Kriegswirtschaft materialisiert sich in der Statistik

Die deutsche Industrieproduktion erlebt im Oktober einen überraschenden Zuwachs zum Vormonat von 1,8 Prozent. Hintergrund dürfte ein Anstieg der Rüstungsproduktion gewesen sein. Der zivile Sektor steckt weiter in der Rezession fest.

picture alliance / BMF/photothek.de | Florian Gaertner

Hat die deutsche Industrie das Tal der Tränen durchschritten? Die Produktionszahlen des Statistischen Bundesamtes für Oktober könnten auf den ersten Blick diesen Eindruck vermitteln. Demnach stieg die Industrieproduktion im Vergleich zum September um 1,8 Prozent – deutlich mehr als die von Reuters befragten Analysten erwartet hatten, die lediglich mit einem Plus von 0,4 Prozent rechneten.

Bereits zuvor war der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe, saison- und kalenderbereinigt, im Oktober um 1,5 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen.

Rüstungspaket füllt Auftragsbücher

Doch genau hier liegt der Kern der tatsächlichen Entwicklung verborgen. Der Zuwachs wurde maßgeblich durch einen Großauftrag im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus ermöglicht – in der Regel handelt es sich hierbei um militärische Fahrzeuge. Dieser Sektor legte im Monatsvergleich um bemerkenswerte 87,1 Prozent zu. Von einer konjunkturellen Trendwende zu sprechen, wäre daher eine völlig verfehlte Interpretation der tatsächlichen Lage der deutschen Industrie.

Es ist jetzt nicht mehr zu übersehen: Das gigantische Schuldenpaket der Bundesregierung trifft auf Land und füllt die von der Politik präferierten Auftragsbücher im Bereich der Rüstungsindustrie. In den kommenden Wochen wird man in das seltsame mediale Spannungsverhältnis geraten, in dem auf der einen Seite die Bundesregierung einen Aufschwung feiert, der auf der anderen Seite durch den Kollaps zahlreicher Industriebetriebe mit steigender Arbeitslosigkeit sachlich nicht miteinander in Einklang zu bringen sein wird.

NRW-Industrie als Hinweisgeber

Die tatsächliche Lage in der deutschen Industrie lässt sich nicht durch statistische Effekte und Rüstungsinvestitionen verbessern.

Der Aufbau einer künstlichen Kriegswirtschaft findet sich in einem verschämt-versteckten Kapitel des Lehrbuchs keynesianischer Voodoo-Ökonomie. Mit Staatskredit, den später der Steuerzahler durch höhere Inflation und Abgaben zu tilgen hat, werden künstliche Produktionskapazitäten geschaffen. Es werden Güter produziert, die am freien Markt niemand nachfragt. Es wird buchstäblich ein Knalleffekt für Beschäftigung und Konjunktur erzeugt, der sich realwirtschaftlich in fallender Produktivität und Kapitalfehllenkung materialisiert.

In der zivilen Produktion sieht es in der Tat weiterhin düster aus. Der Verband der Unternehmer NRW beschrieb die Lage am Montagmorgen in der Rheinischen Post wie folgt: Aktuell gingen allein in der NRW Metall- und Elektroindustrie jeden Monat rund 2100 Industriearbeitsplätze verloren, so Hauptgeschäftsführer Johannes Pöttering.

Die Lage sei in weiten Teilen der Industrie außerordentlich besorgniserregend. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Seit 2019 hat die NRW-Industrie beinahe ein Viertel ihrer Produktion eingebüßt. Und auch hier stehen die hohen Energiekosten, die in Teilen kafkaeske Brüsseler und Berliner Bürokratie, sowie die im internationalen Vergleich zu hohen Abgabenlasten für die deutsche Wirtschaft im Zentrum der Kritik der Unternehmer.

Dies alles sind berechtigte Argumente. Allerdings mangelt es auch im Falle der vorsichtigen Medienintervention der NRW-Unternehmer an der Bereitschaft, an die Wurzel des Problems heranzugehen: an die klimasozialistische Grundausrichtung europäischer und deutscher Wirtschaftspolitik.

Kurs halten trotz Insolvenzrekord

Jeder elfte Arbeitsplatz in der NRW-Industrie sei seit 2019 gestrichen worden, so Pöttering. Zudem sei die Zahl der offenen Stellen in der Wirtschaft geradezu kollabiert. Ein Muster, das sich derzeit in ganz Deutschland zeigt, während in der Rüstungsindustrie angesichts der sturen Haltung in der Russlandpolitik die Sektkorken knallen dürften.

Weder in Berlin, Paris, Brüssel, noch London scheint bislang die Bereitschaft durch, auch nur einen Millimeter von der bisherigen militärpolitischen Strategie abzuweichen. Die Politik versucht, die frei gewordenen zivilen Kapazitäten der Industrie mit Rüstungsproduktion zu füllen. Ein wirtschaftspolitisches Himmelfahrtskommando, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.

Dass sich der ökonomische Absturz der deutschen Wirtschaft aller staatlichen Rettungsversuche zum Trotz weiter beschleunigt (sie sind eine der Hauptursachen), zeigen die jüngsten Insolvenzstatistiken der Creditreform. Im laufenden Jahr schieden 23.900 Betriebe aus dem Wettbewerb aus – ein 10-Jahres-Rekord, der eine Steigerung der Firmenpleiten im Vorjahresvergleich um 8,3 Prozent bedeutet.

Ein korrespondierender Trend zeigt sich auch bei den privaten Haushalten. Hier verzeichnen die Amtsgerichte einen Anstieg der Insolvenzen um 6,5 Prozent auf bislang 76.300 Fälle – Höchststand seit 2016.

EZB sieht Abwärtsrisiken

Einen weiteren Hinweis auf die tatsächliche Schwäche der europäischen Industrie gab am Montagmorgen das finnische EZB-Ratsmitglied Olli Rehn. Dieser wies im Interview mit Milano Finanza darauf hin, dass die Gefahren fallender Preise derzeit aus Sicht der Geldpolitik höher gewertet werden als die Inflationsrisiken.

Ein klarer Hinweis darauf, dass es schlichtweg nicht rund läuft, dass die Produktion stockt und weiterhin rückläufig ist. Gerade im Kreise der EZB weiß man sehr genau, dass sich europäisches Kapital aufgrund der hohen Energiekosten und der Überregulierung weltweit auf die Suche nach geeigneten Standorten begeben hat.

Der Kapitalabfluss vom Standort Deutschland betrug im vergangenen Jahr etwa 64,5 Milliarden Euro, von denen ein Großteil inzwischen in den Prozess der Re-Industrialisierung der Vereinigten Staaten abgeflossen sein dürfte.

Über diesen Befund kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass die deutsche Politik entschieden hat, mit einem gigantischen Schuldenpaket und einer zentral organisierten Rüstungsinitiative diesen realwirtschaftlichen Effekt zu übermalen. Die Privatwirtschaft befindet sich weiterhin in einer Kontraktionsphase und daran wird sich so lange nichts ändern, bis der radikale klimapolitische Kurs nicht einer ordnungspolitischen Liberalisierung weicht.

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