wohl ein typischer Vertreter der früh „berufenen“ Berufspolitiker, die auf diesem Feld ihre größeren Chancen sahen.
Interessant wäre, zu erfahren, mit welchen Noten er das Erste und Zweite Staatsexamen abgelegt hat.

rainer erich
7 Monate her

Ich frage mich, wie lange es dauert, bis aus der hiesigen, positiven Eloge auf Erasmus, dessen Gedanken und Überlegungen uebrigens andere, unabhaengig von ihm teilten und teilen, was die Überschrift relativiert, die logischen Schlussfolgerungen auf den Zustand und die Entwicklung ( nicht nur) dieses Landes und seiner Gesellschaft bzw Individuen gezogen werden. Ein Artikel des Herrn, in dem er das alles auf seine Art würdigt, waere sicher aufschlussreich. Ob er es fuer sinnvoll oder der Muehe wert halten wuerde, sich mit Individuen wie Gabriel und andere zu befassen, ist fraglich. Er wuerde sich vielleicht wundern, dass und warum hier Und… Mehr

Reinhard Schroeter
7 Monate her

Wenn sie dann mit der AFD fertig sind, werden sie sich eher mit der CDU zur neuen SED vereinigen und sich ihre Macht so für wenigsten 40 Jahre zu sichern wissen. Die SPD weiss ja wie das so geht, mit Vereinigungen und kann da ihre speziellen Erfahrungen einbringen. Was sich da so an Hans-Würsten im politischen Schmierentheater in Buntschland tummelt, dürfte weltweit einmalig sein. Auch die, von denen man meint sie seien endlich politisch tot, finden ihre Totenruhe nicht und werden immer und immer wieder neu ausgebuddelt nur um dann als Untote die Rolle des Hampelmanns auf der Bühne des… Mehr

Dr. Rehmstack
7 Monate her

„USA verteidigen die „Nazi-Brut“ sagt Siggi der Große und dann sagt er das: „Das ist doch mindestens eine Dekade, die wir brauchen, um ansatzweise wenigstens wieder eine Territorialarmee zu haben, die ihren Namen verdient.“ Wenn unsere Sicherheitslage denn so prekär ist, ist es dann schlau Demjenigen, der uns verteidigen soll, Verbalinjurien um die Ohren zu hauen?

Kassandra
7 Monate her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Er rechnet damit, dass sich das bereist stehende islamische Heer bis dahin zu dem vergrößert. Territorialarmee.
Die Federführung über solche werden allerdings Indigene diesmal nicht erreichen: „Show them this: Muslims part of the Nazi SS. Often ignored chapter of the history.“ https://x.com/AfgZoroastrian/status/1909243326844317934
Mit Einzelkindern kann man solches nicht erreichen – oder?