Börsen zwischen Inflationssorgen und Konjunkturhoffnung

Das Leitmotiv an den Börsen hat sich geändert: Die Pandemie ist nach Erwartung der meisten Marktteilnehmer schon besiegt. Was Börsianer umtreibt, ist der Preisanstieg.

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Die jüngsten US-Inflationsdaten fielen höher aus als erwartet; der annualisierte Preisauftrieb im April lag bei 4,2 Prozent. Die Marke von vier Prozent aber gilt vielen als Alarmschwelle. Das angesehene „Wall Street Journal“ rechnete soeben vor, dass seit Auflage des breiten US-Index S & P 500 im Jahr 1957 die US-Inflation neun Mal über die Vier-Prozent-Marke geklettert sei. In acht Fällen notierte der S & P nach drei Monaten niedriger, Ausnahme war 2005, als der Preisauftrieb nach einer Spitze nachließ. Aktienanleger hoffen, dass es sich 2021 ähnlich verhält. Denn in vielen Branchen dürften die Corona-bedingten Lieferengpässe, die die Preise gerade klettern lassen, in ein paar Monaten wieder beseitigt sein. Gleichwohl müssen sich Anleger wohl eher auf volatile, denn auf renditereiche Zeiten einstellen. Der DAX erreichte soeben zwar ein neues Allzeithoch, gab aber gleich darauf wieder deutlich ab, um dann am Freitag wieder einen ordentlichen Sprung nach oben zu machen.

Der Leitindex schloss 0,4 Prozent im Plus bei 15.438 Punkten, also 100 Punkte unter seinem Allzeithoch. Erfreuliche Konjunkturdaten hatten für die gute Stimmung gesorgt: Die Wirtschaft in der Euro-Zone legte im Mai dank zunehmender Lockerungen der Corona-Maßnahmen so stark zu wie seit drei Jahren nicht mehr. Der Einkaufmanagerindex stieg überraschend deutlich um 3,1 auf 56,9 Punkte.

Positiv wurde von den Händlern auch die Aussicht aufgenommen, dass BMW im EU-Kartellverfahren wohl weniger zahlen muss als befürchtet. Von einer vor zwei Jahren wegen der Anschuldigungen gebildeten Rückstellung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro löst BMW rund eine Milliarde Euro wieder auf, wie der Dax-Konzern am Donnerstag in München überraschend mitteilte. Der Konzern geht aufgrund des Verfahrensfortgangs davon aus, dass die EU-Kommission ihre Vorwürfe gegen das Unternehmen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht erheblich beschränken werde.

Fresenius-Chef Stephan Sturm verteidigt die aktuelle Aufstellung des Krankenhaus- und Medizinkonzerns. Spekulationen über einen möglichen Verkauf des Anteils am Dialyseanbieter Fresenius Medical Care (FMC) erteilte er am Freitag auf der Hauptversammlung eine Absage. „FMC gehört zum Kerngeschäft von Fresenius“, betonte Sturm. Der Konzern plane derzeit nicht, seinen Anteil zu reduzieren.

Ein ähnlich positive Entwicklung zeigte die Wall Street. Der Dow Jones Industrial erholte sich jedenfalls etwas weiter von seinen jüngsten Verlusten. Die tags zuvor noch stark gestiegenen Technologiewerte-Indizes rutschten allerdings im Handelsverlauf ins Minus. Zum Wochenschluss mieden die Anleger die Wachstumstitel, nachdem der Präsident der Notenbank von Philadelphia, Patrick Harker, die Anleger etwas verunsichert hatte. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Inflationssorgen vertrat Harker die Auffassung, dass die Fed eher früher als später über eine Reduzierung der Anleihekäufe zur Stützung der Wirtschaft sprechen sollte.
Der US-Leitindex Dow schaffte am Ende ein Plus von 0,4 Prozent auf 34.208 Punkte. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Minus von 0,5 Prozent. Der marktbreite S&P 500 bewegte sich letztlich mit minus 0,1 Prozent auf 4.156 Punkte kaum vom Fleck. Der technologielastige NASDAQ 100 verlor 0,6 Prozent auf 13.412 Punkte.

Die Standardwerte wurden von einer aufgehellten Stimmung im Dienstleistungssektor gestützt. Bereits am Vortag hätten bessere Arbeitslosenzahlen wieder Hoffnung auf eine rasche Arbeitsmarkterholung genährt und Käufer gelockt, hieß es bei Credit Suisse. Kurzfristig rechnen die Experten aber nicht mit einer Richtungsentscheidung am Aktienmarkt. Die Fundamentaldaten stimmten zwar optimistisch, technische Marktindikatoren sprächen jedoch für Zurückhaltung. Anfang der Vorwoche hatte der Dow mit 35.091 Punkten einen Rekordstand erreicht. Im Nasdaq 100 datiert das High von 14.073 Punkte aus dem April.

An der Dow-Spitze stiegen die Anteilscheine von Boeing um gut drei Prozent. Börsianer verwiesen auf einen Medienbericht, wonach der Flugzeugbauer plant, die Produktion von Modellen des Problemtyps 737 Max schneller als gedacht anzuziehen.

Die Papiere von AT&T legten nach einem Analystenkommentar um mehr als ein Prozent zu. Der Exporte John Hodulik von der UBS hatte die Vereinfachung der Konzernstruktur gelobt. Damit sei der Telekomkonzern besser einzuschätzen, woraus wiederum für Anlagen ein attraktives Verhältnis von Chancen und Risiken resultiere.

Am Donnerstag bereits hatte der erfolgreiche Börsengang von Oatly viel Beachtung gefunden. Die Papiere des schwedischen Hafermilchkonzerns hatten gegenüber dem Ausgabepreis fast 19 Prozent gewonnen. An zweiten Handelstag nun setzte sich die Rally mit einem Plus von mehr als elf Prozent fort.

James Bond trifft Jeff Bezos, so könnte man den angestrebten Kauf des US-Filmstudios MGM durch Amazon beschreiben. Bis zu zehn Milliarden US-Dollar will der Online-Retailer aufbringen, um an die Inhalte des letzten unabhängigen Filmstudios zu gelangen, das unter anderem die Rechte an James Bond besitzt. Amazon befindet sich mit seinem Schachzug in guter Gesellschaft. So gehören etwa Universal und Paramount zum Kabelnetzbetreiber Comcast beziehungsweise dem Medienunternehmen Viacom. Dahinter steht in allen Fällen die Idee, Medieninhalte und deren Verbreitung unter ein Firmendach zu bringen. Zu den begehrten Inhalten von MGM zählen neben James Bond noch die Rechte an „Herr der Ringe“ sowie „Rocky“ und TV-Serien wie „Stargate“ oder „Fargo“. Mit der MGM-Übernahme könnte Amazon somit den eigenen Videostreamingdienst Prime Video im Kampf gegen die Konkurrenten stärken, die ebenfalls nicht untätig bleiben. So kündigte AT & T vergangene Woche an, seine Film- und Fernsehsparte Warner Media mit dem Wettbewerber Discovery zu fusionieren. AT & T soll davon mit 43 Milliarden Dollar in bar, Aktien sowie in Form von Schuldenübernahmen profitieren. Die Anteilseigner von AT & T sollen zudem eine Mehrheit von 71 Prozent an der neuen Firma bekommen. Zu Warner Media gehören Filmstudios und eine Reihe von Fernsehaktivitäten wie der Nachrichtenkanal CNN und der Bezahlsender HBO mit Serien wie „Game of Thrones“. Unter dem Dach von Discovery findet sich eine Reihe von Kanälen, darunter der europäische Sportsender Eurosport.

Der Anlageboom in Deutschland hat das Geschäft der Fondsgesellschaften deutlich belebt. Im ersten Quartal 2021 flossen den Vermögensverwaltern laut Branchenverband BVI netto 59,9 Milliarden Euro neue Mittel zu. Das ist das beste Neugeschäft seit dem 2015. Die Fondsbranche verwaltete Ende März 2021 ein Vermögen von knapp vier Billionen Euro. Die Zuflüsse entfallen 2021 etwa zu gleichen Teilen auf offene Spezialfonds und Publikumsfonds. Geschlossene Fonds verzeichneten 1,6 Milliarden Euro. Größter Gewinner: Vom Neugeschäft der Offenen Publikumsfonds entfallen 41 Prozent auf nachhaltige Produkte.

Beim grünen Investment denken die meisten Anleger meist nur an rein ökologische Kriterien, die etwa bei der Auswahl eines Unternehmens für ein nachhaltiges Fondsportfolio zum Tragen kommen. Dass es aber auch zahlreiche ethische Faktoren gibt, die wichtig sind, zeigt die jüngste Entscheidung des Fondsmanagements des BMO Responsible Global Equity Funds. „Wir haben uns von unserer Beteiligung an Microsoft getrennt, da der jüngste Erfolg des Unternehmens bei einem US-Verteidigungsauftrag für maßgeschneiderte Hard- und Software für den Einsatz auf dem Schlachtfeld einen klaren Verstoß gegen unsere Kriterien für nachhaltige Fonds darstellte“, erklärt Portfoliomanager Jamie Jenkins. Der US-Techgigant hatte im April gemeldet, dass das US-Verteidigungsministerium für 21,9 Milliarden Dollar Headsets und Cloud-Dienste bei Microsoft bestellt hat.


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Kommentare ( 1 )

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Franz Schroeder
2 Jahre her

Ja dann passt es doch. Realeinkommen sinkt und die Renten sinken doppelt.
Ab Herbst gibt es dann den Annalena Benzinzuteilungsschein und ab nächstes Jahr Haferschleimsuppe in den Seniorenheimen für die, die Corona und die Impfung überlebt haben.
Der plan ….. DRDW…….läuft.

D eutschland R ettet D ie W elt.