Südtirol – Das Land der außergewöhnlichen Winzergenossenschaften

Der Aufstieg des kleinen Südtirol zu einem der wichtigsten Qualitätsweinbaugebiete Europas, ja der Welt, ist atemberaubend. An wenig anderen Orten gibt es mittlerweile so viele hochklassige Produzenten auf so engem Raum wie hier. Von Georg Etscheit

picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack
Weinanbau im Etschtal, beim Ort Tramin, Südtirol

Die Zeiten, als eine dünne, hellrote Plörre namens St. Magdalener vom Kalterersee ganze Busladungen von Touristen auf „Törggelen-Tour“ in Ekstase versetzte, sind längst vorbei. Heute dominieren internationale Rebsorten wie Pinot Noir, Merlot, Cabernet Sauvignon, Pinot Blanc, Sauvignon Blanc, Sylvaner, Gewürztraminer und autochthone Rebsorten wie der würzige, leicht bittere (rote) Lagrein die Angebotslisten der Weingüter. Und selbst der St. Magdalener, andernorts bekannt als Vernatsch oder Trollinger, ist mittlerweile dank rigoroser Ertragsbeschränkungen und moderner Ausbaumethoden alles andere als ein billiger Touristenwein.

Schrittmacher dieser Entwicklung, die in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf breiter Front einsetzte, waren private Weingüter wie Alois Lageder bei Bozen, Ignaz Niedrist in Eppan sowie die Schlosskellerei Turmhof (Tiefenbrunner) am südlichen Ende der Südtiroler Weinstraße in Entiklar. Tiefenbrunner vinifiziert bis heute einen Müller-Thurgau namens „Feldmarschall von Fenner“, der zeigt, dass selbst diese Massenertragssorte bei entsprechender Behandlung zu ungeahnten Höhen aufsteigen und auch Kenner überzeugen kann.

Noch wichtiger für den Aufstieg Südtirols in Sachen Qualitätswein waren die Winzergenossenschaften, die wohl nirgends sonst einen so guten Ruf genießen. Grund dafür war die Tatsache, dass die Genossenschaften nie als „Resterampen“ für minderwertiges Traubenmaterial aus B- und C-Lagen fungierten. Das war wiederum der Tatsache zu verdanken, dass in Südtirol die Zahl der Privatgüter, die ihre Trauben selbst weiterverarbeiteten, kleiner war als andernorts und die Genossenschaften mithin auch über Lesegut aus Premiumlagen verfügen konnten. Als dann junge, ehrgeizige Kellermeister in den Genossenschaften das Ruder in die Hand nahmen, war der Weg frei für eine Qualitätsoffensive ohnegleichen.

Unter den Traminern genießt der „Nussbaumer“ von der Genossenschaft in Tramin – Namensgeber des Gewürztraminers – einen Ruf wie Donnerhall, ein subtiler Essensbegleiter ohne jene aufdringliche Note, die diese so charakteristische Aromasorte sonst aufweisen kann. Ähnlich renommiert ist der Sauvignon Blanc „Sanct Valentin“ von der Kellerei St. Michael in Eppan, wobei die ganze „Sanct Valentin“-Linie, rot wie weiß, die Herzen von Weinkennern höherschlagen lässt. Für Freude gereifter Weine gibt es sogar eine eigene Collection unter der Bezeichnung „Annate storiche“, mindestens zehn Jahre auf der Flasche gereift, selektioniert und neu verkorkt. Auf ähnlichem Niveau findet sich die Quintessenz-Linie der Genossenschaftskellerei in Kaltern, nicht zu vergessen die diversen Angebote der Terlaner und Girlaner Kellerei.

Wer Lagrein in absoluter Bestform sucht, wird bei der Klosterkellerei Muri in Gries fündig, einem Ortsteil von Bozen, in dem sich Mussolinis Faschisten mit repräsentativen Bauten verewigten. Die „Abtei Riserva“ ist allerdings so begehrt, dass man sie vorbestellen sollte. Auch der Weinhof Mayr-Unterganzner am Ortsrand von Bozen, eingezwängt von mehreren Verkehrstrassen, ist berühmt für seine Lagrein Riserva sowie einen saftigen Cabernet Sauvignon. In winzigen Mengen produziert der Oenologe und „Garagenwinzer“ Walter Schullian aus Kaltern einen absolut außergewöhnlichen Wein namens „Lacus“, ein Verschnitt aus Cabernet franc und Merlot, spontan vergoren und in neuen und alten Barriques ausgebaut, der mit höchsten Auszeichnungen bedacht wurde.

Die Preise für Südtiroler Weine sind, salopp gesagt, nicht von schlechten Eltern, doch Qualität gibt es eben selten für kleines Geld, wobei vergleichbare Kreszenzen aus Burgund, Bordeaux oder Sancerre noch heftiger zu Buche schlagen können. Wer sich einen Überblick über das unterdessen fast uferlose Angebot von Südtiroler Qualitätsweinen verschaffen möchte, sollte bei „Vinum“ in Bozen vorbeischauen, wo es überdies viele interessante Weine eine aus anderen italienischen und europäischen Regionen gibt. Klein, aber fein und intelligent sortiert ist auch die Vinothek Gansl im Parkhotel Post in Klausen im Eisacktal, geführt von den Brüdern Johannes und Rudolf Reiserer, mit rund 300 Weinen aus ganz Italien.


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Kommentare ( 1 )

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Marco Mahlmann
2 Monate her

Wenn Südtirol nicht mehr zu bieten hat als Wein, kann der Italiener es gerne behalten.