Neuer Euro-Tiefstand: Das Vertrauen der Investoren schmilzt

Die Gemeinschaftswährung fällt weiter – vor allem wegen der Kriegs-Unsicherheit. Der Währungssturz treibt die Inflation weiter voran. Anlegern bleibt nur ein Weg, um sich zu schützen.

Schon vor der Zinserhöhung durch die US-Zentralbank am 4. Mai 2022 sackte der Euro auf ein 5-Jahres-Tief: 1,05 Dollar. Finanzexperten sprachen damals von einer psychologisch wichtigen Grenze. Diese Markierung durchbrach die Gemeinschaftswährung am Donnerstag deutlich: auf 1,03 Dollar. Auch am Freitag notierte der Euro um 1,0378 Dollar. Damit nähert sich die europäische Währung einem Tiefstand, auf den sie zuletzt Ende 2002 gesunken war. 

Die US-Zinserhöhung um 0,5 Prozent kann das neuerliche Absacken kaum erklären. Denn die liegt schließlich schon mehr als eine Woche zurück. Außerdem war sie von den Märkten exakt so erwartet worden. 

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Zwar drückt die Zinsanhebung für den Dollar – bei der Fed war es schon der zweite Erhöhungsschritt – den Euro grundsätzlich in die Tiefe, da die EZB bisher keinen konkreten Termin für eine Zinswende nannte. Anfang 2021 kostete ein Euro noch um 1,22 Dollar. Aber die erneute Abwärtsbewegung in dieser Maiwoche liegt eher an den Sorgen der Investoren, dass die Gaslieferungen aus Russland ganz unterbrochen werden könnten – mit tiefgreifenden Folgen für viele Unternehmen im Euro-Raum. Die aktuelle Meldung, kriegsbedingt würde schon jetzt ein Drittel weniger Gas durch die ukrainische Leitung fließen, scheuchte die Märkte offenbar auf. 

„Auf sehr kurze Sicht ist es schwierig zu sagen, was den Euro-Dollar-Trend umkehren könnte“, meint Lee Hardmann, Währungsanalyst der japanischen MUFG-Bank. Er glaubt: „Solange das Ukraine-Risiko nicht zurückgeht, ist es sehr schwierig für den Euro, sich viel höher als jetzt zu bewegen.“

Es mehren sich die Anzeichen, dass die Investoren das grundlegende Vertrauen in die Gemeinschaftswährung verlieren. Das zeigt sich vor allem in dem anhaltenden Kapitalabfluss aus Europa – und das, obwohl auch in den USA die Börsenkurse vieler Technologieunternehmen absackten, und die Realzinsen trotz der beiden Fed-Schritte tief negativ bleiben. 

Zinserhöhung in den USA
Die importierte Inflation – Euro stürzt auf 5-Jahres-Tief
Mehrere Analysten, die in der Vergangenheit oft richtig lagen, zweifeln daran, dass die EZB trotz einer Inflationsrate von 7,3 Prozent und einem Außenwertverfall des Euro schnell gegensteuert. Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank Holger Schmieding etwa erwartet eine Zinsanhebung in Frankfurt erst auf der geldpolitischen Sitzung im September – weil die hoch verschuldeten Euro-Staaten um jeden Monat feilschen, auf den sie den jetzigen Nullzins noch ausdehnen können. Der neue Euro-Tiefstand scheint diese Skepsis zu bestätigen. Wahrscheinlich ist, dass die EZB im Juni erst einmal den derzeit noch negativen Einlagenzins auf Null setzt, und ihr Anleihen-Sonderkaufprogramm stoppt, das nach jetziger Planung noch bis ins 3. Quartal laufen soll. Das heißt: Statt die Inflation zu bremsen, pumpt die Eurohüter-Führung um Christine Lagarde nach aktuellem Stand immer noch zusätzliches Geld in den Markt. 

Eine Anhebung des derzeit negativen Einlagezinses würde den Banken immerhin etwas mehr Spielraum geben. Viele Geldhäuser rechnen offenbar schon fest wenigstens mit dieser Entscheidung im Juni. Sie nehmen sie teilweise schon vorweg, indem sie wie die INGDiba wieder Minizinsen zahlen wollen  – aber auch die Kreditzinsen anheben.

Was bedeutet die anhaltende Euro-Schwäche für Volkswirtschaft und Verbraucher? Das Absacken des Euro in Richtung Parität verteuert automatisch alle Importe aus dem Dollar-Raum. Da die EU-Länder und vor allem Deutschland schon jetzt verstärkt Flüssiggas aus den USA beziehen und dessen Anteil in Zukunft stark erhöhen wollen, treibt die Euro-Schwäche also unmittelbar die Inflation voran. Selbst, wenn die EZB sich 2022 zu einem kleinen Zinsschritt aufraffen würde – am wahrscheinlichsten wäre eine Erhöhung des Leitzinses von Null auf 0,25 Prozent –, würde sich an diesem Trend nicht viel ändern. 

Kleinanleger sollten sich jetzt speziell Aktien von Unternehmen ansehen, die stark in den Dollarraum exportieren. Denn die profitieren von dem Niedergang der Gemeinschaftswährung. Gehören diese Unternehmen auch noch zu den verlässlichen Dividendenzahlern, können sich Sparer so noch am ehesten schützen. 

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Kommentare ( 19 )

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Ante
1 Jahr her

Der Euro ist das eigentliche Thema für Europa. Das Schicksal der BRD-Menschen hängt unmittelbar am Euro. Die EZB ist miserabel geführt. Längst müsste die Zinswende umgesetzt sein. Es braucht bis 2025 6,5 Prozent Zinsen, um den Euro zu retten. Ohne eine ernsthafte Konsolidierung rennt sonst bald nichts mehr.

G
1 Jahr her

Meine ExxonMobil sind phantastisch gelaufen. Also auch Rohstoffe.

Ticinese
1 Jahr her

Währungs-Relationen:
Seit der Finanzkrise 2008 hat der Euro gegenüber dem USD um 35%, gegenüber dem Schweizerfranken um 40% abgewertet.
Der russische Rubel ist zum Euro seither um 200% gefallen.
Der Goldpreis ist in dieser Zeit (in Euro) um 190% gestiegen.

 

Schwabenwilli
1 Jahr her

Und, wer ist Schuld?
Die Wirtschschaftswoche hat SIE schon gefunden, Frau Dr. Merkel, was ja auch nicht ganz falsch ist.
Die Frau geht unruhigen Zeiten entgegen, hat sie doch fast keine Möglichkeit mehr zu intervenieren.
Andere sitzen jetzt am Hebel und die werden mit Genuss ihre eigene Unfähigkeit auf Merkel umdenken. Tja, so Ironisch kann das Schicksal sein ?

Boris G
1 Jahr her

Ja, die Exporte in die USA verbilligen sich. Aber wie lange werden die Amerikaner sich wachsende Billigimporte anschauen? Ganz schnell gehen die Farmer auf die Barrikaden und es werden Einfuhrzölle erhoben – Trump hat es durchexerziert.

Guzzi_Cali_2
1 Jahr her

Ich werde einen Teufel tun und jetzt auch nur irgendeine Aktie anfassen. Gerade ist der Goldpreis runter und daher: Nichts besser als das, so kann ich nochmal kräftig zukaufen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Goldpreis nach oben abhaut. So einen langen Atem habe ich auf jeden Fall, um das noch zu erleben. Angesichts der Finanzgemengelage würde ich sagen: Eher früher als später.

Thorsten Lehr
1 Jahr her
Antworten an  Guzzi_Cali_2

? Genau meine Meinung! Ich habe schon vor zehn Jahren angefangen, mich auf das Unvermeidliche einzustellen. Die Immobilie ist bezahlt, das Vermögen zu einem erheblichen Teil in Edelmetalle investiert mit einer Beimischung von gefrästem Stahl und Blei, und die sinnlos gewordene Erwerbsarbeit habe ich eingestellt. ? Dazu noch ausreichende Vorräte an Lebensmitteln, Treibstoff und Brennholz sowie ein Generator und eigener Brunnen. Der größte Witz ist, dass diejenigen die mich vor nicht allzu langer Zeit als ‚Prepper‘ mitleidig belächelt haben nun um Rat fragen und panisch die Supermärkte leerkaufen…..?

Iso
1 Jahr her

Es sind nicht nur die Investoren, denen das Vertrauen fehlt. Als Bürger bin ich viel mehr von dieser §ch…währung betroffen und muss schauen, dass man durch Inflation und Nullzins nicht enteignet wird. Bei Alternativanlagen in russische Aktien hatte ich zwar Glück, wurde inzwischen aber kalt enteignet. Da kriegt das Wort Wertewesten eine ganz neue Bedeutung. Das sind Verhältnisse wie in einer Diktatur. Der Unterschied ist nur, dass man heute keine braunen Hemden mehr trägt und die Bartpracht das Doppelkinn verdeckt.

Klaus D
1 Jahr her

ich meine es hat auch sehr viel mit den renditen zu tun…diese EU ist ja ein lobbyverein des kapitals und diese haben diese EU ja schon ausgenommen/ausgebeutet wo es nur geht…sprich die renditen werden nicht weiter so massiv steigen ego geht das kapital dahin wo mehr zu holen ist zb in asien

Protestwaehler
1 Jahr her

Aber was nutzt mir ein gleichbleibendes Verhältnis zum Dollar, der sich selbst immer mehr zur Ramschwährung entwickelt. Das verzerrt die Sicht auf die tatsächliche Entwicklung des Euros nur…

Turnvater
1 Jahr her

Als unser alter Sparkassenvorstand 1998 in Rente ging, war er als Numismatiker begeistert von der bevorstehenden Euro-Einführung und verstieg sich zu dem historischen Vergleich, daß erstmals seit Karl dem Großen ein einheitliches Währungsgebiet in Europa entstand. Ich fand den Vergleich zwischen dem Wirtschaftssystem des 8. Jahrhunderts mit dem beginnenden 21. für gewagt. Und die Entwicklung hin zum bevorstehenden Desaster zeigt einmal mehr, was von solchen Finanz- und Wirtschaftsexperten zu halten ist und war. Der Euro war von Anfang an eine Totgeburt, wird seit 2008/2009 künstlich am Leben erhalten, und gerät jetzt völlig unter die Räder. Krieg und Corona ist nur… Mehr

Boris G
1 Jahr her
Antworten an  Turnvater

Auch H.W. Sinn war bei der Euroeinführung mit Feuereifer dabei. Keine wollte sich an das Schicksal der Lateinischen Münzunion erinnern.

mlw_reloaded
1 Jahr her
Antworten an  Boris G

Der Euro ist nicht per se schlecht. Schlecht ist nur, was aus der EU und der EZB gemacht wurde.

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her
Antworten an  mlw_reloaded

Doch, er ist per se schlecht.
Denn was hätte die EZB mit dem Euro anders machen können, ohne die Eurozone auf D, NL, LUX, AUT zu schumpfen?
Der Euro soll als Einheitswährung in völlig unterschiedlichen Volkwirtschaften funktionieren, und das ist absurd und muss scheitern.
Einheitswährung ist also eine per se schlechte Idee.

Jerry
1 Jahr her

Der Traum unserer EU und Euro Fans war, alle Mitgliedsländer auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Da es nicht klappt die schwachen Wirtschaften auf die Höhe der starken Länder zu bringen, muß man halt die starken Länder auf das Niveau der wirtschaftlich schwachen Länder herunter bringen. Das erleben wir gerade und es klappt hervorragend! Nur halt nicht für die deutschen Bürger…