Französisches Unterhaus stimmt für Verstaatlichung von ArcelorMittal

Das Unterhaus des französischen Parlaments stimmte am Freitag mit breiter Mehrheit für eine Verstaatlichung des französischen Arms des Stahlkonzerns ArcelorMittal. Zwar dürfte diese Initiative am Widerstand der Senatskammer scheitern, doch gibt sie uns Hinweise auf die Zukunft der EU. Die selbst geschaffenen Probleme sollen mit Protektionismus und Staatswirtschaft geheilt werden.

picture alliance / Hans Lucas | Magali Cohen

Stahlproduktion ist energieintensiv und zugleich ein wichtiger Baustein nationaler und strategischer Grundstoffindustrie zur Sicherung von Wertschöpfungsketten. Wie wir aus leidlicher Erfahrung vom Standort Deutschland wissen, steht der Sektor unter massivem Preisdruck und könnte schon bald prominentes Opfer der grünen Transformationspolitik sein.

Dekarbonisierung um jeden Preis

Die Dekarbonisierungsstrategie der Europäischen Union zwingt die Betriebe zu massiven Investitionen in Wasserstoff – Stahlwerke, E-Ofen – Technologie und treibt sie im Zuge der Energiepreiskrise auf dem internationalen Markt in eine unhaltbare Position.

Schulden und politische Blockade
Frankreichs Weg in den Staatsbankrott – Vorbild für Deutschland?
Die Folge: Insolvenzen, Produktionsverlagerungen in die USA, nach Indien und China. Unter diesen Bedingungen ist der europäische Stahlsektor im Grunde nicht mehr zu halten.

Rationale Politik hätte längst den Stecker gezogen, wäre zurückgekehrt zu einem marktwirtschaftlichen Energiemarkt-Design, hätte die grüne Transformation als gescheitert erklärt und Investitionsentscheidungen grundsätzlich wieder dem freien Markt und den Unternehmen überlassen.

In Europa verhält es sich anders. Hier verteidigt das Konglomerat aus Brüsseler Regulierern und höriger nationaler Politik die grüne Transformation mit Händen und Klauen.

Französisches Unterhaus mit Fingerzeig

Nun lieferte uns die Assemblée Nationale, das Unterhaus des französischen Parlaments, einen wichtigen Hinweis auf den strategischen Umgang in der Zukunft mit der sich immer weiter vertiefenden Krise in der Grundstoffindustrie. Das Parlament stimmte am Freitag mit 127 Stimmen für die Verstaatlichung des französischen Arms des Stahlkonzerns ArcelorMittal. 41 Abgeordnete stimmten dagegen oder enthielten sich – darunter die rechtskonservative Partei von Marine Le Pen und die Fraktionen, die derzeit die Minderheitsregierung von Präsident Emmanuel Macron stellen.

Finanzkrise im Anflug
Frankreich im Schuldensog
Zwar dürfte die zweite Kammer des französischen Parlaments, der Senat, den Vorstoß mit deutlicher Mehrheit ablehnen. Doch die Politik in Frankreich steht unter wachsendem wirtschaftlichen Druck. Rund 15.000 Menschen arbeiten direkt in den Werken von ArcelorMittal, und man schätzt, dass weitere 80.000 Jobs indirekt von der Produktion französischen Stahls abhängen.

Die Initiatoren der Verstaatlichungsinitiative kritisieren eine Unternehmenspolitik, die trotz staatlicher Subventionen kaum noch eigene Mittel am heimischen Standort investiere und stattdessen Profite an Aktionäre und die Konzernzentrale abfließen lasse. Man kann also sagen: In Frankreich schmilzt der Widerstand gegen Verstaatlichungen im Krisenfalle gerade wie Eis in der Sonne dahin. Das moralische Totschlagargument vom gierigen Kapitalisten hat man bereits präventiv ins Feld geführt.

Ändern sich bei den nächsten Wahlen die Mehrheitsverhältnisse und fällt der Senat in die Arme der Linkspopulisten, dürfte in Frankreich jeder Damm brechen – mit einer Verstaatlichungsdebatte in Deutschland als unausweichlicher Folge.

Es wird immer offensichtlicher: Die Antwort der EU-Europäer auf die selbst verursachte Wirtschaftskrise besteht – neben protektionistischen Maßnahmen und wachsenden Schutzzöllen gegenüber chinesischem und indischem Wettbewerb – zunehmend in der Verstaatlichung immer weiterer Bereiche des wirtschaftlichen Lebens.

Keine Abkehr vom Klimakurs

Die französische Politik blickt auf eine lange Tradition industriepolitischer Interventionen zurück. Neben den bekannten Beispielen des Hochgeschwindigkeitszugs TGV oder des staatlichen Engagements bei Airbus mag sich der ein oder andere an die Verstaatlichungswelle unter der Regierung von François Mitterrand in den 1980er Jahren erinnern. Damals wurden nahezu sämtliche Großbanken, Versicherungen und wichtige Industriekonzerne verstaatlicht.

Den Eisberg fest im Blick
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Blickt man heute auf den maroden und fragilen Zustand des französischen Staates, auf eine Staatsquote von inzwischen über 57 Prozent und eine Verschuldung, die auf die Marke von 120 Prozent zusteuert, sollte man wissen, dass die Ideologie staatlicher Steuerung und der Übernahme wirtschaftlicher Flaggschiffe krachend gescheitert ist.

Und dennoch entspricht diese Politik weiterhin dem Geist von Zentralplanung und Machtkonsolidierung, wie wir ihn heute auch in der Brüsseler Politik erleben.

Dem gegenwärtigen Zeitgeist und einer antiliberalen Ideologie verpflichtet, werden die kommenden Verstaatlichungen großer Konzerne in EU-Europa im Zeichen des Kampfes gegen den Klimawandel stehen. Dies wird die bereits rückläufige Produktivität der europäischen Wirtschaft zusätzlich beschädigen. Es wird die nationalen Haushalte weiter strapazieren, Inflationstendenzen verstärken und die für marktwirtschaftliche Prozesse so unverzichtbare Neuausrichtung freier Kapitalströme systematisch behindern.

Europa müsste sich genau in diesem Moment der Krise zur freien Marktwirtschaft bekennen, Wettbewerb zulassen und den Staatsapparat zurückbauen, um der gegenwärtigen Produktivitätskrise angemessen zu begegnen.

Brüssel zieht Linie durch

Und nichts scheint in diesen Tagen abwegiger und unrealistischer als ein geordneter Rückzug der Politik aus dem Wirtschaftsgeschehen. Ganz im Gegenteil: Die massive Aufstockung des Budgets der EU-Kommission für die Jahre 2028 bis 2034 auf beinahe zwei Billionen Euro, das im Übrigen Klimasubventionen von 750 Milliarden Euro enthalten soll, konterkariert sämtliche Bemühungen der freien Wirtschaft, sich Luft im Abwehrkampf gegen den übermächtigen Regulierer in Brüssel zu verschaffen.

Sachlich vorgetragene Kritik der Wirtschaftsverbände, die eine Abkehr vom Verbrennerverbot fordern oder sich gegen den zerstörerischen Handel mit CO₂-Zertifikaten stellen, perlt an der EU-Kommission ab wie Wassertropfen an einer Lotosblüte. Die europäischen Zentralplaner kontern die anhaltende Wirtschaftskrise tatsächlich mit höheren Abgaben, drastischerer Regulierung und verweisen dabei auf die angebliche Lenkungswirkung, die dieser Modus zur Dekarbonisierung der industriellen Produktion entfalten soll.

Dass sie auf diese Weise den Pfad zu einer ökologischeren Fertigung auf dem Kontinent selbsttätig zerstört haben, ist ihnen entweder entgangen – oder sie gehören zu den direkten und indirekten Profiteuren jener Extraktionswirtschaft, die sie im Zeichen des Kampfes gegen den Klimawandel selbst installiert haben.

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Kommentare ( 18 )

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18 Comments
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bfwied
17 Tage her

Marx hat seine Ideen am grünen Tisch entworfen, in der Wirklichkeit hatten sie keinen Bestand. Es ist ein Phänomen, dass seine Ideen, die nirgendwo auch nur annähernd funktionierten, auch heute noch vehement auftretende Verteidiger finden. Schlichte Dummheit und mangelnde Erziehung dürften die Ursachen sein. Es hilft nichts, die Linksgrünen wurden viel zu früh am Absterben vermutet. Keineswegs sind sie das, sie werden nur radikaler, um ihr dämliches Ziel endlich zu erreichen. Von den CEOs ist nichts zu erwarten, die haben sich weit überwiegend längst als Bücklinge zu erkennen gegeben, die sich auf ihren in Sicherheit gebrachten Wohlstand zurückziehen können und… Mehr

rainer erich
17 Tage her

Hoffen wir, dass der ( noch ) Einäugige, Schland, noch in der Lage ist, dem Blinden, Frankreich, mit etlichen Mrd zu “ helfen“. Bevor er selbst den Weg allen Irdischen geht. Überraschend ist auch das Alles nicht oder nur für die allerdings zahlreichen Naiven. Die Neuordnung der Wirtschaft , des Wirtschaftssystems ist genauso einer logisch/ zwingender Teil der grossen Transformation wie die alle sonstigen systemisch/strukturell/ inhaltlichenÄnderungen in Verwaltung, Medien, Justiz, Wissenschaft, Bildung usw. Erstaunlich , dass auch hier immer noch an das Narrativ “ Klima“ geglaubt wird, welches lediglich der emotionalen Folgschaft einer verängstigten oder , weil wohlstandsverwahrlost , erlösungs-… Mehr

Elmar
17 Tage her

In Italien fordern linke Gewerkschafter, die das Ilva-Stahlwerk in Taranto von ArcelorMittal besetzt halten, ebenfalls die Verstaatlichung. Die Franzosen sind nicht allein. Beide Verstaatlichungsfans erschöpfen sich mit ihren Forderungen nach Subventionierung bis zum Umfallen. Mehr fällt ihnen nicht ein.

Biskaborn
17 Tage her

Vorbild für Deutschland, definitiv. Lassen wir hier die Linken final an die Macht kommen, wird es eine Verstaatlichungshysterie geben, alles natürlich im Interesse des Klimas. Der gemeine Deutsche, stramm Linksorientiert, wird jubeln, warten wir es ab! Irgendwann in 20 Jahren oder deutlich früher wird es dann eine zweite DDR geben, denn Politiker, schon gar nicht Linke, können Wirtschaft nicht.

Blackholesun
17 Tage her

Fantastisch! Die eigenen katastrophalen Fehler durch eine noch schlimmere Maßnahme beheben zu wollen ist gigantisch… dumm.

Es bleibt schlussendlich alles am Steuerzahler hängen, gehen Betriebe in Konkurs, bauen Arbeitsplätze ab und verlagern ins entfernte Ausland. Passiert ja alles bereits in Echtzeit.

Weiter so, schnurstracks Richtung Regenbogen!

Zebra
17 Tage her

Die ganze Politik, mit Ausnahme Ungarns, Tschechiens und der Slowakei wirkt für mich wie ferngesteuert und die Regierungen wie Marionetten und die Demokratie wie eine Simulation. Ich kann nicht mehr glauben, daß diese Politik, die sich gegen die eigenen Völker richtet nur auf Inkompetenz und ideologischer Verblendung beruht. Nein, das ist Absicht und Bösartigkeit. Bösartig wie ein Krebsgeschwür.

Soistes
17 Tage her

Die grundsätzliche Verdammung staatlicher Interventionen im wirtschaftlichen Bereich ist auch so ein typisches Produkt ideologischer Scheuklappen. Diese gibt es nicht nur bei den Linken sondern auch bei den Rechten und der liberalen Mitte. Gerade Airbus, das ohne französische staatliche Interventionen nie entstanden wäre, ist eine Erfolgsgeschichte. Dabei kann ich mich noch erinnern, wie vor Jahrzehnten das Projekt Airbus am Beginn von den deutschen Medien hämisch kommentiert wurde. Heute ist Airbus ein sehr ernstzunehmender Konkurrent von Boeing.

lube
16 Tage her
Antworten an  Soistes

Airbus ist wesentlich durch Franz Josef Strauss entwickelt wurden. Sehen Sie nicht zu positive, den Sozialismus in Frankreich?

Raul Gutmann
17 Tage her

Verbindet man Sokrates‘ Kernkritik an der Demokratie, den wenigsten Bürgern erschlössen sich gesamtstaatliche Zusammenhänge, mit dem empirisch konstatierenden qualitativen Niedergang der classe politique, läßt sich eine gewisse Logik darin erkennen, wenn den Beherrschten als Antwort auf die Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse aufgrund eigener Politik statt deren Korrektur, was stets schwierige Begründungen erfordert, ein Mehr an scheinbarer Kontrolle und staatlicher Lenkungsmaßnahmen präsentiert wird. Zumal bei einem bürgerlichen Demos, dessen Fähigkeit abnimmt, politische und ökonomische Zusammenhänge zu verstehen.
Dafür wurde 1918 die Monarchie abgeschafft.

Last edited 17 Tage her by Raul Gutmann
GeWe
17 Tage her

Sozialismus durch Dekarbonisierung oder Islamisierung durch Massenimmigration. Die europäischen Kälber dürfen wählen. Die Metzger stehen schon bereit.
Ihr Dank gilt der EU-Kommission.

Stefanrich
17 Tage her

Der Senat ist traditionell konservativ und wird den Sieg des Sozialismus wohl vorerst verhindern. Bis zu den nächsten Wahlen zur Nationalversammlung 2029 versuchen die Linken, vollendete Tatsache zu schaffen, wohl wissend, dass es 2027 mit den nächsten Präsidentschaftswahlen damit erstmal vorbei sein wird. Ich bin nicht so pessimistisch.