SWR-Duell Klöckner gegen Dreyer: Verstand gegen Herz

Der Kommentar einer Zuschauerin brachte es auf den Nenner: mit dem Verstand für Klöckner, mit dem Herzen für Dreyer. Der Kommentar von Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel unterlegt das auf einer anderen Ebene: Klöckner spricht über die Zukunft, Dreyer über die Gegenwart. Dieses TV-Duell endete unentschieden - spätestens nachdem die Medien das heute behaupten.

Korrekter geht’s kaum. SWR-Chefredakteur Fritz Frey erklärt die Regeln, wer fürs erste und letzte Wort ausgelost wurde und die Redezeit-Konten. Klöckners Outfit passt farblich zum blau-orangen Teil des Studiohintergrundes, in dem die Kamera sie zeigt. Dreyers Blazer in Fuchsia und Blau war der Eyecatcher vor dem Blau ihres Kamerarahmens. Beide saßen in ihrem konservativen Outlook gleichförmig korrekt am Tisch, die Arme gestreckt, die Rechte auf der Linken – hat Mainz nur einen Medientrainer?

Dann hält Frey Klöckner vor, Seehofer eingeladen zu haben. Beim Spagat zwischen Merkel-Treue-Bekundung und dem Lob Bayerns und Seehofers, mehr zur Bewältigung des Einwandereransturms zu tun als alle anderen, redet sich Klöckner von ihrer Anspannung frei. Ihrer Parteivorsitzenden teilt sie die Rolle zu, Europa zusammenzuhalten.

Dreyer behauptet, in „ihrem“ Land würden alle registriert, „ihr“ Land wisse genau, wer da sei – was nicht funktioniere, läge beim Bund. Die Amtsinhaberin referiert Buchhaltung. Wer von den beiden Konkurrentinnen in der Beurteilung der Lasten der Kommunen recht hat, nimmt kurz die Form einer Debatte im Bad Kreuznacher Stadrat an.

Das Angriffigste von Malu Dreyer war „Sie fallen ihr in den Rücken, anstatt sie zu stärken“, womit sich die SPD-Landesmutter an die Seite der CDU-Bundesmutter stellt.

Klöckner beschwört ihre Nähe zu Merkel, Dreyer will noch näher bei Merkel stehen „Ist aber falsch“, wenn Klöckner noch näher sein will. Wer hängt jetzt am Rockzipfel der großen Bundesmutti? Ist Merkel wieder auf der Siegerstraße? Ein Pluspunkt seit Anne Will statt die Verliererkarte? Beide versuchen die Kanzlerinnenkarte zu spielen. Bei Dreyer wirkt es seltsam. Könnte ja sein, dass zu viel Merkel-Nähe die Wähler zum Original verführt?

Julia Klöckner begründet selbstverständlich, dass sie, nicht ihr Gegenüber, die Kanzlerin unterstützt. Im Flüchtlingsthema konnten beide keine Punkte gewinnen und insgesamt spielte es nicht annähernd die Rolle, von der überregionale Medien schreiben. Agenda-Tunnelblick?

In Bedrängnis brachte Julia Klöcker die Amtsverteidigerin mit der maroden Infrastruktur des Landes bei Straßen und Brücken – und beim Internet. In Internetologie ist Klöckner zuhause, Dreyer nicht – offenkundig nicht nur wegen der unterschiedlichen Generationen der Duellantinnen. Mit den politischen Zuschussruinen Nürburgring und so weiter setzt Klöckner Dreyer schachmatt. Den gleichen Punktgewinn holt sich Klöckner beim Bildungsthema: Die Arbeitswelt soll familienfreundlicher werden. Dreyer, ganz und gar sozialdemokratisch, will die Betreuungsquoten erhöhen. Klöckner: Über Qualität sollten wir reden statt über Quoten. Die Ältere betont ihr höheres Alter. Will sie damit den Frische-Bonus von Klöckner zerstören?

In diesem Teil des Duells wird deutlich sichtbar, was Bernhard Vogel anschließend auf den griffigen Nenner bringt, Klöckner habe über die Zukunft gesprochen, Dreyer über die Gegenwart. Rudolf Scharping widerspricht ihm mit Worten, aber nicht mit seinem Gesicht.

Den Vorwurf, dass schlechte Rahmenbedingungen die gesunde und chancenreiche Wirtschaft des Landes behindern – „das Land kann mehr“ – , konterte Dreyer schwach. Körpersprachlich fehlt ihr da die Empathie, die ihr bei der Betonung des Menschlichen, Migranten zur Rückkehr zu bewegen statt abzuschieben, Sympathien der Zuschauer bringt.

Schlecht sieht Dreyer aus, wie sie auf ihrer Weigerung beharrt, an einer „Elefantenrunde“ mit einem AfD-Vertreter mitzuwirken. Eine Erklärung ist das nicht, nur das trotzige: weil ich nicht will.

Ihre Schlussplädoyers von je 90 Sekunden haben beide gut einstudiert. Das Muster Klöckner Zukunft und Dreyer Gegenwart bestätigt sich auch im Abschluss. Fritz Frey lobt die Damen für ihre Zeitdisziplin. Mainz, wie es artig lächelt.

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