Rentenpolitik: Wirtschaft entzieht Friedrich Merz das Vertrauen – der fabuliert von Zeichen

Friedrich Merz hat den „Herbst der Reformen“ versprochen. Die Industrie glaubt dem Kanzler nicht mehr, dass diese kommen. Die Debatte über die Rente gibt dieser These Recht. Das nächste gebrochene Versprechen des Kanzlers steht bevor.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Den Bundespolitikern vorzuwerfen, sie würden in einer Berliner Blase leben, diskreditieren Linke als „rechtes Narrativ“. Nur geben die real existierenden Politiker diesem Narrativ immer wieder recht. So wie jetzt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Er reagierte auf das Gutachten der Wirtschaftsweisen auf X mit den Worten: „Die Zeichen drehen sich ins Positive… Wir wollen unseren Wirtschaftsstandort Deutschland weiter fit machen für die Zukunft.“ Welche Zeichen Merz auch immer gesehen haben mag, er hat sie exklusiv für sich.

Die Wirtschaftsweisen haben zwar für das kommende Jahr vorausgesagt, das Bruttoinlandsprodukt werde nächstes Jahr um 0,9 Prozent wachsen. Aber die Berater der Regierung bemängelten die ungelösten Strukturprobleme der Wirtschaft und führten das prognostizierte Wachstum vor allem auf die Ausgaben aus der schwarz-roten Schuldenorgie zurück. Anders als von Merz versprochen, flösse dieses Geld aber nicht in Investitionen, sondern in Konsumausgaben – was der deutschen Wirtschaft nicht auf die Beine helfe.

Prognose der Wirtschaftsweisen
Wachstum auf Schuldenbasis – nur die Probleme der Wirtschaft wachsen wirklich
Auch aus der Wirtschaft selber kommen Stimmen, die alles andere als Zeichen sehen, die sich ins Positive drehen. Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Peter Leibinger, geht mit Merz und seinem Koalitionspartner Lars Klingbeil (SPD) hart ins Gericht: Sein Vertrauen in die Regierung sei „erschüttert“. Der vom Kanzler versprochene „Herbst der Reformen“ werde nicht kommen. „Teile der Fraktionen und Ministerien“ erkennen seiner Meinung nach die dramatische Lage nicht, in der sich die deutsche Wirtschaft befindet. Als Verhinderer der Reformen sieht Leibinger offensichtlich die Sozialdemokraten. Nur kann sich Merz gegen die halt nicht durchsetzen.

Die real existierenden Zeichen geben dem BDI-Präsidenten recht. Etwa in der Rentenpolitik. Die nimmt „dem Bundeshaushalt sämtlichen Spielraum für Investitionen in die Zukunft“, befürchtet der Verband „Die Familienunternehmer“. Sie beteiligten sich zusammen mit 30 anderen Verbänden an einem Offenen Brief, der die Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und SPD vor der gefährlichen Lage warnen soll und vor der Verschärfung dieser Lage durch die Rentenpolitik. Oder wie es Merz sieht: Die Zeichen drehen sich ins Positive.

Die Familienunternehmer warnen davor, dass durch das Rentenpaket der Bundesregierung die Rentenkosten bis zum Jahr 2050 um 480 Milliarden Euro steigen werden – statt wie ohnehin schon befürchtet um „nur“ 123 Milliarden Euro. Das werde Arbeit in Deutschland massiv verteuern. In der Folge werden noch mehr Betriebe die Produktion ins Ausland verlagern. Der Kanzler fabuliert unterdessen von Zeichen, die sich ins Positive drehen.

Der Verband „Die Jungen Unternehmer“ nennt das schwarz-rote Rentenpaket einen „Anschlag auf junge Menschen“. Es sei „ein schuldenfinanziertes Geschenk an die Gegenwart, bezahlt von den kommenden Generationen“. Die Jungen Unternehmer weisen die Regierung auf deren eigene Widersprüche hin: Nachhaltige Reformen haben Merz und seine Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) verschoben. In eine „Kommission“. Die Reformen sollen erst kommen, wenn sich die Mitglieder dieses Arbeitskreises in Ruhe ausgequatscht haben. Doch noch bevor die damit anfangen, beschließt die Regierung Merz die „Aktivrente“ für Rentner, die weiterarbeiten. Und eine Erhöhung der „Mütterrente“. Und eine Festlegung des Rentenniveaus auf eine Höhe von 48 Prozent der Durchschnittseinkommen.

Fingerzeig aus Brüssel
Abbau der Bürokratie geht nur gegen Sozialdemokraten – gerade in Berlin
Das führt zu faktischen Rentenerhöhungen ganz egal, wie sehr die Wirtschaft noch daran zugrunde gehen mag. „Wenn die Politik jetzt Fakten schafft, bevor die Kommission überhaupt tagt, ist das so, als würde man dem Architekten das Fundament betonieren, bevor er die Pläne zeichnet“, sagen die Jungen Unternehmer: „Damit wird die künftige Gestaltung des Rentensystems faktisch blockiert, noch bevor sie begonnen hat.“ Sie warnen vor einer „totalen Überforderung der jungen Generation“. Der 70 Jahre alte Kanzler beschwört derweil Zeichen, die sich ins Positive drehen.

Eine Gruppe von 18 jungen Abgeordneten stellt sich innerhalb der Union gegen das eigene Rentenpaket. Sie teilen die Sorge der Wirtschaft vor unbezahlbaren Kosten. Die SPD spielt darauf mit den Muskeln. Ihr Generalsekretär Tim Klüssendorf fordert daher den Fraktionsvorsitzenden der Union, Jens Spahn, öffentlich auf, das Paket gegen die eigenen Abweichler durchzusetzen. Es sei schließlich vom Kabinett einstimmig verabschiedet worden.

Der Kanzler gibt beiden Seiten recht. Den 18 jungen Abgeordneten durch seine Aussagen. Da erkennt Merz an, dass der Sozialstaat so nicht mehr zu bezahlen ist und die Kosten der Wirtschaft die Luft zum Atmen nehmen. Dem SPD-General gibt Merz durch seine Taten recht. Indem er in Sachen Rente die Vernunft Vernunft sein lässt, weil ihm die gute Laune seiner Partner in CSU und SPD wichtiger ist als der Wohlstand des Landes. Wenn es darum geht, die eigene Überzeugung politischem Opportunismus zu opfern, macht niemand in Berlin Friedrich Merz etwas an Tempo und Gründlichkeit vor.

CDU, CSU und SPD haben das Paket schon in den Bundestag eingebracht. Das Parlament hat es in erster Lesung besprochen. Derzeit befindet es sich in den Ausschüssen und könnte jederzeit in zweiter und dritter Lesung besprochen und danach tatsächlich beschlossen werden. Nicht unbedingt in der eingebrachten Form, sondern auch durch entsprechende Anträge nochmal verändert. Wobei Merz zwei Chancen hat: Er kann entweder drauf hoffen, dass Spahn in der Lage ist, zwischen jungen Abgeordneten und SPD zu vermitteln. Wahrscheinlicher ist, dass der Kanzler erneut alle CDU-Positionen räumt und den Sozialdemokraten auf ganzer Linie nachgibt.

Minijobs und Schwarzarbeit
CDU und SPD wollen mehr Geld aus Steuern, ohne Steuern zu erhöhen
Alldieweil wird rund um die Rente das nächste gebrochene Versprechen des Kanzlers offenkundig. Eigentlich will Merz die hohen Lohnnebenkosten, etwa durch Rentenbeiträge, senken. Doch der Vorstandschef der Deutschen Rentenversicherung, Alexander Gunkel, beklagt derweil öffentlich, dass Merz es seinem Finanzminister Klingbeil zugesteht, den eigenen Haushalt auf Kosten der Rentenversicherten zu entlasten: Der Bund verlangt von der Rentenversicherung, deren Rücklagen von 0,2 auf 0,3 Monatsausgaben zu erhöhen. Das Geld aus der Absenkung der Rücklage hatte zuvor der Bund abgegriffen. Doch statt daraus folgend über staatliche Zuschüsse soll die erneute Erhöhung der Rücklage nun über eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte im Jahr 2008 passieren. Damit beschließt die Regierung Merz die nächste Erhöhung der Lohnnebenkosten – statt diese wie versprochen zu senken. Manche Zeichen weigern sich beharrlich, sich ins Positive zu drehen.

Dass die Rentenbeiträge steigen werden, galt Linken lange als „rechtes Narrativ“. Nun ist diese Prognose offiziell die Politik der schwarz-roten Regierung. 2028 steigt nach ihrer Prognose der Beitrag insgesamt von aktuell 18,6 auf 19,8 Prozent. Schon ein Jahr später geht es mit Karacho durch die Schallmauer von 20 Prozent. Ist die erst durchbrochen, gibt es kein Halten mehr. Statt wie versprochen die Lohnnebenkosten zu senken, lässt die Regierung Merz sie sehenden Auges bewusst massiv steigen. Statt Unternehmer und Arbeitnehmer zu entlasten, belastet die Regierung Merz diese. Seine vielen Wortbrüche erklärt der Kanzler seinen Untertanen mit den Worten, sie sollen gefälligst nicht so „larmoyant“ sein.

Das Vertrauen in Friedrich Merz ist „erschüttert“. Das sagt die Industrie. Ganz offen. Sie traut ihm nicht mehr zu, seine Versprechen einzuhalten. Das hat die Industrie nicht exklusiv. Das sagt laut Umfragen eine Mehrheit der Deutschen. Er mag einmal das Richtige gesagt haben. Aber seit der Bundestag Merz zum Kanzler gewählt hat, macht er das Gegenteil von dem, was er einmal als richtig erkannt hat. Während die Kritik über ihn hereinbricht, beschwört er Zeichen, die sich ins Positive drehen. Friedrich Merz ist Berliner Blase im Endstadium.

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Kommentare ( 28 )

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Waehler 21
19 Tage her

Operation gelungen, Patient tot! Deutschland macht auf dicke Hose und pumpt das Geld in die Welt. Zahlen sollen aber die, die ihr Geld in die Sozialversicherung investiert haben. Rechnet einmal aus was so ein Mensch bekommen hätte, wenn er nicht gezwungen gewesen wäre dort einzuzahlen! Einige sind eben gleicher als andere und dürfen privat vorsorgen.

Patient deshalb tot , weil das Thema Geldverschwendung erfolgreich ausgeblendet wurde.

Axel Fachtan
20 Tage her

Ich weiss nicht, wer in Deutschland Kanzler ist.
Merz jedenfalls nicht. Larry Fink schon eher.

Conradp
20 Tage her

Was Merz glaubt oder verkündet, spielt längst keine Rolle mehr; denn er hat sich an die Lüge gewöhnt.

BellaCiao
20 Tage her
Antworten an  Conradp

Viel schlimmer: Wir alle haben uns an die Lügen der Regierung Merz gewöhnt.

Für mich haben Merz und sein Kabinett jegliches Vertrauen verspielt. Jedenfalls höre ich dem leeren Gerede von Merz, Klingbeil und Konsorten schon gar nicht mehr zu.

Nacktflitzer
20 Tage her

Wir laufen ja schon seit Jahren auf den Kulminationspunkt zu: Wann wird das Scheitern der Politik der letzten Jahrzehnte eingestanden und ein Kurswechsel vollzogen bei Energie, „Klima“, Migration, Bürokratie, Steuern …? Merz will den Karren erst komplett in den Dreck fahren. Er ist unfähig.

maps
20 Tage her

Merz ist der Anführer der Negativauslese. Er ist ein Lügner und Betrüger, was er mehrfach bewiesen hat und er versucht sich mit den immer gleichen Ausreden rauszureden, die offensichtlich nicht stimmen. Die CDU/CSU hat dieses Land in den letzten 20 Jahren vernichtet. Dort sitzen die Haupttäter.

Judith Panther
20 Tage her

„Das nächste gebrochene Versprechen des Kanzlers steht bevor.“ Genau wie im Fußball: Nach dem Versprechenbrechen ist vor dem Versprechenbrechen. Daß einige Wahlversprechen in der Politik, kaum sind die Stimmen dafür eingeheimst, gewohnheitsmäßig gebrochen werden, ist ja an sich nichts Neues. Neu daran ist nur das Generalstabsmäßige, Neu ist, daß es inzwischen kein Versprechen mehr gibt, welches nicht gebrochen wurde. Merz verspricht die dollsten Dinge, er verspricht und beschwört als gäb´s kein Morgen bis der Applaus aufbrandet. Darin suhlt er sich dann. Um den allein geht es ihm. Kanzler sein und im Applaus baden. Kein Versprechen ist ihm zu absurd, zu… Mehr

Ohanse
20 Tage her

„Die Zeichen drehen sich ins Positive“ – das ist sprachlich eine ganz armselige Formulierung. So etwas erwartet man von Leuten, die nicht in der Lage sind, einen klaren Gedanken zu fassen.

gladius
20 Tage her

Die Wirtschaft entzieht Merz das Vertrauen… wenn das so ist, dann bleibt er nicht mehr lange. Dann gibt es einen Aufstand der Konservativen in der CDU, der ihn und diese Regierung hinwegfegen wird.

schwarzseher
20 Tage her

Was ist bloß aus der CDU geworden? Nach der Hexe, die alle in ihr Knusperhäuschen lockte jetzt jetzt der Strichjunge, der sich allen Linken anbietet.

Cethegus
20 Tage her

Die Wirtschaft!? Ach sind das die FIrmen die über Jahre jeden Wahnsinn der von Regierungsseite kam mitgetragen haben? Klimawahn, Anti-AFD, Genderquatsch usw.
Jetzt heulen sie, weil die Realität Einzug hält.
Kein Mitleid!