Börse: Bitcoin, Immobilienpreise und Speicherchips

US-Techaktien schwächeln, US-Politik belastet, Bundesbank warnt vor Überhitzung am Immobilienmarkt, Petrochemie vor Herausforderungen, Morgan Stanley empfiehlt Schweizer Aktien für 2018, Genehmigung des Bitcoin-Futures heizt irrationale Spekulation an.

© Drew Angerer/Getty Images

Börsianer lieben Zahlenreihen. Die sind zwar in der Regel zu kurz, um irgendeine Signifikanz aufzuweisen, aber man schaut trotzdem gerne drauf. So ein Mutmacher ist auch dies: Seit 1945 hat der amerikanische Markt von November bis April durchschnittlich um 6,7 Prozent zugelegt. Der Thanksgiving Day ist also der Auftakt der besten Zeit des Jahres, reden sich die Akteure ein. In der Tat verzeichnete die Wall Street in gut drei Vierteln aller Jahre seit dem 2. Weltkrieg steigende Kurse, der Befund hat aber – wie oben gesagt – keinerlei Prognosewert. Auch 2017 läuft der Markt. Allerdings hat sich in den vergangenen Tagen eine Zweiteilung ergeben: Während vor allem Industrie- und Finanztitel, etwa aus dem Dow Jones, tendenziell zulegten, gab es an der Technologiebörse Nasdaq merkliche Verluste. Auslöser war eine Studie von Morgan Stanley. Die US-Investmentbank stufte -Aktien aus dem Speicherchipsegment herab, die Gewinne werden hier demnach 2018 stagnieren. Anschließend ging es bei Techtiteln in der Breite bergab — angesichts der teils exorbitanten Kursgewinne im laufenden Jahr kein Wunder. Titel, die in Sippenhaft mit den Speicherchipherstellern genommen wurden, dürften sich aber bald wieder erholen. Auch im DAX wirkte die Welle aus den USA nach. So wurde Infineon erwischt. Das könnte eine Einstiegsgelegenheit sein, schließlich stellen die Münchner schon seit einiger Zeit keine Speicherchips mehr her.​

Nach ihrem starken Vortag mussten die New Yorker Aktien-Indizes am Freitag Federn lassen. Dass Präsident Donald Trumps früherer Sicherheitsberater Michael Flynn sich schuldig bekannt hatte, das FBI im Zuge der Russland-Affäre belogen zu haben, belastete am Freitag die US-Börse zunächst ganz erheblich. Nach Meldungen, wonach die Republikaner im Senat inzwischen die notwendigen Stimmen für eine Verabschiedung der von Präsident Trump geplanten Steuerreform hätten, dämmten die Indizes ihre Verluste aber ein. Der Dow Jones sank zum Handelsschluss um 0,17 Prozent auf 24 232 Punkte. Kurzzeitig war der Leitindex sogar unter die Marke von 24 000 Punkten getaucht, die er am Vortag erstmals übersprungen hatte. Die Wochenbilanz ist glänzend: Der Dow legte um 2,9 Prozent zu. Der breit gefasste S&P 500 verabschiedete sich mit einem Minus von 0,2 Prozent auf 2642 Punkten ins Wochenende. Für den NASDAQ ging es um 0,4 Prozent auf 6337 Zähler.

Wirtschaftsboom, Landflucht und niedrige Zinsen — dieser Mix treibt nun seit Jahren die Immobilienpreise in Deutschland. Um mehr als die Hälfte sind diese in den sieben größten deutschen Städten seit 2011 gestiegen. In München sorgte etwa zuletzt der Verkauf neuer Wohnungen im Stadtteil Au für Aufsehen, die für bis zu 17 000 Euro pro Quadratmeter an den Mann gebracht wurden. Die Bundesbank geht inzwischen von einer Übertreibung der Preise in den Städten um bis zu 30 Prozent aus, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2017. „Der Preisanstieg nimmt auch in der Fläche zu“, so Buch. Eine Preisblase sieht sie aber aktuell genauso wenig wie eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität bei einem deutlichen Zinsanstieg.

Die anziehenden Ölpreise sind nur ein Faktor für die wachsende Nervosität in den Chefetagen der wichtigsten Chemieunternehmen der Welt. Dies zeigte sich vorige Woche beim Treffen der globalen Petrochemieindustrie im noblen Ferienresort Mina A’Salam in Dubai. So sei China bei Ethylen für die Kunststoffproduktion zwar noch von Importen aus Europa, den USA und dem Nahen Osten abhängig, „das Reich der Mitte reift aber mehr zur Petrochemie-Selbstversorgerin heran“, konstatiert Yousef Al-Benyan, CEO des weltgrößten Petrochemieproduzenten Sabic. Doch nicht nur Chinas wachsende Autonomie stelle die Industrie vor neue Herausforderungen, mahnte Hariolf Kottmann, CEO der Schweizer Clariant: „Digitalisierung, künstliche Intelligenz und der Beitrag unserer Branche zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens müssen weit nach oben auf die Agenda unserer Branche rücken, umzukunftsfähig zu bleiben“. Neil Chapman, Präsident von ExxonMobil Chemical, schlug vor, nachhaltiges Plastik zu entwickeln. Denn: „Plastikmüll auf unseren Straßen und als Baumaterial sind keine dauerhafte Lösung. Schließlich wird die Weltbevölkerung bis 2040 um zwei Milliarden Menschen wachsen.“ Einig waren sich die Firmenlenker, dass Fusionen und Übernahmen wie bei Bayer/Monsanto oder Dow Chemical/Dupont weiterhin notwendig seien, um durch Synergie-effekte Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern. Aber: „Bei Firmenhochzeiten begegnen sich stets unterschiedliche Kulturen, die voneinander lernen müssen. Dies wird die Branche noch einige Jahre beschäftigen“, so Detlef Kratz, Vizepräsident Technologie des DAX-Konzerns BASF.

Die Schweiz scheint ihre kleinere Wachstumsschwäche überwunden zu haben. So legte ihr Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 1,2 Prozent im Jahresvergleich zu, ein Plus von 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Der Schweizer Export profitiert von der Frankenschwäche, die gesamte Wirtschaft wird durch die gute internationale Konjunktur gestützt. Davon dürfte auch der Schweizer Aktienmarkt profitieren, in dem viele exportlastige Unternehmen gelistet sind. Für die Investmentbank Morgan Stanley Grund genug, Schweizer Aktien als Gewinner für 2018 auszuwählen.

Die weltgrößte Derivatebörse, Chicago Mercantile Exchange (CME), darf ab dem 18. Dezember einen Terminkontrakt auf die virtuelle Währung Bitcoin handeln. Ihre Rivalin Chicago Board Options Exchange (CBOE) erhielt ebenfalls grünes Licht für einen Future. Mit diesen Papieren können Investoren auf steigende und fallende Kurse wetten. Das scheint bei Bitcoins ganz besonders verlockend zu sein. Zweistellige prozentuale Tagesveränderungen sind bei der Kryptowährung keine Seltenheit. So kletterte der Preis am vergangenen Mittwoch binnen 24 Stunden um mehr als 1000 auf über 11.000 Dollar. In den darauffolgenden 24 Stunden ging es mehr als 20 Prozent bergab.
Wegen dieser drastischen Ausschläge werden Investoren für Bitcoin-Futures der CME und CBOE vergleichsweise hohe Sicherheitsleistungen (Margin) von 35 und 40 Prozent des Anlagevolumens hinterlegen müssen.
Die Spekulationen auf die Genehmigung eines Bitcoin-Future werden mit als Grund für das rund 1000-prozentige Kursplus der vergangenen Monate angesehen. Die Einführung von Terminkontrakten gilt als Voraussetzung für das Engagement institutioneller Anleger in der Internet-Währung. Warum sie das allerdings tun sollten, hat bislang jedoch noch niemand erklärt. Zwar ist die hinter den Bitcoins stehende Blockchain-Technologie für zahlreiche Anwendungen sinnvoll, die Bitcoins an sich bringen indes für den Gebrauch in Deutschland keinen Mehrwert. Die Bundesbank und andere Notenbanken wie die Banque de France warnen Anleger inzwischen ganz explizit vor einem Kauf.

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Kommentare ( 6 )

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Konstantin Goldmann
6 Jahre her

Wer jetzt immer noch mit der „Tulpenblase“ kommt, zeigt, dass er entweder noch im 17. Jahrhundert steckengeblieben ist oder dass er jeder Meinungskampagne in unseren Medien blindlings vertraut. BTC ist ein Wettobjekt, das seit mindestens einem Jahr zuverlässig nach oben tendiert. BTC ist (im Unterschied zu Tulpenzwiebeln) limitiert, so dass eine höhere Nachfrage zwangsläufig den Preis treibt. Meine Altersvorsorge würde ich Bitcoin zwar auch nicht anvertrauen, aber ein bisschen „Spielgeld“ darf man in so etwas durchaus investieren, und zwar erst recht, wenn man sieht, wer offenbar nicht möchte, dass wir das tun (Bundesbank & Co.). Ich persönlich habe meinen Einsatz… Mehr

DieBankgewinntimmer
6 Jahre her
Antworten an  Konstantin Goldmann

Gesunde Einstellung.
Herzlich Willkommen im Casino:
https://www.youtube.com/watch?v=mOgCPqzJsGk

Ghost
6 Jahre her

Die „Tulpenblase“ in Holland des 17. Jahrhunderts lässt grüssen.
Was die Bitcoins betrifft: sie dienen jetzt vor allem für Transaktionen, die man lieber ausserhalb der Banken macht – aus unterschiedlichen Gründen. Aber Vorsicht ist geboten, zuviel Risiko; ein vorsorgender Familienvater sollte lieber die Finger davon lassen. Eines Tages könnte es sich als „Bitshit“ erweisen.

Gitti
6 Jahre her
Antworten an  Ghost

Ein Risiko hat man bei allen Werten. Wer garantiert mir den Werterhalt bei den Euros, Dollars, Gold oder Aktien? Sogar bei Immobilien gibt es Risiken und wo die Verluste am geringsten sind, wird die Zeit zeigen.

Mario
6 Jahre her

ZITAT: „Die Bundesbank geht inzwischen von einer Übertreibung der Preise in den Städten um bis zu 30 Prozent aus (…) Eine Preisblase sieht sie aber aktuell genauso wenig wie eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität bei einem deutlichen Zinsanstieg.“
Ich verstehe diese Aussage nicht. Übertreibung bis zu 30 Prozent, aber trotzdem keine Preisblase?

Ede Wolf
6 Jahre her
Antworten an  Mario

Was die Zentralbanken veranstalten ähnelt immer mehr dem Pfeifen im Walde…