Tatort Saarbrücken als Groschenroman-Western: „Der Fluch des Geldes“

Der wilde Westen fängt gleich hinter Saarlouis an! Die Saarbrücker Kommissare haben bei der ARD nur einen Schuss pro Jahr frei, dürfen im kleinsten Flächen-Bundesland aus angeblich finanziellen Gründen nur einmal im Jahr ermitteln. Was liegt da näher, als es dann mal so richtig krachen zu lassen?

Screenprint: ARD / Tatort

Das Medienecho am Tag danach gibt ihnen Recht: Allerdings sind es eher kritische Stimmen, die da laut werden. „Aberwitziger, verwirrender trash“ (n-tv), „komplett misslungen“ (t-online), „verrückt, pfeift auf jede Plausibilität“ (Berliner Zeitung), bei dem für die Neue Zürcher Zeitung „der Zuschauer der Verlierer“ ist. Für den „Westen“ ist der Krimi „abstrus“, für den Münchner Merkur gar „hanebüchen“.

Autor Hendrik Hölzemann und Regisseur Christian Theede haben eben die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und einen Sonntagskrimi gedreht, der eher an einen Westentaschenroman erinnert.

Zu Beginn streitet sich Sheriff Adam (Adam Schürk, gespielt von Daniel Sträßer) mit seinem Deputy Leo (Leo Hölzer, gespielt von Vladimir Burlakov) darüber, was mit dem Sack voll Dollar geschehen soll, der da vor ihnen an dem Wasserloch (der Fischbachtalweiher zwischen Rußhütte und Fischbach) im Staub liegt, der Beute aus einem Bankraub, den der Vater von Leo verübt hatte. Der Sheriff entscheidet, dass er die Faxen seines kriminellen Deputys aber nun dicke hat und stiefelt durch die Prärie davon, immer an der Pony-Express-Route Richtung Saarbrücken-City entlang.

Was er nicht ahnt: Dieser richtig miese Nachmittag hat gerade erst angefangen. Eine Gruppe außer Rand und Band geratener Desperados reitet ihn fast nieder, und er schafft es nicht, ihnen außer herzhaften Wild-west-Flüchen (F….!) auch ein paar blaue Bohnen hinterherzuschicken. Ein paar Meilen weiter muss er erleben, dass die Bande den Gaul der sweeten alten Lady Roswitha Jäger (Patricia Osmond) scheu gemacht hat und sie deshalb von der Straße gestürzt ist. Er versucht vergeblich, sie wiederzubeleben. Ihrem Ehemann Bruno (Volker Conradt) muss er noch am Unfallort per Telefon erklären, was passiert ist, und ihm danach noch im Leichenschauhaus in die Augen blicken. Das ist zu viel für den Gesetzeshüter, der beschließt, die Bande zur Strecke zu bringen, koste es, was es wolle.

Die vier Outlaws treffen sich regelmäßig im Saloon „All in“ in Saarbrücken-City, ihre geklauten Broncos, die vor dem Schuppen angebunden waren, haben sie verraten. Sheriff Schürk findet die wenig glorreichen Vier – Betty, (Susanne Bormann), Taleb (Omar El-Saeidi) Luisa (Jasmina Al Zihairi) und Dino (Daniel Zillmann) – bei den reichen weißen Ranchern und Cowboys am Spieltisch und gibt ihnen gleich viele, viele Whiskeys aus, um sich mit ihnen anzufreunden. Sein Ziel ist es, sie in Sicherheit zu wiegen, auszuhorchen und dann in Eisen zu legen. Die Desperados vertreiben sich die riesigen Mengen Freizeit nicht nur am Roulette-Tisch und mit viel Alkohol und Drogen, sondern sie schließen auch noch untereinander Wetten ab, die sie in einer verlassenen Goldmine (stillgelegte Saarbrücker Halberg Guss) austragen.

Wenn es unwahrscheinlich wird: einfach noch einen draufsetzen

Ab hier wird es selbst für einen Groschenroman zu unglaubwürdig. Die schon arg überfrachtete Geschichte mit dem Polizisten (Hölzer), der 1,2 Millionen Euro aus der Beute seines Vaters partout, weil er unter seinem Vater „so geblutet hat“, nicht zurückgeben will, verlässt endgültig die Straße der Plausibilitäten. Die vier kleinen Ganoven nehmen den ohne irgendeine Genehmigung „undercover“ agierenden Schürk in ihre seltsame Clique auf, obwohl sie doch an dem schnell von ihm erfundenen Namen „Jens Baumann“ und seinem Reichtum zweifeln. In seiner Not, sich Geld für weitere lächerliche Kindergarten-Wetten zu beschaffen („Hey, ich wette, die Taube da bleibt 10 Sekunden sitzen“) und nicht aufzufliegen, wendet sich Schürk, dessen Tageslimit bei der Bank man auch erfährt (2.000 Euro), ausgerechnet an seinen Partner Hölzer und fordert 100.000 Euro aus der Beute als kurzfristige Leihgabe, die er auch, natürlich „gegen Quittung“ bekommt.

Die kindischen, aber teuren Wettspielchen über „wer kann am längsten die Luft anhalten“ und „wer kann am schnellsten rennen“ finden ein abruptes und tragisches Ende, als die Heroinsüchtige Luisa an einer Überdosis stirbt und seine neuen Kumpels Taleb und Dino sich gegen den Neuling in der Gruppe wenden. Da muss dann schon die Polizei eingreifen. Aber zu diesem Zeitpunkt interessiert es die wenigen Zuschauer, die bis jetzt noch wach gelieben sind, kaum noch, wer der verbliebenen Quatschköpfe (Vollbremsungen auf freier Strecke und Fahren mit zugehaltenen Augen gehörten mit zu ihrem Repertoire) denn Luisa auf dem Gewissen hat. Das ist auch deshalb kaum auszumachen, weil des Rätsels Lösung sich in irgendeinem akustisch schwer verständlichen Handy-Mitschnitt und verwischten Rückblenden verbirgt.

Man könnte dem Tatortteam Saarbrücken für weitere Fortsetzungen ans Herz legen, dass sie zum Beispiel die Kundschaft des sogenannten Casinos „All in“, das wohl eher eine Spielhalle ist, lebendiger und realistischer darstellen. Die heutzutage dort anzutreffende Klientel dürfte nicht dem Bild der dort eingesetzten Komparsen entsprechen. Ebenso zweifelhaft ist die Behauptung des Drehbuchs, dass Behörden rückfallgefährdete Drogenabhängige (Luisa) mit regelmäßigen Urintests überwachen und dabei gleichzeitig auch Schwangerschaftstests durchführen (Betty erfährt von ihrem Baby, weil sie Luisas Tests mit ihr „hingefummelt“, sprich ihre eigenen, weil unbelasteten Proben abgegeben hat).

Bemerkenswert ist die Gleichmut, mit der sich der Flughafen Saarbrücken als kaum von Flugreisenden besucht darstellen ließ, und wie einfach Schürk und Hölzer die Sicherheitskontrolle mit kurzem Aufblitzen eines angeblichen Dienstausweises durchbrechen durften. Als elegant muss man die Lösung bezeichnen, mit der sich der Autor von der Last dieser unseligen Millionenbeute auf den Schultern der beiden Staatsdiener in Zivil entledigt hat: Die schwangere Betty und ihr Ungeborenes entkommen per Flugzeug ins Glück mit der gefüllten Sporttasche und unbekanntem Ziel. Polizei- und Täterkehlen entringt sich angesichts dieses Schlusses befreites und entspanntes Gelächter. Den Zuschauern, die sich vielleicht fragen, ob dieser Tatort die „Handvoll Euros mehr“, also durchschnittlicher 1,6 Millionen, wirklich wert war (hier von t-online genannt) mag das Lachen schon vergangen sein.

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Kommentare ( 1 )

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mweiss
2 Monate her

Das Ding war schon maximal schräg, sicher. Hat mich aber trotzdem gefesselt, weil: hier waren mal richtig geile, vor allem unverbrauchte Schauspieler am Werk. Für mich käme das Ensemble z.B. für so eine „Haus des Geldes“-Variation in Betracht, oder etwas in dieser Richtung. Könnte ich mir jedenfalls gut vorstellen…