Börsenwoche: Tesla-Dämmerung, neue Zinsängste

Trotz des jüngsten Rücksetzers bewegen sich die Aktienmärkte immer noch auf hohen Kurs- und Bewertungsniveaus. Ob diese gerechtfertigt sind, dürften die Anleger aber wohl erst anhand der nun anstehenden Berichtssaison der Unternehmen zum ersten Quartal beurteilen.

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Wer Walter Isaacsons Biographie über Elon Musk gelesen hat, weiß, dass dieser in anderen Sphären schwebt. Nicht bloss wegen seines Elans und der Unbeirrbarkeit, mit der er seine Visionen verfolgt. Auf dem Papier steht der Tesla-Gründer und -Chef auch in Sachen Vermögen an der Spitze. Derzeit ist nur der Franzose Bernard Arnault, dem unter anderem der Luxusgüterkonzern LVMH gehört, reicher als Musk. (Die extrem lesenswerte Biographie über Musk, seinen Stil und Erfolgsrezept, seinen Weg zum erfolgreichsten Unternehmer schlechthin finden Sie hier: https://live.tichyseinblick.shop/produkt/isaacson-elon-musk/)

Derzeit spürt Musk, dem immer noch 13 Prozent aller ausstehenden Tesla-Aktien – sowie 303 Millionen Aktienoptionen mit einem Ausübungspreis von etwa 26 Dollar pro Aktie – gehören, dass die Elektromobilität weltweit Gegenwind erhält. Am Dienstag verlor die Tesla-Aktie teilweise bis zu sieben Prozent und schloss fünf Prozent tiefer. Für Musk bedeutete dies am Dienstag: 6,1 Milliarden Dollar Papierverlust.

Erstmals seit fast vier Jahren sanken im ersten Quartal die Auto-Auslieferungen. Die Erwartungen des Marktes wurden noch nie so deutlich verfehlt. Die Agentur Bloomberg titelte ihren Bericht mit „katastrophale Zahlen“. Tesla kämpft mit zunehmender Konkurrenz auf dem E-Automarkt, der in diesem Jahr laut Prognosen schrumpfen wird. Zur Konkurrenz zählen nicht nur etablierte Automarken, sondern auch Newcomer wie etwa der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi. Dazu kommt die auslaufende Wirkung von Preissenkungen auf den Tesla-Autos und, wie viele Experten kritisieren, die gealterte und limitierte Auswahl von E-Autos.

Was sich am Dienstag an der Börse zeigte, ist aber nur eine dramatische Zuspitzung eines Trends. Nach einer Gegenbewegung Anfang 2023 scheint der Kurs seit rund acht Monaten in einem Abwärtssog gefangen. Die Aktie hat seit Jahresbeginn 33 Prozent an Wert verloren. Damit ist der Titel das Schlusslicht im Nasdaq 100 und steht an zweitletzter Position im S&P 500. Das große Bild sieht noch schlimmer aus: Im Januar 2022 hatte die Tesla-Aktien noch bei rund 400 Dollar notiert.

Am Freitag half der Tesla-Aktie – sie verlor erneut 3,6 Prozent – auch nicht, dass sich die Wall Street trotz überraschend starker US-Arbeitsmarktdaten von ihrem Vortagesrutsch erholen konnte. Der Dow Jones Industrial stieg um 0,8 Prozent auf 38.904 Punkte, verbuchte aber auf Wochensicht ein Minus von 2,3 Prozent. Der technologielastige Nasdaq 100 gewann am Freitag 1,3 Prozent auf 18.108 Zähler, die Wochenbilanz fällt mit minus 0,8 Prozent nicht ganz so schwach aus wie für den Leitindex. Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 1,1 Prozent auf 5.204 Punkte hinauf.

Am Vortag waren die Indizes etwas deutlicher von ihren jüngsten Rekordhochs zurückgefallen. Grund waren Äußerungen des Präsidenten der regionalen Notenbank von Minneapolis, Neel Kashkari gewesen. Falls der Fortschritt bei der Inflationssenkung ins Stocken gerate, könnte im laufenden Jahr womöglich doch keine Zinssenkung nötig sein, hatte er gesagt. Die Preisentwicklung im Januar und Februar sei „etwas beunruhigend“ gewesen.

Am Freitag untermauerte eine noch bessere Entwicklung des US-Arbeitsmarktes als gedacht im Grunde die Befürchtungen der Anleger, dass die US-Notenbank sich länger als erhofft mit Zinssenkungen Zeit lassen könnte. Dass diese kommen werden, wenn auch etwas später, davon sind Ökonomen jedoch überzeugt. Zinssenkungen blieben das Hauptszenario an den Finanzmärkten, schrieb der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. Und dies habe Gründe: So zeigten wichtige Konjunkturbarometer, dass die Bereitschaft zur Personaleinstellung der US-Konzerne abebbe. Schlechtere Arbeitsmarktzahlen dürften folgen und somit auch Zinssenkungen der Fed.

US-Volkswirt Brian Rose von der schweizerischen Bank UBS blickte auf den Lohnanstieg, der moderat ausgefallen sei und deshalb die Fed von baldigen Zinssenkungen nicht abhalten sollte. Der Experte rechnet weiterhin mit drei Zinskürzungen bis Jahresende. Eine Abschwächung des Arbeitsmarktes sowie der Inflation sei dafür aber die Bedingung.

Für die Papiere von Intel ging es am Freitag nochmals um 2,6 Prozent bergab. Im Wochenverlauf hatte die Nachricht, dass der Konzern in seiner Chip-Auftragsfertigung noch jahrelang mit Verlusten rechnet, bereits für kräftige Verluste gesorgt. Intel waren am Freitag das Schlusslicht im Dow, während an der Index-Spitze Amazon ihre Kursrally in Richtung Rekordhoch fortsetzten. Die Titel des Versandhandelsriesen gewannen 2,8 Prozent.

Die Aktien der Donut-Kette Krispy Kreme legten um 7,3 Prozent zu. Die Analysten des Investmenthauses Piper Sandler hatten sie auf „Übergewichten“ hochgestuft, nachdem Krispy Kreme und McDonald’s vergangene Woche eine Kooperation in den USA bekannt gegeben hatten. McDonald’s setzten indes vor dem Wochenende ihren jüngsten Abwärtstrend mit minus 1,3 Prozent fort.

Der Euro erholte sich im New Yorker Handel von seinen Kursverlusten infolge der starken Jobdaten. War die Gemeinschaftswährung im europäischen Nachmittagsgeschäft noch unter 1,08 US-Dollar gefallen, kostete sie nach dem New Yorker Börsenschluss 1,0837 Dollar. Am Rentenmarkt sanken die Kurse deutlich. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg auf 4,4 Prozent.

Die Unsicherheit über möglicherweise ausbleibende Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed in diesem Jahr hatte zuvor schon den deutschen Aktienmarkt belastet. Der Dax fiel am Ende um 1,2 Prozent auf 18.175 Punkte. Auf Wochensicht büßte das Börsenbarometer 1,7 Prozent ein; es ist das erste Wochenminus nach acht Pluswochen in Folge. Der MDax der mittelgroßen Werte verlor 1,3 Prozent auf 26.915 Zähler.

Spezielle Unternehmensnachrichten gab es am Freitag keine und so bewegten vor allem Analystenkommentare. Im MDax sackten die Aktien von Hensoldt um 6,5 Prozent ab. Warburg Research hatte die Kaufempfehlung für die Papiere gestrichen und vor allem zur Übernahme des Militärdienstleister ESG Stellung genommen. Dieser werde wohl nicht vor 2028 einen positiven Beitrag zum Geschäft des Rüstungselektronik-Konzerns leisten, schrieb der Experte Christian Cohrs.

Im Dax gab es angesichts der insgesamt eingetrübten Stimmung fast nur Verlierer. An der Indexspitze gewannen die Papiere der Deutschen Börse 0,6 Prozent. Diese profitiert oft von unruhigen Zeiten an den Aktienmärkten, weil dann die Handelsumsätze hoch sind.

Weiteren Aufschluss darüber, wie sich die Inflation in den USA entwickelt, werden am Mittwoch die US-Verbraucherpreise für März geben. Ansonsten richtet sich die Hoffnung der Anleger auf die Europäische Zentralbank (EZB), die am Donnerstag ihre geldpolitischen Entscheidungen bekannt geben wird.

Die EZB dürfte die Zinsen wohl noch einmal unverändert lassen, schrieb Volkswirt Marco Wagner von der Commerzbank. Die Notenbanker werden seiner Meinung nach weitere Daten zur Lohnentwicklung und die neuen gesamtwirtschaftlichen Projektionen abwarten, die zur Juni-Sitzung vorliegen werden. Zudem dürfte es weitere verbale Hinweise auf die bald anstehende Zinswende geben. Aktuell wird am Markt mit einem ersten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank im Juni gerechnet.

Trotz des jüngsten Rücksetzers bewegen sich die Aktienmärkte aber immer noch auf hohen Kurs- und Bewertungsniveaus. Ob diese gerechtfertigt sind, dürften die Anleger aber wohl erst anhand der nun anstehenden Berichtssaison der Unternehmen zum ersten Quartal beurteilen, hieß es von der Landesbank Baden-Württemberg. Den inoffiziellen Startschuss hierfür liefern demnach die Zahlen der US-Großbanken ab Ende der neuen Woche.

Vor diesem Hintergrund sind die Experten der DZ Bank weiter zuversichtlich: „Wir stufen die anstehende Berichtssaison für das erste Quartal 2024 als positiven Treiber für die zurückliegende und weitere Aktienmarktentwicklung ein.“ Damit hoffen sie, dass die Unternehmen die rasant gestiegenen Zinsen insgesamt gut verkraftet haben. Hierzulande präsentiert der Spezialverpackungshersteller Gerresheimer bereits am Donnerstag seine Geschäftszahlen.

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