Wie die Bundesregierung ihr Feindbild pflegt

Nach Feindbilddebatte, Unternehmerschelte und Schuldzuweisungen in der Krise versucht die Bundesregierung nun, Selbstständige und Freiberufler von der Aktivrente auszuschließen. Ein weiterer Beleg für die autistisch anmutende Unternehmerfeindlichkeit der Berliner Politik.

picture alliance / dts-Agentur

Was kennzeichnet eine prosperierende Gesellschaft? Ohne Zweifel führt materieller Wohlstand die Liste der Faktoren an, die ein günstiges gesellschaftliches Klima ermöglichen. Schöngeistiges wie auch ästhetische Aspekte folgen auf glücklich überwundene Existenzprobleme. Sie sind gleichsam derivative Antworten, die sich eine erfolgreiche Kultur selbstreferenziell auf ihren eigenen Erfolg zu geben versucht.

Im Zentrum dieser sozialen Fabrik, die die moderne Gesellschaft letztlich in den günstigen Zustand einer Überflussgesellschaft überführt hat, steht – aus ökonomischer Perspektive betrachtet – der Unternehmer. Der Ökonom Josef Schumpeter bezeichnete ihn als einen „kreativen Zerstörer“: eine Figur, die auf der Suche nach ökonomischem Erfolg bestehende Verkrustungen aufbricht, um durch Innovationen Neues an die Stelle des Bestehenden zu setzen und das Alte damit zu entwerten. Es ist ein komplexer Prozess aus psychologischen, sozialen und ökonomischen Faktoren, die im glücklichen Zusammenspiel, unter guten Rahmenbedingungen, wie ein Dynamo und wie ein belebender Quell auf eine Gesellschaft wirken.

Unappetitliche Debattenkultur

Etwa 3,6 Millionen dieser Unternehmer, Selbstständigen und Freiberufler zählt die Bundesrepublik. Und genau sie sind in den vergangenen Monaten verstärkt auf das Radar von Vertretern der Bundesregierung geraten. Man erinnere sich an den unappetitlichen Skandal, den Arbeitsministerin Bärbel Bas auf dem Unternehmertag im November lostrat: Vor einem aufgestachelten Publikum von Jungsozialisten erklärte sie den Unternehmern indirekt den Krieg und erhob sie zum Feindbild.

Für Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der Union steht außer Frage, dass die Unternehmer angesichts der anhaltenden Rezession im Land in der Pflicht stehen, in die Offensive zu gehen. Kein Wort davon, dass die katastrophalen von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen, die Energiekrise und der klimasozialistische Regulierungswahn dazu geführt haben könnten, dass wirtschaftliche Tätigkeit am Standort Deutschland systematisch erstickt wird.

Man deutet öffentlich und dreist auf andere, um von der eigenen Inkompetenz und ideologischen Verhärtung abzulenken. Die Neidsteuerdebatte, angestoßen ausgerechnet von CDU-Fraktionschef Jens Spahn, flankiert von staatlichen Wirtschaftsforschungsinstituten gießt nur weiteres Öl ins Feuer: Man will den Unternehmern an den Kragen und vererbtes Unternehmensvermögen im Namen des Gerechtigkeitsgottes aus dem Produktionsprozess herausschneiden und in die überdehnten Staatskassen überführen. Als Melkkühe sind die Unternehmer dann gerade gut genug.

Einen ersten Vorgeschmack, was diese grundsätzlich unternehmerfeindliche Haltung der Politik in praxi bedeuten kann, führt uns die Aktivrente vor, die im kommenden Jahr in Kraft treten wird. Rentner können dann, ohne Steuern abzuführen, bis zu 2.000 Euro im Monat zusätzlich verdienen. Ausgenommen von dieser gut gemeinten rentenpolitischen Regelung sind selbstverständlich die Selbstständigen und die Freiberufler.

Das alles ist bewusst spalterisch und ostentativ unternehmerfeindlich. Ob dies allerdings auch rechtskonform ist, könnte die Klage des Bundes der Steuerzahler klären, die ab März die Gerichte beschäftigen wird.

Musk als Inspiration

Es ist verständlich, dass in einem gesellschaftlichen Klima, das Unternehmerschelte und vulgäre politische Ressentiments gegenüber Selbstständigen nahezu kritiklos hinnimmt, die Unternehmergestalt schlechthin, Elon Musk, auf schärfste Ablehnung stößt. Diese reicht in Brüssel so weit, dass sie letztlich zu grotesken juristischen Angriffen durch die Kommission eskalieren musste.

Musk, der mit Tesla, SpaceX und Neuralink einige der erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit geschaffen hat, wagte es darüber hinaus, mit dem Kauf der Kommunikationsplattform X tief in die von Politikern dominierte Kommunikations- und Diskursarchitektur Europas zu intervenieren.

Und hier haben wir sie: die Kollision des Parteienkartells und der europäischen Zentralplaner mit einem einflussreichen Unternehmer – einem Firmenchef, der sich nicht von Zensurgesetzen, Drohungen und vulgärer politischer Hetze aus dem Brüssel-Berliner Dunstkreis einschüchtern lässt.

Musk sollte als Beispiel dienen, um auch hierzulande die wirtschaftliche Elite wachzurütteln. Man muss nicht der reichste Mann der Welt sein, um seine Meinung mutig zu vertreten, um Kritik zu üben am Klimasozialismus, der die europäische Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat.

Zivilcourage bedeutet, gerade im Kleinen, im Betrieb, in der Familie und bei Bekannten zu wirken und auf die Missstände unserer Politik, den wachsenden Zensurapparat, die sich anbahnende Schuldenkatastrophe und die antizivilisatorische Klimapolitik aufmerksam zu machen. Unser Schweigen erst öffnet dem machtvollen Kartell aus ökosozialistischen Parteien den Raum zu einem immer sichtbarer konturierten Hyperstaat.

Feindbilder und Problemlöser

Politiker, die sich ganz bewusst und coram publico von den Entscheidungsträgern der Wirtschaft und von den vielen Selbstständigen distanzieren, verfolgen eine Doppelstrategie. Zum einen lässt sich im gegenwärtigen sozialen und ökonomischen Krisenklima relativ mühelos auf ein Bild zurückgreifen, das über Jahre hinweg insbesondere in den öffentlichen Medien kultiviert wurde: das des gierigen, rücksichtslosen Unternehmers. Diese Figur dient als Trumpfkarte im öffentlichen Diskurs. Ressentiments werden aktiviert, der Sündenbock ist schnell identifiziert – zumal es sich um eine vergleichsweise kleine und vermeintlich homogene Gruppe handelt.

Unternehmer erscheinen in dieser Erzählung als Schurken. Ironischerweise wird ausgerechnet ihre zivilisatorische Funktion, die rastlose Suche nach Geschäftsgelegenheiten auf freien Märkten, um Knappheitsprobleme aus der Welt zu schaffen, zur Zielscheibe zynischer Kritik.

Im etatistisch geprägten, staatsgläubigen Deutschland gilt individuelles Streben nach ökonomischer Exzellenz noch immer als verdächtig – und wird, so die implizite Logik, mit der Steuerkeule zurecht bestraft. Klingbeil, Bas, Merz und andere Zentralplaner scheinen darin Bestätigung zu finden: Niemand soll sich durch Talent, Kompetenz oder gar Glück in eine bessere Position versetzen dürfen als der Durchschnittsbürger.

Das gepflegte Ressentiment als politisches Werkzeug

Dass Sozialdemokraten, Grüne und andere Linke dieses schäbige Ressentiment regelmäßig bedienen, um vom eigenen handwerklichen Versagen und ihrer ideologischen Enge abzulenken, folgt eingeübten Medienspielen. Dass jedoch inzwischen auch die CDU in gefährliche Nähe dieser unappetitlichen Vulgärrhetorik gerückt ist, fügt die Partei nahtlos ein in die Phalanx linker Gruppierungen.

Die selbsternannten Erben Ludwig Erhards haben dessen Vermächtnis nicht nur vergessen, sondern es bildlich gesprochen in der ideologischen Gosse politischer Beliebigkeit versoffen.

Das zweite Motiv der Unternehmerschelte ist machtpolitischer Natur – und vielleicht das entscheidendere. Das Unternehmerbild der freien Marktwirtschaft steht für den dezentralen Entscheidungsprozess. Unternehmer verkörpern Wettbewerb, Dynamik und Lösungskompetenz. Sie sind Stressoren des Systems, innovative Akteure, deren Konkurrenz untereinander genau jene Ergebnisse hervorbringt, zu denen ein Staatsapparat prinzipiell nicht fähig ist – marktbezogen, konsumentengesteuert.

Unternehmer fordern zur Lösung handfester gesellschaftlicher Probleme bei der Produktion der entsprechenden Güter keine ideologische Unterwerfung unter die Parteidoktrin, sondern lediglich den gültigen Marktpreis. Der freie Markt entspricht somit dem demokratischsten aller bislang zivilisatorisch entdeckten Vehikel.

Im Gegensatz dazu sind zentral geplante Prozesse dazu verdammt, an den Klippen komplexer Realität und dynamischer Veränderungen zu zerschellen. Unternehmer sind die Spiegel, die einem sich ausdehnenden Staatssozialismus vorgehalten werden. Sie machen sichtbar, warum große, politisch gelenkte Projekte immer aufs Neue scheitern und dabei Kapital verbrennen wie lodernde Fackeln – etwa beim Versuch, eine hochkomplexe Volkswirtschaft in eine klimasozialistische Kommandowirtschaft zu überführen. Gerade deshalb stehen sie diesem Projekt systematisch im Weg. Und genau deshalb geraten sie zunehmend ins Visier einer Politik, die ihre Seele an den Machbarkeitsglauben zentraler Planung verkauft hat.

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Kommentare ( 8 )

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Raul Gutmann
3 Stunden her

Ein weiterer Beleg für die autistisch anmutende Unternehmerfeindlichkeit der Berliner Politik.

Die Berliner Politik ist nicht nur „autistisch“ bezüglich der Unternehmer, sprich der Marktwirtschaft, sondern hinsichtlich der Wirklichkeit in toto.

HeRo
3 Stunden her

Damit hat das m.E. nix zu tun. Was wir hier sehen ist, dass man SYSTEMATISCH irgendwelche relativ kleinen bevölkerungsgruppen beschneidet (und alle einzeln), und jedesmal ist man froh, das es einen nicht trifft. Wenn man betroffen ist, ist man in einer zu geringen Menge, um sich zu beschweren. salamischeibentaktik. SO läuft das. die einzigen, die es nicht betreffen wird, sind die Beamten, denn die 71% der Gehaltes gebenüber 48% darf man nicht antasten. Denn die polizisten braucht man zum Vernichten von Bürgerprotesten. Vor ca 5 jahren- was hörte man permanent über die „hohe Stundenbelastung der Polizisten“. Ich habe keine statistiken,… Mehr

Dieter Rose
3 Stunden her
Antworten an  HeRo

Die Unternehmer mit den dicken Zigarren nehmen halt die Stelle der Geldverleiher mit den krummen Nasen ein. Nichts gelernt haben diese …

Haba Orwell
3 Stunden her

> Unternehmer fordern zur Lösung handfester gesellschaftlicher Probleme bei der Produktion der entsprechenden Güter keine ideologische Unterwerfung unter die Parteidoktrin, sondern lediglich den gültigen Marktpreis. Der freie Markt entspricht somit dem demokratischsten aller bislang zivilisatorisch entdeckten Vehikel.

Kombinate-Chefs, die nach Davos kommen, fordern leider das genaue Gegenteil davon, Manuelle Steuerung mit fragwürdigen Schwindel-Schemen (wie Klimagedöns) möglichst ohne unternehmerisches Risiko.

Ohanse
4 Stunden her

Es ist einfach armselig und dumm, wenn man sein Geld leistungslos aus Steuermitteln erhält, und denen, die dieses Geld erst erwirtschaften, wo immer möglich Knüppel zwischen die Beine wirft. Aber der typische CDU-Wähler begreift diesen Zusammenhang nicht. Gottseidank liegen die typischen CDU-Wähler auch am Ende dieses Jahres wieder in Millionenstärke auf den Friedhöfen und können Deutschland nicht weiter schaden. Bedauerlich, daß man diese Leute lediglich als Mittäter bei der Zerstörung Deutschlands in Erinnerung behalten wird. Aber letztlich haben diese Leute ihr Leben durch ihre bornierte Selbstgerechtigkeit selbst derart entwertet.

twsan
4 Stunden her

Mit dem Wandel von der Bonner zur Berliner Republik begann die Bösartigkeit gegen das eigene Volk in die Regierungen einzuziehen.

Mit der Wiedervereinigung hat das nur insofern zu tun, als jetzt der Selbsthass zum Leitfaden der Politik wurde.
Wahrscheinlich deshalb, weil die Ossies es wagten, das Arbeiterparadies der Westlinken* als das zu outen, was es in Wirklichkeit war: Eine miese Diktatur.

*Darunter auch die Linken in der Union, die nach der Ära Kohl übernahmen…

Last edited 4 Stunden her by twsan
Schwabenwilli
4 Stunden her

„Ein weiterer Beleg für die autistisch anmutende Unternehmerfeindlichkeit der Berliner Politik“

Jetzt muss es der AfD nur noch gelingen das in der breiten Öffentlichkeit zu verankern, besonders in den Zeiten wo viele Angst um ihren Arbeitsplatz haben geradezu ein Schub um mindestens 10%.

jwe
4 Stunden her

Ich finde das Wort „Aktivrente“ schon wunderbar. Wer möchte als Rentner nicht noch aktiv sein. Und dann noch steuerfrei 2.000 Euro dazuverdienen, toll. Wenn das Schule macht, kann die Regierung doch gezielt das Rentenniveau weiter drastisch senken und hat dann praktisch das Renteneintrittsalter nach hinten geschoben, ohne es Renteneintrittsalter zu nennen. „Man“ arbeitet ja weiter.
Was macht man dann mit dem zusätzlichen Geld in Rentenkasse? Beiträge senken oder neue Sozialleistungen erfinden? Wie wärs mit Rentenzahlung an Palästinenser, Ukrainer, Somalier,..?