Die Legende vom Cowboy: Dieter Blums Marlboro Man

Der Cowboy - lässige Männlichkeit, die große Freiheit und ein Hauch Einsamkeit, Romantik am Lagerfeuer: Die Marlboro-Reklamebilder haben das Bild von den USA als erstrebenswerte Welt für zwei Generationen geprägt. Der letzte Cowboy starb an Lungenkrebs. Reiten wir noch einmal durch diese Jahrzehnte.

© Dieter Blum

Im Jahr 1955 schreibt Leo Burnett an den Werbedirektor von Philip Morris um eine neue Werbekampagne für Marlboro vorzustellen: „The cowboy is an almost universal symbol of admired masculinity […] successful man who used to work with his hands. To many women we believe it will suggest a romantic past.“  Über 40 Jahre kreierte die Werbeagentur Burnett eine Markenidentität durch Selbstähnlichkeit, Cowboys, Pferde, Feuer, Männer. Es sind Ikonen entstanden, deren Bildgewalt in unsere Phantasien eindringt und uns noch heute prägen. Es ist der Duft von Freiheit und Abenteuer, der Weite des Westens, zu haben in jeder versifften Studentenkneipe, auf dem Einwohnermeldeamt von in Bielefeld und im umzäunten West-Berlin. Das änderte 1992, als Dieter Blum, als zu einem ersten Probeshooting nach Texas reiste. Heute wissen wir: Es war der fotografierte Anfang vom Ende dieser Welt.

Dieter Blum, der Perfektionist

Gute Fotografie wirkt leicht, unbeschwert.
Mit Dieter Blum, einem der bekanntesten Fotografen zu arbeiten ist eine Qual.
Wir sollten „Was mit Bewegung und Unternehmen“ fotografieren für eine Stuttgarter Landes-Bank.
Das Sujet war Dieter Hundt, damals Arbeitgeberpräsident, ein wichtiger Mann und großer Kunde..
Der Ort: Das Hundt`sche Karosserie-Presswerk bei Allgaier in Uhingen. Keine Pferde, Null Freiheit.
Haushohe stählerene Ungetüme; tonnenschwere Stempel sausen herunter, ein Riesenblech wird eingeschoben, Rummmmms, ein halber Mercedes ist gepresst. Ein Gabelstapler fährt rückwärts, schwarze Rauchwolken ausstoßend, Hundt winkt.
Dieter Blum wollte den Augenblick finden. Presse, Stempel Blech, Karosserie, Arbeiter an der Presse Gabelstapler, Rauch, Hundt. Dazu Lärm.
Und wieder. Presse, Stempel Blech, Karosserie, Arbeiter an der Presse, Gabelstapler, Rauch, Hundt. Dazu Lärm.
Und wieder.
Und wieder.
Einen Tag lang. Hundt wollte weg, der Gabelstapler brauchte frischen Treibstoff, die Autos waren gepresst, Pause für den Arbeiter. Nicht für Dieter Blum.
Und wieder. Presse, Stempel Blech, Karosserie, Arbeiter an der Presse, Gabelstapler, Rauch, Hundt. Dazu Lärm.
„Er verfolgt mit seinen Bildern immer die größtmögliche, einzufangende Ästhetik des Augenblicks, egal in welchem Genre er arbeitet,“ schreibt Wikipedia über ihn.

Sein Werk

Seine „Leib- und Magenthemen“ fand er zu Beginn der 80er Jahre, als er die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan fotografierte. Seither widmete er einen großen Teil seiner Arbeit den Themen Musik, Tanz und Kunst.

Neben den beiden Bildbänden über die Berliner Philharmoniker (1983 unter Herbert von Karajan und anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Orchesters, 2007), die er über 25 Jahre immer wieder auf ihren Reisen begleitete, schuf er Bücher über Gerhard Schröder, aber auch über die Arbeit von Karlheinz Böhm in Afrika. Den Hauptanteil seiner Arbeit widmete er jedoch der Tanzphotographie, der mehrere Bildbände gewidmet sind (Wladimir Malachow, Exstasy I, II und III, Pure Dance, Tanz und Eros I und II).

Ich habe ein wunderschönes Portrait von Ludwig-Erhard von ihm, die Zigarre qualmt, er bewegt sich, die Wähler auf ihn zu. Es muß im Wahlkampf entstanden sein, 1960er. Blum arbeitete damals für die Esslinger Zeitung. Als Reporter;später für SPIEGEL, Stern, Time, Vantiy Fair.

Blums andere Cowboys

1992 war Blum zu einem ersten Probeshooting für Marlboro in die USA eingeladen. Die entstandenen, bisher noch nie gezeigten Bilder waren die Basis, dass Blum zum international bekanntesten Fotografen wurde. Seine Fotos waren wenig später das ›Material‹ der berühmten Cowboy-Fotos von Richard Prince – und somit auch auf Umwegen für den Kunstkontext relevant.

Ich möchte nicht wissen, wieviel Cowboys, Pferde, Assistenten, Lokführer, Platzhalter, Farmer und Marketing-Menschen er verschlissen hat.

Die 59 Arbeiten, die von der Daimler Art Collection aus dem Konvolut von ca. 70 Aufnahmen erworben wurden, zeigen eine spezifische Verbindung zu ihren Schauplätzen und zur allegorisch aufgeladenen Figur des Cowboys. Es sind Fotografien, die sich im Kopf der Betrachter weiterentwickeln, zu einer Erzählung, die mit kulturellen Beständen spielt, auf deren Verfügbarkeit sich Blum verlassen konnte: Cowboys, Rodeos, der Western.

In dem ersten Shooting verlagert Dieter Blum den Blickwinkel und entwirft ein moderneres Bild des Cowboys. Die Abweichungen von geläufigen Einstellungen sind ein Indiz für Blums Wissen, dass bestimmte Erfahrungen am Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr zu haben sind. Der Einsamkeit der Prärie und dem rauen Leben des Cowboys, der mit Westernhelden wie John Wayne oder Clint Eastwood zu einem weltweiten Sinnbild der Suche nach Abenteuer und Unabhängigkeit wurde, stellt Blum geselliges Beisammensein von coolen Cowboycliquen entgegen. Er inszeniert seine Cowboy-Buddys nicht nur als Teil einer Gemeinschaft, sondern fotografiert sie an ungewöhnlich gewöhnlichen Orten: In städtischer Urbanität vor roten Ampeln (Red Light, 1992), während der Bartrasur beim Herrenfrisör (Barber, 1992) oder im Waschsalon (Self Service Laundry, 1992), wo die Cowboys neben der bekannten Behutung und Beschuhung auch einen hervorstechend knallroten Overall tragen – wie in gewollter Opposition zu ihrem üblichen Kostümkanon. Das Leben der Cowboys, wie es sich als fiktiver Mythos in Film, Roman und Malerei visualisiert, wird von Blum nicht fernab realer Lebens- und Arbeitssituationen gezeigt – vielmehr: hautnah. Aus diesem Blickwinkel ist das Sujet kaum behandelt worden. Neben der strategischen Differenz zu den Vorbildern werden aber auch bereits bestehende Images wieder aufgegriffen. Blums Bildfolgen zeigen ein Wechselspiel von alter und neuer Ordnung, von Beständigkeit und Veränderung, von Differenz in der Wiederholung – eine fotografische Ineinanderblendung von Tradiertem und Tranigem“, schreibt Frederike Horstmann zur Ausstellung. Sie nennt Blums Bildgedächtnis Encyclopediaamericana

Es ist Erinnerung – Blum hat das Ende vorweggenommen, indem er die Cowboys im Car-Port rauchen ließ: Cowboy ist unerlaubt in der Genderwelt; Rauchen generell verpönt, der Antiamerikanismus im Trend. Es bleiben Blums Bilder vom Ende der großen Freiheit.

Die ersten Cowboys sind bis November in Berlin zu sehen:
Dieter Blum
Cowboys. The first shooting 1992
bis 6. November 2016
Daimler Contemporary Berlin
http://art.daimler.com/dieter-blum-2016/

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