Wirtschaftliche Realitäten in Deutschland und China

In einer symbolträchtigen Begegnung zwischen den politischen Führern Deutschlands und Chinas wird deutlich, wie unterschiedlich die wirtschaftlichen Realitäten sind. Während China ein beeindruckendes Wachstum verzeichnet, drohen Deutschland Stagflation und Rezession. Von Samuel Faber

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Xie Huanchi

Gut inszeniert lassen sich Scholz und Xi für die Presse ablichten. Der deutsche Kanzler gestikuliert staatstragend, während sein chinesischer Kollege mit einem leichten, süffisanten Lächeln zuhört. Es wirkt, als wüsste der Mann aus Peking ganz genau, in welcher Rolle sich Deutschlands Ökonomik befindet, während sein Land ganz prächtig dasteht.

Womit er recht hat. Chinas Wirtschaft ist im ersten Quartal des Jahres deutlich über den Erwartungen der Analysten gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt legte von Januar bis März um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie das Statistikamt am Dienstag in Peking mitteilte.

Verbraucherstimmung ist negativ

Im Vorfeld gingen Ökonomen, die von der Nachrichtenagentur Reuters befragt wurden, von einem Wachstum von 4,6 Prozent aus. Im Vergleich zum Vorquartal wuchs das BIP von Januar bis März um satte 1,6 Prozent, was über den Erwartungen der Experten liegt. Das Statistikamt sprach in einer Mitteilung von einem „guten Start“ ins Jahr.

Ganz anders steht dagegen das Land von Scholz und Habeck da. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für Deutschland ein Wachstum von lediglich 0,2 Prozent. Im Januar hatte der IWF noch 0,5 Prozent Wachstum in Aussicht gestellt. Damit weist das Land die schwächste Wachstumsprognose innerhalb der Gruppe der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) auf.

Als einen Hauptgrund sehen die Experten des IWF die schwache Binnennachfrage. Neben der immer noch zu hohen Inflation liegt die negative Verbraucherstimmung auch an der Entlassungswelle, die zu enden scheint.

Entlassungen von ThyssenKrupp bis Deutsche Bank

Zum Beispiel ThyssenKrupp. Deutschlands größter Stahlhersteller hat angekündigt, seine Produktionskapazitäten am Standort Duisburg deutlich reduzieren zu wollen. Welches Ausmaß die Massenentlassungen tatsächlich haben werden, ist unsicher. Fakt bleibt jedoch: Es wird nicht einfacher für das eh schon gebeutelte Ruhrgebiet. Thyssen begründet den Schritt damit, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu behalten. Angesichts hoher Abgaben und hoher Inflation bleibt dem Unternehmen auch wenig anderes übrig.

Ähnlich sieht es bei SAP aus. Laut Handelsblatt möchte das Softwareunternehmen 2600 Stellen streichen. SAP hatte bereits im Januar mitgeteilt, ohne zu benennen, wo wie viele Arbeitsplätze wegfallen werden. Auch die Deutsche Telekom setzt Personal frei. Um ganze vier Prozent reduzierte das Unternehmen in Bonn seine Mitarbeiterzahl. Hinzu kommen 3500 weniger Angestellte bei der Deutschen Bank, während es bei VW und Bayer längst nicht mehr um das „ob“, sondern lediglich um das „wie viele“ geht. Wie viele Mitarbeiter die beiden Konzerne kündigen, steht derzeit noch aus.

Die EZB hält weiter an ihrer Zinspolitik fest

Ein weiterer Wachstumshemmer ist die Lage der Leitzinsen. Obwohl die Konjunktur weiter schwächelt, verändert die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen im Euroraum erneut nicht. Es ist das fünfte Mal in Folge. Das entschied der EZB-Rat in seiner Sitzung, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Damit verharrt der Einlagensatz bei 4 Prozent. Der Einlagesatz ist der Zins für das Parken von überschüssigen Geldern.

Der Hauptrefinanzierungssatz liegt weiterhin bei 4,5 Prozent. Mit diesem Zins können sich Geschäftsbanken bei der Notenbank frisches Geld besorgen.Ökonomen gehen aufgrund der aktuellen Datenlage davon aus, dass sich Deutschland in einer Stagflation befindet. Damit ist die Situation gemeint, dass einerseits die Wirtschaft nicht wächst und andererseits Inflation herrscht. Beides ist der Fall.

Olaf Scholz bohrt lieber dünne Bretter

Eine Stagflation wird besonders gefährlich, wenn es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt. Das passiert, wenn die Beschäftigten aufgrund der hohen Inflation höhere Löhne fordern. Die Unternehmen reagieren jetzt schon mit Entlassungen auf die drohende Lohn-Preis-Spirale. Sie stehen aufgrund der Stagnation der Wirtschaft ökonomisch unter Druck und haben bereits aufgrund der Inflation mit hohen Produktionskosten zu kämpfen.

Die Mehrkosten der Lohnerhöhungen gehen dann wieder an den Verbraucher, damit zieht die Teuerungsrate weiter an, was dann wieder zu Forderungen nach höheren Löhnen führt. Im schlimmsten Fall folgt eine Hyperinflation in Verbindung mit einer Rezession.

Keine rosigen Aussichten für die deutsche Wirtschaft. Bundeskanzler Olaf Scholz, Mitglied der Arbeiterpartei SPD, durfte bei seiner Chinareise mit einer Bohrmaschine eine Schraube beim Boschwerk in Chongqing in ein Brett drehen. In einer unbeholfenen, dafür infantilen Art und unter Anleitung eines deutschen Mitarbeiters schaffte es der Kanzler dann schließlich. So in etwa sieht vom Reich der Mitte die Wirtschaftspolitik von Habeck und Scholz aus.

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Kommentare ( 1 )

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Kaktus 61
12 Tage her

Gilt im Handwerk wie in der Politik, seinen Job muss man können, sonst ist am Ende das einzige Brett kaputt. Größere Risse zeigen sich bereits, da eigene Fachkompetenz fehlt und Anleitung abgelehnt wird.