Krieg in Ukraine und Inflationssorgen belasten weiter

Die in der Gesamtheit steigenden Rohstoffpreise haben die Inflation weltweit befeuert – die Inflation erreichte in den USA im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit 40 Jahren. Dies, die steigenden Konjunktursorgen und die drohende Energiekrise in Europa führten bis Mitte Juni zu einem Abverkauf an den Aktienmärkten.

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Vor einem guten halben Jahr, am 24. Februar 2022, begann der Krieg in der Ukraine. Inzwischen hat er sich zum Abnutzungskrieg entwickelt. Als unmittelbare Folge der verhängten Sanktionen gegen Russland zogen die bereits angestiegenen Rohstoffpreise deutlich an. Der Bloomberg Commodity Index, der die Preise von 23 Energie-, Metall- und Getreidefutures abbildet, ist bis Anfang Juni um 19 Prozent in die Höhe geschossen. Der Index hat seither jedoch wegen der weltweiten Konjunkturabschwächung deutlich korrigiert, was das Kursplus seit Kriegsbeginn auf zwölf Prozent absinken ließ. Der Ölpreis steht nur noch geringfügig höher als zu Kriegsbeginn, der konjunktursensitivere Kupferpreis liegt sogar deutlich tiefer. Der Preis für Gas hat sich jedoch mehr als verdoppelt. Und der Aufwärtstrend dürfte weiterhin anhalten, da Russland die Drosselung der Gaslieferungen als politisches Druckinstrument gegenüber Europa anwendet.

Die in der Gesamtheit steigenden Rohstoffpreise haben die Inflation weltweit befeuert – die Inflation erreichte in den USA im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit 40 Jahren. Dies, die steigenden Konjunktursorgen und die drohende Energiekrise in Europa führten bis Mitte Juni zu einem Abverkauf an den Aktienmärkten. Der Krieg in der Ukraine hat aber nicht alle Börsenplätze ins Minus befördert. Der türkische BIST 100 Index gewann zum Beispiel 53 Prozent. Deutlich sichtbarer sind die Kriegsfolgen bei den Schlusslichtern, von denen knapp die Hälfte aus Europa stammt: Der polnische WIG 20 ist mit einem Minus von 19,2 Prozent das traurige Schlusslicht.

Dass gerade Europa wirtschaftlich unter dem Krieg in der Ukraine leidet, ist auch an der Währungsfront ersichtlich: Der Euro hat gegenüber dem Franken um 7,5 Prozent verloren und nähert sich in großen Schritten dem „Frankenschock“-Level von 2015. Damals fiel der Kurs kurz auf 85 Rappen. Von den Weltwährungen haben einzig der japanische Yen (-11,5 Prozent) und das britische Pfund (-8,3 Prozent) noch schlechter abgeschnitten.

Auch der Dollar ist bärenstark. Als weltweite Leit-, Transaktions- und Reservewährung wird er von der Aussicht auf weitere rigide Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed und von einer robusten Konjunktur gestützt. Den größten Wertzuwachs weist aber der Rubel auf. Hintergrund der Stärke sind neben dem hohen Öl- und Gaspreis auch drastische Beschränkungen der Devisengeschäfte durch die russische Zentralbank und die westlichen Sanktionen, die vor allem die russischen Importe betreffen.

Es gibt aber auch „Gewinner“ des Kriegs: Dazu gehören die Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Saab, die von einem „Superzyklus der Verteidigungsinvestitionen“ in Europa profitieren. Auch das französische Schiffsbauunternehmen Gaztransport steht als Monopolist für maritime Flüssiggas-Transporte in der Anlegergunst. Deutschland und die EU investieren Milliarden in LNG-Terminals, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren.

Der Wochenausklang war durch die Nachrichten vom Notenbankertreffen in Jackson Hole überschattet. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell machte bei seiner Rede deutlich, dass die Notenbank ihre Geldpolitik nicht lockern werde, bis sich ein klarer Rückgang der Inflation abzeichnet – wenn nötig auch auf Kosten des Wachstums. Für Anleger sind das keine guten Nachrichten, wie die Reaktion der Leitindizes an den größten Börsenplätzen zeigte. Der S&P 500, aber auch der SMI und der DAX brachen schon in den ersten Minuten von Powells Rede ein, während die Renditen auf Staatsanleihen zulegten.

Der Leitindex Dow Jones Industrial weitete seine Verluste im Handelsverlauf sukzessive aus und schloss drei Prozent im Minus bei 32.283 Punkten. Damit pulverisierte er nicht nur die Erholung der vorhergehenden beiden Handelstage, sondern produzierte per Saldo ein Wochenminus von 4,2 Prozent. Der marktbreite S&P 500 büßte am Freitag 3,4 Prozent auf 4.058 Punkte ein. Der technologielastige NASDAQ 100 sackte letztlich um 4,1 Prozent auf 12.605 Zähler ab. Das bedeutete für die beiden Indizes jeweils den größten Tagesverlust seit über neun Jahren. Viele Technologiefirmen sind zur Finanzierung ihres Wachstums stärker von Krediten abhängig als Unternehmen aus traditionelleren Branchen und entsprechend verwundbar bei steigenden Zinsen.

Unternehmensseitig sorgte eine Vielzahl von Nachrichten für Kursausschläge. Die Aktien von Electronic Arts blieben mit einem Plus von letztlich gut dreieinhalb Prozent deutlich hinter ihrer vorbörslichen Entwicklung zurück, wenngleich das immer noch für den Spitzenplatz im Nasdaq 100 reichte. Zunächst hatten US-Medien über ein milliardenschweres Kaufgebot von Amazon berichtet. Doch dann hieß es beim Fernsehsender „CNBC“, dass der Handelskonzern wohl doch kein Interesse an dem Online-Spieleentwickler habe. Bei Amazon fiel das Kursminus mit 4,8 Prozent noch etwas deutlicher als die allgemeine Technologiewerte-Schwäche aus. Das Halbleiterunternehmen Marvell Technologies gab einen schwachen Ausblick ab, was dessen Titel mit einem Kursverlust von fast neun Prozent und einem der hinteren Plätze im Nasdaq 100 quittierten.

Die US-Biotechfirma Moderns verklagt derweil den deutschen Rivalen Biontech und dessen amerikanischen Partner Pfizer wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen. Die in New York gelisteten Anteilsscheine des Mainzer Coronaimpfstoff-Pioniers verloren mit vier Prozent ähnlich stark wie der Nasdaq 100, während sich die Pfizer-Titel mit einem Minus von 2,3 Prozent im sehr schwachen Markt besser hielten.

Die deutlichen Worte von Fed-Chef Powell zur Geldpolitik in den USA und Nervosität über einen womöglich größer als bislang erwarteten Zinsschritt der EZB hatten zuvor schon am deutschen Aktienmarkt für eine rechte Talfahrt gesorgt. Der Leitindex Dax sackte unter die Marke von 13.000 Punkten auf den tiefsten Stand seit Mitte Juli und schloss letztlich 2,3 Prozent tiefer bei 12.971 Punkten. Im Wochenverlauf büßte er somit 4,2 Prozent ein. Der MDAX der mittelgroßen Unternehmen sank am Freitag um 2,1 Prozent auf 25.524 Zähler.

Unter den Einzelwerten stützten Gerüchte zur Bewertung des geplanten Börsengangs der VW-Sportwagentochter Porsche die Vorzugsaktien von Volkswagen und die Papiere von Porsche. Die Anteile der Konzernholding beendeten den Tag mit einem Aufschlag von 0,4 Prozent als einzige im Dax im Plus. VW gaben um 0,7 Prozent nach. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte im Laufe des Tages berichtet, dass die Porsche AG bei Interessenten mit 60 bis zu 85 Milliarden Euro bewertet werde. Die Summe könnte am oberen Ende etwas höher sein als von Analysten zuletzt taxiert.

Die Aktien von Continental gaben dagegen unter den schwächsten Werten im Leitindex um 5,6 Prozent nach. Eine skeptische Studie des Bankhauses Metzler belastete. Die Jahresziele des Autozulieferers könnten gefährdet sein, warnte Analyst Jürgen Pieper. Dabei verwies er unter anderem auf die Gefahr, dass sich die Nachfrage im Reifengeschäft abkühlen könnte. Auch die Aktien anderer Autozulieferer standen unter Druck.

Anlegern sollte klar sein, dass es weder für Analytiker noch für die Zentralbanken möglich ist, den mittel- bis langfristigen Verlauf der Inflation zuverlässig vorherzusagen. Selbst bei der Vorherzusage, wie sich die Inflationsrate von einem Monat zum nächsten entwickelt, befinden sich die Finanzmärkte derzeit im Blindflug, konstatierte in ihrem Wochenrückblick die „Neue Zürcher Zeitung“. Meist hätten die Analytiker die Inflationsentwicklung in jüngster Zeit sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in der Euro-Zone deutlich unterschätzt, sie hätten damit gerechnet, dass die Teuerung wieder nachlasse oder weniger ansteige als erwartet – und das Gegenteil sei eingetreten. Während die Abweichung zwischen Prognose und effektiver Inflationsrate in den USA zwischen Anfang 2012 und Frühling 2020 selten 0,1 Prozentpunkte überschritte, habe die Konsensprognose seither den tatsächlichen Wert in mehr als einem halben Dutzend Fällen um 0,3 bis 0,6 Prozentpunkte verfehlt.

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