Der Silbermarkt läuft heiß

Nach dem König der Edelmetalle folgt nun auch Kronprinz Silber dem Gold in einen heißen Bullenmarkt. Die Gründe für den historischen Anstieg der beiden Assets weichen allerdings zum Teil erheblich voneinander ab.

picture alliance / NurPhoto | Jonathan Raa

Das Jahr 2025 könnte in den Annalen der Finanzmärkte als Wendepunkt in Erinnerung bleiben. Nachdem die Fluchtwährung Gold in den vergangenen zwölf Monaten um rund 70 Prozent aufwertete und derzeit um die Marke von 4.500 US-Dollar je Unze pendelt, benötigte der Kronprinz der Edelmetalle – das Silber – zunächst etwas Anlaufzeit, um nachzuziehen.

Doch wie so oft in der Geschichte der Edelmetalle geschah dies schließlich mit einem Knall. Zum Zeitpunkt dieser Ausarbeitung notierte der Silberpreis bei rund 80 US-Dollar je Unze – ein Kursniveau, das den Blick auf einen geradezu gewaltigen Chart freigibt. Allein im Jahr 2025 konnte Silber rund 175 Prozent an Wert zulegen.

Der letzte Anstieg wirft zwangsläufig Fragen nach den Ursachen auf. Handelt es sich ausschließlich um Spekulation? Wie heftig fällt nach einer derartigen Neubepreisung eine mögliche Korrektur aus? Und wie könnte es weitergehen?

Enger Markt, regelmäßige Steuerung

Bei aller Euphorie sollte man sich angesichts des aktuellen Silberpreises nichts vormachen. Der Silbermarkt ist mit einer Kapitalisierung von etwa vier Billionen US-Dollar im Vergleich zu anderen Märkten ein Leichtgewicht – und entsprechend volatil.

Schon vorsichtige Neubewertungen durch große Kapitalsammelstellen können hier massive Kursbewegungen auslösen. Diese werden nicht selten in mediale Euphorie übersetzt, erreichen das breite Publikum und locken damit das eher späte Kapital in den Markt. Dieses dient dann häufig jenen als Ausstieg, die die Bewegung zuvor inszeniert haben.

Silber unterliegt seit jeher spekulativen Großmanövern und wird vor allem über die Derivatemärkte kurzfristig und gezielt im Preis beeinflusst.

Industrielles Rückgrat

Langfristige Wertspeicher
Ein Fest für Sparer – Gold und Silber steigen viel schneller als erwartet
Allen Marktgravitationen und dem volatilen finanzpolitischen Umfeld zum Trotz weist der Silbermarkt im Gegensatz zum Gold eine Besonderheit auf. Während Gold im Wesentlichen eine Wertaufbewahrungsfunktion erfüllt, hat Silber dieses monetäre Premium längst verloren. Es dient nicht mehr als Reserveasset der Notenbanken und wird auch nicht mehr im größeren Stil von Fonds oder Banken gehortet.

Silber ist heute vielmehr Teil der technologischen Revolution, die wir erleben. In zahlreichen Industrieanwendungen – sei es in der Elektronik oder in Hightech-Sektoren wie der KI-Infrastruktur und dem Batteriebau – werden große Mengen des Edelmetalls verbraucht. Dies geschieht ohne nennenswerte Substitutionsoptionen.

Daraus ergibt sich ein struktureller Nachfrageanstieg, der für die kommenden zehn Jahre zu erwarten ist und auf eine gehemmte Förderaktivität trifft. Das Angebot kann nicht schnell genug auf mittel- und langfristige Preissteigerungen reagieren, um den Markt im Gleichgewicht zu halten. Förder- und Minenaktivitäten benötigen viel Zeit, weshalb wir nun in einen vor allem von der Nachfrageseite dominierten Marktzyklus eingetreten sind.

Preisbildung ohne Metall

In Europa wird der Silberkontrakt traditionell überwiegend am London Bullion Market (LBMA) gehandelt. Dabei handelt es sich um einen außerbörslichen OTC-Markt, der als zentrales Preisreferenzsystem dient und Silber vor allem nicht physisch handelt. Abgewickelt werden Käufe und Verkäufe, Forderungen und Verbindlichkeiten – in der Regel ohne unmittelbare physische Lieferung des zugrunde liegenden Edelmetalls.

Die Struktur dieses Marktes erlaubt es, den Silberpreis kurzfristig über den Derivatemarkt maßgeblich zu beeinflussen. Futures-, Options- und Swap-Kontrakte bewegen dabei ein Vielfaches der tatsächlich verfügbaren physischen Silbermenge. Umfangreiche Short-Positionen, die überwiegend von Banken gehalten werden, können so über längere Zeiträume ein Preisniveau stabilisieren, das mit den realen Knappheitsverhältnissen kaum noch übereinstimmt.

Steigt der Preis infolge strukturell wachsender Nachfrage dennoch kontinuierlich an, geraten diese Short-Positionen unter Druck und müssen eingedeckt werden – sie wechseln damit virtuell auf die Käuferseite. Genau diese Bewegung haben wir möglicherweise in den vergangenen Wochen bereits erlebt.

Kollabiert dieses Konstrukt, findet der Preis häufig über eine drastische Korrektur zurück in seinen übergeordneten Trendkanal. Ob es dazu kommt, werden erst die kommenden Monate zeigen.

Signalwirkung für die Geldpolitik

Bitcoin, Tokens, Stablecoins
Die Finanzrevolution ist hier
Ein ähnliches Marktverhalten zeigte über viele Jahre hinweg auch der Goldmarkt. In den Edelmetallmärkten geht es aus geldpolitischer Sicht um viel. Steigende Edelmetallpreise signalisieren monetär betrachtet vor allem den antizipierten Kaufkraftverlust der zirkulierenden Währungen.

Zum Hintergrund: Die Geldmenge M2 wuchs im Jahr 2025 im globalen Kontext um etwa sieben bis neun Prozent. Dies ist ein Wert, wie er über viele Jahrzehnte hinweg zu beobachten war und der in etwa die durchschnittliche Aufwertung anderer Vermögensmärkte – etwa Aktien und Immobilien – über die Regionen hinweg widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht abwegig anzunehmen, dass Zentralbanken als staatliche Akteure gemeinsam mit kooperierenden Geschäftsbanken regelmäßig als eine Art Circuit Breaker bei starken Aufwärtsbewegungen an den Edelmetallmärkten aufgetreten sind, um die potenziell fatale Signalwirkung einer Währungskrise frühzeitig zu neutralisieren.

Geopolitik und Geldordnung

Genau an dieser Stelle betreten wir das geopolitische Spannungsfeld, das sich zunehmend auch auf der Ebene der Geldpolitik materialisiert. Staaten wie China, Russland oder die USA zählen zu den größten Eigentümern von Goldreserven. Sie haben großes Interesse daran, Edelmetalle wie Gold systematisch aufzuwerten, um nach Jahren exzessiver Verschuldung und der Entwertung ihrer Anleihenbestände bilanzielle Spielräume zu schaffen.

Seit Monaten lässt sich beobachten, dass physische Goldlieferungen – insbesondere aus europäischen Beständen – sowohl nach China als auch in die USA verlagert werden, was vor allem den Londoner Edelmetallmarkt zunehmend unter Lieferzwang setzt.

Setzt sich dieser Trend fort, ist davon auszugehen, dass auch Silber in diese geopolitischen Wellenschläge hineingezogen wird und bei steigender Volatilität in den kommenden Jahren durchaus einen Bullenmarkt erlebt.

Denn eines ist gewiss: Die Staatsschulden der Welt haben ein Niveau erreicht, das realwirtschaftlich kaum noch refinanzierbar ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass über expansive Geldpolitik und anhaltende Notenbankinterventionen versucht wird, Schaden von den Staatshaushalten abzuwenden, ist deutlich höher als eine Rückkehr zu einer ordnungsgemäßen, stabilitätsorientierten Geldpolitik mit wertgedeckten Geldeinheiten.

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Kommentare ( 5 )

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5 Comments
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Kampfkater1969
1 Stunde her

Silber ist ein komplexes Thema. Was ich glaube zu erkennen, es wird vielleicht ein Squeeze. Die Shortseller haben teilweise ein Problem und müssen glattstellen, um nicht noch weiter in die Miesen zu laufen. Die Frage stellt sich allerdings, ob dies physisch geschehen muss bzw. in welcher Häufigkeit der Kontrahent inzwischen die Lieferung fordert. Desweiteren vermute ich, dass inzwischen auch Zentralbanken neben Gold auch Silber als strategische Anlage kaufen. Es bleibt zwar das Problem der deutlich umfangreicheren Lagerung, aber das dürfte sich bewerkstelligen lassen. Weiters ist Silber als Industriemetall einzustufen, da es fast ausnahmslos dort verbraucht wird, ähnlich Platin und Palladium.… Mehr

Last edited 1 Stunde her by Kampfkater1969
GermanMichel
1 Stunde her

Soviel Sachlichkeit verschleiert doch irgendwie die durch und durch kriminelle Struktur des Finanzmarktes. Also mal in einfache Sprache übersetzt: die Fiat-Geld (= Luftgeld) Zinseszins Wucherer halten ihr Geldsystem, mit dem sie Staaten und Völker in die Zinsknechtschaft bugsieren und selber unermesslich Reich und mächtig werden, aufrecht indem sie sich gegenseitig Silber verkaufen, dass irgendwo in London oder New York im Lager liegt und niemals sein Lagerfach verlässt. Durch die ganzen „Verkäufe“ (am besten noch schön gehobelt, 300 Papierverträge für 1 reales Stück Silber) wird dann der Preis über Jahrzehnte auf dem immer gleichen Niveau gehalten, obwohl sonst in allen möglichen… Mehr

Cato
2 Stunden her

Danke für die- im Gegensatz zu Ihrem Kryptowährungsartikel – sehr verständlichen Ausführungen. Bitte weiter so!

Betreutes Denken
2 Stunden her

Wir stehen erst am Beginn der Entwicklung, wer den Langfrist-Chart lesen kann, weiß das. Silber wird noch auf ungeahnte Höhen steigen. Ich halte 300-400 $ je Unze bis 2030 für sehr wahrscheinlich. Kurzfristig könnte Silber am Ende der Aufwärtsbewegung sogar auf 500 $ überschießen. Der lustige Teil der Party hat noch gar nicht begonnen! Ausgewählte Silberjuniorminen bieten auf den Silberpreis zusätzlich einen schönen Hebel. Das ganze läuft unter dem Motto: Once in a lifetime! 🚀

Wilhelm Roepke
2 Stunden her

Ich würde dem Artikel die Schulnote 3-4 geben. Die Grundzüge sind meist richtig dargestellt, aber ein paar wesentliche Informationen fehlen bzw. sind veraltet: 1. Die USA haben vor kurzem Silber als „strategisches Metall“ eingestuft, also als für die nationale Sicherheit bedeutsam. Zurecht, wenn man die Verwendung in Militärelekronik oder KI betrachtet. 2. China hat ebenfalls 2025 Exportkontrollen für Silber eingeführt. Das bedeutet kein Verbot, aber es sind ähnlich wie bei seltenen Erden jetzt Exportbeschränkungen möglich. 3. Indien hat Silber ebenfalls 2025 wieder als monetäres Metall zugelassen. Das heißt beispielsweise, dass Silberbarren als Sicherheit für einen Bankkredit hinterlegt werden können. Indiens… Mehr