Tichys Einblick
Gefahr von Stromrationierungen und Blackouts

„Ist das das Land, in dem wir leben wollen?“

Thomas Eisenhuth war einst bei Greenpeace aktiv. Heute ist er Unternehmer im Energiesektor und kritisiert die deutsche Energiepolitik. Der 55-jährige fordert ein radikales Umdenken der Politik.

IMAGO/C. Ohde | privat

Julian Marius Plutz: Sie waren 10 Jahre bei Greenpeace aktiv – kurzzeitig sogar hauptamtlich. Wie kam es dazu?

Thomas Eisenhuth: Ich hatte mich bereits zu DDR-Zeiten in meinem Heimatort für Natur- und Umweltschutz engagiert. Nach der Wende studierte ich in Leipzig, als ich in einer Kneipe jemanden kennenlernte, der Greenpeace im Osten mit aufbauen wollte. Mich haben die Themen überzeugt und so wurde ich dort aktiv. Am meisten überzeugte mich die Professionalität der Kampagnen. Das war wirklich sehr beeindruckend.

Und warum sind Sie nicht mehr dabei?

Die Zeiten haben sich geändert. Die damaligen Probleme konnte man sehen. Die Schornsteine haben geraucht, die Bäume verloren durch Schadstoffe ihr Laub, die Fische starben in den vergifteten Flüssen. Das ist heute anders. Heute heißt es: „Wir haben eine Klimakrise!“ Doch das stimmt nicht. Ein Klima kann keine Krise haben. Es existiert Klimawandel, ja. Der ist auch beobachtbar. Dem Klima ist es ziemlich egal, was für einen dramatischen Namen wir seinem Zustand geben. Wir sollten anfangen, offen und sachlich darüber zu reden, ohne Hysterie und Panik zu verbreiten.

„Die nächste Stufe wäre ein Ministerium für Weltrettung!“

Was hat sich genau verändert?

Die Aufmerksamkeit geht heute immer mehr in Richtung infantile, kreischende Minderheiten, die uns ihre Agenda diktieren wollen – selbst unter Inkaufnahme von Sachbeschädigung. Das gab es bei Greenpeace früher so nicht!

Plakativ gesagt: Bei Naturschutz geht man in den Wald und rettet die Bäume, während Klimaschutz ideologischer und weniger greifbar ist. Liege ich mit der Annahme richtig?

Exakt und gut, dass Sie das ansprechen! Die Begriffe wurden in den letzten Jahren geändert, bewusst dramatisiert. Früher hieß es „Umweltschutz“. Das heißt, ich schütze meine nächste Umgebung und schaue, dass da nichts verschmutzt wird. Das kann man sehen und nachvollziehen. Anscheinend ist es heute aber so, dass sich viele zu etwas höherem berufen fühlen. Es gab vor einigen Jahren das Buch von Günter Ogger: „Die Diktatur der Moral“, dass dieses Phänomen sehr gut beschrieb. Man muss die Begriffe nur moralisch aufblasen und schon erntet man mehr Zustimmung, weil die Leute dann weniger hinterfragen.

Inwiefern?

Wir haben faktisch in jedem Land ein Klimaschutzministerium, wo ich mich frage: Wie können die denn das Klima schützen? Das können sie in Wahrheit gar nicht. Die nächste Steigerung wäre dann wohl ein Ministerium für Weltrettung. Anders gesagt ist das sichere Scheitern bei „Klimaschutz“ bereits im Namen enthalten. Bei „Umweltschutz“ ist das nicht so, da die Bezeichnung konkreter und sachlicher ist. Der Rhein ist heute sauberer, als vor 40 Jahren. Das kann man messen. Auch viele Gegenden in Ostdeutschland, die früher sehr verschmutzt waren, sind heute sauberer. Manchmal kommt mir die ganze Debatte vor, als wolle man irgendetwas aus der Vergangenheit kompensieren. Früher wollten wir die ganze Welt erobern und heute wollen wir die ganze Welt bekehren.

„Je öfter man eingreifen muss, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler passieren.“

Gilt das auch für die Energiepolitik?

Ja, absolut! Ich war vor einigen Tagen mit dem Vorstand eines der größten Energieversorger Polens beim Essen. Der schüttelt nur noch den Kopf. Er sagt, wie kann es sein, dass ein einziges Land in Europa, er meinte Deutschland, die Energiepolitik den anderen vorschreibt. Heißt konkret, Polen soll nun auch aus Kohle aussteigen, weil sie auch bei der Rettung der Welt mitmachen sollen. Die meisten Länder der Welt machen allerdings bei diesem teuren Rettungsprogramm nicht mit, sondern schauen zu wie wir uns ruinieren.

Welche Konsequenzen hat diese Energiepolitik?

Es soll, de facto die gesamte Grundlast abgeschaltet werden, siehe Deutschland, wo Kohle und Atom als böse gelten und Wasserkraft kaum vorhanden ist. Also setzt man auf Wind und Sonne. Das bedeudet, dass Reservekapazitäten unbedingt erforderlich sind, wenn es dunkel ist und kein Wind weht. Doch diese Kapazitäten sind derzeit im erforderlichen Maße gar nicht mehr vorhanden. Die Auswirkungen könnten mehr Stromausfälle und sogar Blackouts sein. Erkennbar ist diese bedrohliche Entwicklung an der zunehmenden Anzahl der Eingriffe der Netzbetreiber in den letzten Jahren.

Was sind das für Eingriffe der Netzbetreiber?

Diese Eingriffe laufen unter dem Fachbegriff „Redispatch“. Der Netzbetreiber muss eingreifen, wenn Erzeugung und Verbrauch drohen, nicht ausgeglichen zu sein. Das heißt, er muss auf der Seite des Stromerzeugers oder des Stromverbrauchers regelnd eingreifen, um zu verhindern, dass das Netz nicht in eine gefährliche Imbalance kommt und zusammenbricht. Im letzten Jahr gab es in Deutschland etwa 8.500 solcher Eingriffe, im ersten Halbjahr dieses Jahrs waren es bereits mehr als 7.000. Vor 20 Jahren waren es nur wenige Eingriffe im ganzen Jahr. Deutschland hat mit dem massiven Ausbau der Windkraft in den letzten Jahren eine immer größere, stark schwankende Erzeugungslast im Netz, die ständig unter Kontrolle gehalten werden muss. Je mehr stark schwankende Stromerzeugung wir im Stromnetz haben, desto mehr müssen die Netzbetreiber in diesem immer komplexeren System eingreifen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler passieren. Und dann kann es zu Stromausfällen kommen. Da spricht schon Bände, wenn selbst Deutschlands Obergrüner und Wirtschaftsminister Unternehmen empfiehlt, sich Notstromaggregate zuzulegen.

„Alles, was Energie erzeugen kann, muss ans Netz!“

Wie realistisch ist ein Blackout?

Schwer zu sagen. Auffallend sind jedoch die Reaktionen der großen Netzbetreiber, die sich aktuell sehr besorgt äußern. Der renommierte internationale Krisen-Experte Herbert Saurugg geht davon aus, dass insbesondere die Zeit Ende 2022, Anfang 2023 die kritischste Phase sein wird.

Der Kernenergetiker Manfred Haferburg sagt, dass es sein kann, dass in Deutschland der Strom rationiert wird. Das bedeutet, dass das Saarland für zwei Stunden am Tag keinen Strom hat, danach Berlin, dann das Ruhrgebiet usw., damit das Netz entlastet wird. Ist das realistisch?

Ausschließen kann man das nicht. So etwas gab es schon in der DDR, aber auch in Südafrika. Dort wird bekanntgegeben, wann und wie lange es keinen Strom gibt. Ohne Notstromdiesel können dort viele Unternehmen gar nicht existieren. Ist das das Land, in welchem wir leben wollen?

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein einflussreicher Berater von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Was würden Sie ihm raten?

Ich würde ihm raten, zu den Leuten in seiner Partei zu sprechen und zu sagen: „Wir haben eine dramatische Situation. Es geht um die Existenz unseres Landes. Deswegen werden wir mit einigen bisherigen Tabus brechen müssen. Wir werden alles, was Energie erzeugen kann, wieder ans Netz bringen, notfalls mit Sondergenehmigung. Ob Kohle- oder Kernkraftwerke, wir müssen das Angebot an Strom sofort erhöhen.“

Als zweites müssen wir das Thema Fracking in Deutschland angehen. Es gibt ein umweltfreundliches Verfahren aus Österreich, welches ohne giftige Chemie das Gas aus dem Untergrund holt und marktreif ist. Wie kann es sein, dass wir Gas aus Katar einkaufen, obwohl wir im Land genug Ressourcen haben? Wir brauchen endlich mehr Macher und weniger Quatscher und Bedenkenträger.

Vielen Dank für das Gespräch!


Thomas Eisenhuth (55), aufgewachsen in Mecklenburg in der DDR, lebt seit mehr als 20 Jahren in Wien und arbeitet seit fast 30 Jahren in der Energiewirtschaft mit Schwerpunkt Stromhandel. In seiner Firma, die er mit einem österreichischen Partner betreibt, vermarktet er Strom aus Wasserkraft, Photovoltaik und Windenergie.

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